Gemeinderat, 25. Sitzung vom 27.06.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 89
Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Um Sanktionen oder Konsequenzen - ich nehme einmal an, ich darf das zulässigerweise so übersetzen - ist es von Anfang an nicht gegangen, sondern um Überzeugung. Das ist, denke ich, auch das Richtige. Wenn man Formen des Zusammenlebens, die sich da ja - vielen sei Dank - nicht in jedem Detail regeln lassen, tatsächlich auch ändern will, dann wird man in erster Linie Überzeugungsarbeit leisten müssen und die regulativen Instrumente eher hintanhalten.
Daher ist zur Stunde auch nicht so wichtig, was ich mir erwarte. Natürlich setze ich Hoffnung darein, dass auf Grund dieses Diskussionsprozesses einfach für mich auch zentrale Begrifflichkeiten wie etwa Respekt oder Rücksichtnahme im Umgang miteinander tatsächlich wieder jene Bedeutung bekommen, die man notwendigerweise in einem Zusammenleben und in einer Gesellschaft letztendlich auch braucht.
Die ganze Diskussion ist ja nicht zuletzt auch deswegen eingeleitet und in die Wege geleitet worden, weil mit Sicherheit in diesem Bereich auch sehr viel verloren gegangen ist. Daher denke ich, wenn wir es schaffen könnten, hier bestimmten Begrifflichkeiten, Werten, würde ich sagen, durch diesen Diskurs tatsächlich wieder zu einem Durchbruch in der Gesellschaft zu verhelfen, dann haben wir sehr, sehr viel erreicht!
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 3. Zusatzfrage wird von GR Akkilic gestellt. Ich bitte darum.
GR Senol Akkilic (Grüner Klub im Rathaus): Guten Morgen, Herr Bürgermeister!
Mir ist bekannt, dass bei den Charta-Gesprächen unterschiedliche Altersgruppen, unterschiedliche Ethnien, Geschlechter sich beteiligen. Es ist nicht nur die Beteiligungsform so wichtig und fördernd, auch die Gesprächskultur ist sehr wichtig. Ist Ihnen bekannt, ob es bei diesen Gesprächen zu irgendwelchen Untergriffen oder Eskalationen oder sonst etwas gekommen ist?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Na ja, ein Politiker wird wahrscheinlich einen Untergriff noch etwas anders definieren, als das ein normaler Mensch machen wird. Sie verzeihen mir diese Unterscheidung zwischen Politikern und normalen Menschen. Also wir sind da wahrscheinlich ein Vielfaches mehr gewöhnt - was natürlich auch zu verschiedenen Schlussfolgerungen führen würde -, denn ich kenne keine Berufsgruppe, die so miteinander umgeht wie Politiker. Da darf man sich natürlich auch nicht wundern, dass man einen entsprechenden Ruf hat.
Aber mir ist nicht bekannt, dass es zu, ich sage einmal, gröberen Unsauberkeiten gekommen ist. Es zeigt sich, dass gerade diese umfassende Thematik, wo ja dann auch viele Sachthemen heruntergebrochen werden, per definitionem einen antiaggressiven Grundcharakter evoziert, und das ist, denke ich, sehr, sehr gut so. Das zeigt, dass man sich auch über unterschiedliche Auffassungen in einer durchaus kultivierten Form austauschen kann. Es ist neben dem Inhalt auch die Form etwas, worüber ich mich in diesem Prozess auch wirklich persönlich freue.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Danke. - Die vierte und damit letzte Zusatzfrage zur 1. Anfrage kommt von GR Mag Jung. - Bitte.
GR Mag Wolfgang Jung (Klub der Wiener Freiheitlichen): Danke, Herr Vorsitzender!
Ich will ja hier nichts weiter über untergriffige Aktionen und Politiker ausführen. Sie haben gesagt, Sie verbinden mit 1848 positive Erinnerungen. Das tun wir beide, und das liegt vermutlich an einer Vereinszugehörigkeit, die wir beide zu einer gewissen Zeit gehabt haben, darüber etwas gehört und gelernt haben.
In der Charta sollen die zentralen Wertvorstellungen unserer modernen und weltoffenen Gesellschaft und die Spielregeln für ein gutes Zusammenleben formuliert werden. Die Einsendungen wurden aber nach den Spielregeln einer selbst erfundenen sogenannten Netiquette bewertet und Negatives herausgestrichen, wie Frau Struppe als Verantwortliche selber gesagt hat, also zensuriert! Unter anderem war Kritik an den Behörden unerwünscht.
Aber auch die Teilnahme von Migranten war minimal. Denn unter den wenigen, unter dem 1 Promille der Einsender, waren nur 2,8 Prozent - so hat es „biber“ selbst festgestellt - Migranten! Also wurde eine wesentliche Personengruppe gar nicht erfasst. (Amtsf StRin Sandra Frauenberger: Stimmt ja nicht!)
Sie haben vorhin gesagt, es soll auch kontrovers diskutiert werden. Wenn ich jetzt diese Netiquette einführe, ist das Kontroverse herausgestrichen worden! Also ist das ein gewisser Widerspruch.
Halten Sie daher das Ergebnis dieser Erhebung wirklich für repräsentativ und geeignet für eine Umsetzung? Zumal sie auch, wie ich schon gesagt habe, eine wesentliche Personengruppe, nämlich die Zuwanderer, überhaupt nicht wirklich wahrgenommen hat.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Zuerst einmal noch, Herr Gemeinderat: Wir schauen zwar beide nicht mehr ganz jung aus, aber 1848 haben wir mit Sicherheit nicht erlebt. (GR Mag Wolfgang Jung: Wurde auch nicht gesagt!) So bös' schau'n wir wieder nicht aus! Aber es gibt ja auch so etwas wie historische Erinnerung, nehme ich einmal an, und die Kontinuität des Geistes und des Wissens sollten wir uns nicht nehmen lassen - sagen wir es freundlicherweise so.
Was nun Ihre Anmerkungen über Zensur betrifft, wäre ich da extrem vorsichtig. Denn nach meinem Wissen sind nicht Dinge eingebracht worden, die etwa Menschenrechte verletzten, und daher musste auch nichts gestrichen werden. Sie sagen, Behörden durften nicht kritisiert werden - na, das wäre mir extrem neu! (GR Mag Wolfgang Jung: Nach der offiziellen ...) Dann dürften wir keine Zeitung mehr lesen und keinen Fernsehbericht mehr sehen. Na, offiziell ... (GR Mag
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