Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 46 von 90
Herr Gudenus gesagt: Was soll denn da so besonders dran sein? Österreich hat immer von Migration gelebt und nach Österreich sind Leute immer emigriert. Meine Gratulation, Herr Gudenus! Das ist ein indirektes Bekenntnis dafür, dass Österreich ein Einwanderungsland ist. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Falsch! Nein!) Das haben wir ständig gesagt. Wenn Sie feststellen, dass Österreich immer von der Migration gelebt hat, dann müssen Sie im nächsten Schritt automatisch sagen, Österreich ist ein Einwanderungsland. Ich habe meine Wortmeldung auf den ersten Anwerbevertrag zwischen Spanien und Österreich und der damaligen EWG mit der Türkei bezogen. Also ist es ein Bekenntnis dafür, dass Österreich ein Einwanderungsland ist.
Jetzt möchte ich zur ÖVP noch etwas sagen. Ich habe eine gewisse Sympathie für den Herrn Kurz. Das heißt aber nicht, dass ich keine kritischen Worte über ihn verlieren möchte. Der Leistungsbegriff, den Sie immer wieder ins Spiel bringen, Integration durch Leistung, beinhaltet zugleich, dass Menschen, die sich bei der Integration schwer tun beziehungsweise vor Hindernissen stehen, nichts leisten würden. Da wird etwas Falsches suggeriert. Das heißt, in Österreich ist nur dann jemand integriert, wenn er etwas leistet. Es leisten täglich Menschen in Österreich etwas. Aber manche tun sich bei der Integration leichter, manche tun sich schwer. Das hat soziale Gründe, das hat bildungspolitische Gründe, aber auch andere Gründe. Das heißt, die Leistung darf vom Menschen nicht in Frage gestellt werden. Integration erfordert das Bemühen und das Mitmachen von allen Menschen, vor allem des Staates, der Stadt beziehungsweise der Bürger und Bürgerinnen. Deshalb ist die Wiener Charta „Zukunft gemeinsam leben“ so wichtig. Weil wir wissen, dass wir von oben nichts anordnen können, wollen, geben wir den Bürgern und Bürgerinnen die Möglichkeit, abseits von Gesetzen miteinander ins Gespräch zu kommen. Miteinander reden ist nicht nur leicht hergesagt etwas Leichtes, das man jeden Tag machen kann. Ich frage Sie alle: Wie oft sprechen Sie mit Ihren Nachbarn und Nachbarinnen in Ihrem Haus, in Ihrem Gebäude? Wie oft sprechen Sie mit dem Greißler um die Ecke bei Ihnen, sofern es welchen gibt? Wie oft sprechen Sie mit Menschen auf der Straße? Dieser Beteiligungsprozess gibt eben jene Rahmenbedingungen vor, wo die Menschen in einer Demokratieoffensive miteinander darüber reden können, wie sie selber zum Zusammenleben beitragen können.
Unser Demokratieverständnis geht dahin, dass wir sagen, die Bürger und Bürgerinnen haben das Wort. Sie bestimmen, was Thema ist, sie bestimmen, was zu sprechen ist, sie bestimmen, was transportiert werden darf. Natürlich hätte man sagen können, die WienerInnen sollen über das und das und das und das reden. Das würde wahrscheinlich bei Ihrer Partei besser ankommen, wenn wir so Strukturen und Themen vorgegeben hätten. Nein, das ist nicht unser Verständnis von Demokratie. Entschuldigen Sie, 1 848 Themen, das soll einmal die Freiheitliche Partei zusammenbringen! Ich glaube, dass sie nicht einmal 100 Themen zusammenbringen wird, wenn es darum geht. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Sie haben nämlich nur ein Thema, da hat der Klubobmann recht, was, dürfen Sie drei Mal raten, Herr Gudenus! Welches Thema haben Sie? (GRin Anica Matzka-Dojder: Ausländer!) Ausländer. Richtig geraten. Ausländer. Mehr nicht. Daher ist es nicht zulässig, dass die Freiheitliche Partei die Dimension und die Inhalte der Wiener Charta von der rot-grünen Regierung kleinzureden versucht. Weil Sie dem nichts entgegenzusetzen haben, werden Sie das immer wieder kleinzureden versuchen. Bitte denken Sie nach, ob das der richtige Weg ist.
Der Herr Jung ist nicht da. Die Schwierigkeit der deutschen Sprache, da hätte ich gerne vom Herrn Jung erklärt haben wollen, heißt das jetzt „K“arta oder „Tsch“arta? Wir haben lange darüber diskutiert. Manche sagen „K“arta, manche sagen „Tsch“arta. Vielleicht gibt es einige Deutschprofessoren unter Ihnen, die uns hier Länge mal Breite ausführen können, ob das jetzt „Tsch“arta oder „K“arta ist. Ich sage „K“arta.
Es ist ein bisserl jetzt so abgekoppelt, aber ich möchte noch einmal zum Leistungsbegriff nur eine Ergänzung machen. Hätten wir die Frauengleichstellung in Zusammenhang mit Leistung diskutiert, hätten wir große Probleme. Hätte man gesagt, damit die Frauen in der Gesellschaft weiterkommen, müssen sie Leistung erbringen, hätten wir große Probleme. Auch das muss uns zum Nachdenken bewegen, wenn man den MigrantInnen vorschreibt, wer integriert sein will, muss Leistung erbringen. Leistung durch Integration könnte man genauso bei den Frauen anwenden. Aufstieg durch Leistung, da hapert es ein bisschen. Da soll der Sebastian Kurz auch ein bisschen in sich reingehen und fragen.
Eine letzte Anmerkung noch zu unserem Antrag, den wir im Zusammenhang mit Menschenrechten gestellt haben, was Herr Herzog kritisiert hat, dass das nicht weitgehend ist und dass die Kurden nicht vorkommen. Das stimmt nicht. Lesen Sie unseren Antrag durch, da kommen zwei Mal, drei Mal die Kurden vor. Und außerdem Ihre Ausführungen! Entschuldigen Sie, Sie haben über Ungarn gesprochen. Wo ist die Verletzung der Rechte von Roma? Wo ist die Diskriminierung gegenüber Sintis. Wo ist die Diskriminierung gegenüber Andersgläubigen in unserem Land, Islamophobie? Über all diese Sachen reden Sie nicht. Also es ist besser, Sie schweigen. Ich danke Ihnen vielmals. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Vorsitzende GRin Dr Sigrid Pilz: Zu einer tatsächlichen Berichtung ist GR Dr Stürzenbecher zum Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
GR Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Präsident Herzog hat in seiner Wortmeldung gesagt, die SPD hätte Günter Grass gegen die Vorwürfe, die ungerechtfertigten, die es auch gegeben hat, nicht verteidigt. Ohne dass ich jetzt hier eine Grass-Debatte noch irgendwie fortsetzen will, weil es wurde alles schon gesagt, wenn auch nicht von allen, also ohne dass ich eine solche spezifische Debatte hier will, muss ich dezidiert sagen, die SPD hat natürlich Günter Grass sehr dezidiert und sehr eindeutig gegen ungerechtfertigte Angriffe
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