Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 62 von 90
es ihm.
GR Mag Klaus Werner-Lobo (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich werde mich sehr kurz fassen, weil die ganze Rede, die ich heute halten würde, könnten Sie im Protokoll nachlesen. Es ist in etwa dieselbe Rede, die ich vor einem Jahr gehalten habe. Also werde ich Ihnen ersparen, diese Rede noch einmal zu halten.
Ich habe vor einem Jahr angekündigt, dass die GRÜNEN als Bedingung zur Zustimmung zum Verein Sammlung Rotes Wien, den wir, wie gesagt, sehr schätzen und wo wir die Ausstellung sehr schätzen, gemacht haben, dass die aktiven Mandatare und Mandatarinnen von Parteien sich aus dem Vorstand zurückziehen. Das ist erfolgt. Deswegen gibt es für uns kein Hindernis, diesem Akt zuzustimmen.
Ich kann Ihnen nur nochmals ans Herz legen, die Ausstellung selbst zu besuchen. Es stimmt schlicht und einfach nicht, dass hier eine parteipolitische Huldigung vorgenommen wird, sondern es ist eine Ausstellung über diese Zeiten.
Ob man das in das Wien Museum eingliedert oder ob es ein Verein macht, dem der Vorsitzende des Kuratoriums des Wien Museums vorsitzt, ist nicht der Riesenunterschied. Über all das kann man reden.
Aber ich empfehle Ihnen, sich diese Ausstellung anzusehen. Ich habe das getan und ich finde, sie ist sehr gut. Es ist ein wichtiger Teil unserer Geschichte, auf den ganz Wien, nicht nur einzelne Parteien, glaube ich, sehr stolz sein kann.
Das zweite Thema ist, dass auch wir, Rot und Grün gemeinsam, einen Antrag einbringen wollen.
Die Geschichte mit dem Denkmal, mit dem Dr-Karl-Lueger-Ring oder mit Umbenennungen in dieser Stadt wurde heute bereits zur Genüge abgehandelt. Ich brauche das auch nicht alles noch einmal zu wiederholen. Uns ist es wichtig, dass sich eine Stadt aktiv mit ihrer Geschichte auseinandersetzt. Das ist kein Zurückschauen, sondern im Gegenteil, ein Verweilen in der Vergangenheit wäre es - wenn Sie das wollen, dann müssen Sie es halt sagen -, dass man dann sagt, auch der Schwarzenbergplatz sollte noch Stalinplatz heißen, oder die Brücke, die nach Floridsdorf führt, sollte Brücke der Roten Armee heißen. Ich glaube, wir sind alle, gemeinsam, froh, dass es nicht mehr Stalinplatz und nicht mehr Brücke der Roten Armee heißt. Genauso froh sind wir, dass dieser eine Straßenabschnitt nicht mehr Dr-Karl-Lueger-Ring heißt.
Alles, was andere, weitere Umbenennungen betrifft, und das ist der wesentliche Punkt, wollen wir, dass wir die Ergebnisse der HistorikerInnenkommission, die zur Zeit beauftragt wurde und die mehr als 4 100 personenbezogene Straßennamen untersucht, abwarten. Diese Ergebnisse wollen wir sehr ernst nehmen und daraus die politischen Schlüsse ziehen. Geschichte ist etwas, das im Wandel ist. Da gibt es nie ein Endergebnis. Da gibt es nie einen Endpunkt. Wichtig ist, dass sich eine Gesellschaft ihrer Geschichte stellt und für die Zukunft lernt. - Herzlichen Dank. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag Ebinger. Ich erteile es ihm.
GR Mag Gerald Ebinger (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Meine Damen und Herren!
Lassen Sie mich kurz auf meinen Vorredner eingehen. Das ist schon richtig. Wichtig ist, dass man sich seiner Geschichte stellt. Aber wir glauben halt, es ist auch wichtig, dass man die Geschichte nicht sozusagen wegradiert, als ob es diese Geschichte nicht gegeben hätte. Meine Ansicht ist, es ist immer alles gut und böse zugleich. Heute wurde schon gesagt, wo viel Licht ist, ist viel Schatten. So ist das auch bei der Persönlichkeit Lueger, wo ich mich überhaupt frage, wieso eigentlich gerade jetzt unbenannt wird.
Ich komme gleich zur Sammlung Rotes Wien. Es ist nämlich ein Zusammenhang, weil ich auch über Karl Marx und über andere Sozialisten und Sozialdemokraten und Marxisten, die in dieser Stadt geehrt werden, etwas sagen möchte.
Der Herr Stadtrat hat gefragt, ob wir wissen, wann der Dr-Karl-Lueger-Ring benannt wurde. 1934, das wissen wir auch. Er ist im Ständestaat benannt worden. Nachdem dann offensichtlich, wie ich jetzt dazugelernt habe, Hitler ein Faible für ihn hatte, ist er bis 1945 nicht umbenannt worden. Er ist aber nach 1945 auch nicht unbenannt worden, und das ist jetzt immerhin schon 67 Jahre her. Also, wenn jetzt eine Historikerkommission sagt, wir müssen das aufarbeiten, dieser Antisemitismus ist wirklich unerträglich, dann frage ich mich, wie langsam sozialistische Historikerkommissionen sind, wenn sie 67 Jahre brauchen, bis sie sich zu einem solchen Schritt durchringen können. Das Ganze ist irgendwie peinlich und lächerlich, würde ich sagen. Wir gehen einmal davon aus, dass man euch das mehr oder weniger gegeben hat, damit ihr auch irgendetwas habt, wo ihr euch profilieren könnt, was ihr erreicht habt und so weiter. Historisch vertretbar ist es nicht.
Wir stehen auf dem Standpunkt, wie gesagt, wenn man nachschaut, braucht man nur die griechische Philosophie, die griechische Tragödie herzunehmen, oder für modernere Menschen auch diese Abreaktionsspiele von Hermann Nitsch, wo klar dargelegt wird, wenn man sie versteht, und das geht auf Dionysos und auf noch ältere Kulturen zurück, dass eben nicht der Mensch gut ist, der Herr Ellensohn ist gut, die Freiheitlichen sind schlecht, sondern jeder Mensch ist in sich gut und schlecht zugleich. Das ist einfach so im Wesen. So müssen wir meiner Ansicht nach unsere Geschichte zur Kenntnis nehmen, auch mit all ihren negativen Seiten.
Auf ein paar andere negative Seiten komme ich jetzt noch zu sprechen, wobei ich vorausschicken will, ich bin gegen jede Umbenennung. Ich bin selbstverständlich nicht der Meinung, dass man diese Gedenktafel an Stalin wegnehmen soll. Sie wissen, ungefähr zeitgleich war Lenin in Wien, den Viktor Adler vor der Auslieferung nach Russland gerettet hat. Wie würde die Welt sonst ausschauen? Zur gleichen Zeit, und das ist auch eine diabolische Pikanterie, kann man mehr oder weniger
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