Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 22 von 90
und in diesem Zusammenhang möchte ich Felix Salten zitieren, der Luegers Ambitionen auf das Bürgermeisteramt beschrieb, welches er den Deutschliberalen abgenommen hat, welche auch ihre klare Einschätzung von Lueger hatten, was ich auch Ihnen sagen möchte, Herr Gudenus. – Felix Salten meint, Lueger hätte jedes beliebige Mittel angewendet, wenn es nützlich gewesen wäre, selbst ein edles.
Lueger trieb jedenfalls ein gefährliches Spiel mit den Massen, und zwar natürlich mit antijüdischen Unter- und Obertönen. Ich bringe zum Beispiel ein Zitat nach Gerhard Bergen: „Ich werde erst glücklich sein, wenn der letzte Jud’ aus Wien verschwunden ist.“ – Lueger hat das aufbereitet, was ab Anfang der 30er Jahre zu antijüdischen Randalen an der Universität – nicht nur an der Universität, aber auch an der Universität – wurde. Braune nationalsozialistische Schläger haben damals Professoren beschimpft, Studierende massenhaft attackiert und verletzt. Im Zuge dieser Entwicklung konnte letztlich unser späterer Bundeskanzler Bruno Kreisky seine verdiente Promotion nicht mehr entgegennehmen, weil er Jude war. Geendet hat das Ganze damit, dass tausende andere jüdische Professoren, Forschende und Studierende von der Universität Wien vertrieben und vernichtet wurden.
Der Rassenkrieg begann, und solch ein Rassenkrieg hat an einer Universität und hat nirgendwo etwas verloren. Dieser Rassenkrieg begann mit antijüdischer Stimmungsmache. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Das war ein Klassenkrieg!)
Luegers Antisemitismus war religiös-sozial und nicht rassisch motiviert. Und das ist natürlich der Unterschied zu anderen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Trotzdem wurde auf diese Art ein Flächenbrand ausgelöst, der dann nicht mehr zu stoppen war, und deshalb haben wir als Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen ein sehr differenziertes Bild von Lueger.
Ich wehre mich auch gegen eine generelle Auslöschung des Namens Lueger in Wien. Dafür sind seine Verdienste zu groß. Dagegen spreche ich mich persönlich aus. Wir haben in Simmering die Dr-Karl-Lueger-Gedächtniskirche „Zum Heiligen Karl Borromäus“, und das wird so bleiben. Das sage ich als Simmeringer Mandatar, und dazu stehe ich, weil ich ein differenziertes Bild habe.
Karl Lueger erhielt aber immerhin auch ein bemerkenswertes Kompliment als – Zitat: „gewaltigster deutscher Bürgermeister aller Zeiten“. – Das ist nachzulesen in „Mein Kampf“ von Adolf Hitler. – Daher ein Ja zum Wunsch der Universität Wien nach einer unumstrittenen und – wie ich sagen darf – sauberen Adresse. Ja zum Universitätsring in Wien. – Danke. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Nunmehr gelangt tatsächlich Herr Dr Aigner zu Wort. Ich erteile es ihm.
GR Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar): Herr Vorsitzender! Herr Stadtrat! Meine Damen und Herren!
Mir kommt die Debatte um die Umbenennung des Dr-Karl-Lueger-Rings so ähnlich vor wie die überhastete Erweiterung des Parkpickerls. Es ist dabei kein Konzept erkennbar. Die SPÖ will das eigentlich nicht wirklich, gibt den GRÜNEN nach, und am Ende kommt im Prinzip eine Husch-Pfusch-Aktion heraus, die man in dieser Form nicht so stehen lassen kann.
Herr Kollege Troch, wenn Sie Ja zum Universitätsring, statt Dr-Karl-Lueger-Ring sagen, dann würde ich mir auch erwarten, dass man Ja zum Parlamentsring und Nein zum Dr-Karl-Renner-Ring sagt. – Dann ist das ausgewogen. (Beifall bei FPÖ und ÖVP.)
Ich halte aber prinzipiell nichts davon, dass man jetzt anfängt, sich punktuell über Straßenbezeichnungen zu unterhalten, obwohl eine Kommission ja erst am Arbeiten ist. Das ist eine Vorgangsweise, die insgesamt undurchdacht ist und im Hinblick auf welche man weiß, wohin der Hase läuft: Die GRÜNEN werden mit solchen ideologischen Signalen ruhiggestellt, und die SPÖ kann sozusagen die Stadt weiter ungestört verwalten. Was Sie dabei eigentlich nicht wollten, ist, dass man darüber diskutiert, dass man diesen Ball sehr gut aufnehmen und über die Leistungen von Bürgermeister Dr Karl Lueger wieder mehr informieren kann.
Es ist auch interessant, die Frage zu stellen: Was hat Karl Marx für Wien getan? Was hat Friedrich Engels für Wien getan? Was hat Che Guevara für Wien getan? – Es ist klar, welche Antwort man darauf gibt, wenn man fragt, was Lueger für Wien getan hat. Er hat nachweislich für Wien viel Gutes getan. Das sagen alle. Daher ist auch die Frage klar zu beantworten, ob man ihm eine vornehme Adresse widmen soll. Ich glaube, dem schon lange toten Lueger wird das relativ egal sein! Aber es gibt keine Antwort auf die Frage, was Karl Marx, Friedrich Engels, Rosa Luxemburg oder gar Che Guevara Gutes für Österreich oder für Wien getan haben. Diese Frage kann man stellen, und die Antwort ist klar: Sie haben nichts getan. Benennungen nach ihnen sind pure Ideologie, und ich glaube, auch dieser Debatte werden Sie sich jetzt, nachdem Sie diese Umbenennungsdebatte vom Zaun gebrochen haben, stellen müssen, und da wird man nicht locker lassen können.
Der Antisemitismus geht in unterschiedlichen Epochen in ganz unterschiedlichem Gewand einher. Der heutige, gegenwärtige Antisemitismus verbirgt sich hinter dem Antiisraelismus, indem man halt nicht von den Juden, sondern von Israel spricht. Und ich frage mich, wie man dann mit einem Herrn Nobelpreisträger Günter Grass umgeht, der nichts Besseres zu tun weiß, als in einer hochbrisanten Lage jetzt zu sagen, dass die Israelis, die ihrerseits permanent von Vernichtung bedroht sind, irgendjemanden auslöschen wollen. – Das ist der heutige Antisemitismus, und wenn man sich schon damit auseinandersetzt, dann sollte man sich diesen Gestalten zuwenden und nicht Leuten, die über hundert Jahre tot sind und sich nicht mehr wehren können, die sich auch nicht dagegen wehren können, dass sich ein wahnsinniger Reichsführer auf sie berufen hat. Nicht das sollte man Jahrzehnte später zum Anlass zu nehmen, ein Türschild auszutauschen. (Beifall bei der FPÖ.)
Und der nächste Schritt kommt ja schon: Jetzt wird
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