Gemeinderat, 22. Sitzung vom 27.04.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 90
Klub der Bundeshauptstadt Wien hat eine Aktuelle Stunde mit dem Thema „Umbenennung des Dr-Karl-Lueger-Ringes; Stadtregierung legt unterschiedliche Maßstäbe an“ verlangt. Das Verlangen wurde gemäß § 39 Abs 2 der Geschäftsordnung ordnungsgemäß beantragt. Ich bitte den Erstredner, Herrn GR Dr Ulm, die Aktuelle Stunde zu eröffnen, wobei ich bemerke, dass seine Redezeit mit zehn Minuten begrenzt ist.
GR Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Lueger ist der berühmteste aller Wiener Bürgermeister. Sein Name ist mit der Geschichte Wiens verbunden wie kein anderer, und das aus gutem Grund, denn auch heute profitiert die Stadt von der Modernisierung, die um die Jahrhundertwende vorgenommen wurde. Wir verdanken Lueger das Wiener Wasser aus der Zweiten Hochquellenwasserleitung, die Wiener Stadtwerke, die Straßenbahn, große Sozialeinrichtungen wie das Versorgungsheim Lainz und Spitäler wie das Psychiatrische Krankenhaus am Steinhof, das heute aus anderen Ursachen Gegenstand der politischen Debatte ist.
Lueger war ein visionärer Politiker, der Wien zur Metropole gemacht hat. Aber es gibt auch Unrühmliches über ihn zu berichten: Er war ein grober Antisemit, und seine Aussagen zu den Juden müssen entschieden zurückgewiesen werden. Antisemitische Äußerungen dürfen nicht verharmlost werden, müssen aber aus ihrer Zeit heraus beurteilt werden. Und bei dieser Beurteilung – und das ist mein Vorwurf an die Sozialdemokratie – legen Sie unterschiedliche Maßstäbe an, je nachdem ob es sich um einen Christlichsozialen oder um einen Sozialisten handelt.
Wieso wollen Sie eigentlich nicht den Schuhmeier-Platz in Ottakring umbenennen? Franz Schuhmeier hat auf dem Parteitag und zuvor in der „Volkstribüne“ folgende Äußerungen getätigt. – Ich zitiere verkürzt, aber wörtlich: „Von mir aus sollen alle Juden nach Palästina gehen. ... Juden, die vorgeben, Sozialdemokraten zu sein und welche vielleicht die Absicht haben sollten, die sozialdemokratische Partei zu einer Schutztruppe für philosemitische Parteien zu machen, werden ... hinausgeschmissen ...“
Antisemitismus gibt es bei vielen linken Ikonen, auch bei Karl Marx. Er bezeichnet Lassalle als „jüdischen Nigger“ und spricht davon, dass bei ihm die Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsubstanz ein sonderbares Produkt hervorgebracht habe. – Dieser Ausspruch ist weniger bekannt als die Tatsache, dass Marx die theoretische Grundlage für die verbrecherische Diktatur des Kommunismus geschaffen hat. In Deutschland war es selbstverständlich, Karl-Marx-Stadt nach der Wende umzubenennen. Der Karl-Marx-Hof ist jedoch für die Sozialdemokratie sakrosankt.
Ein weiterer Säulenheiliger der Sozialisten ist Julius Tandler. Julius Tandler war amtsführender Stadtrat für das Gesundheitswesen in den Jahren 1919 bis 1934. Im Jahre 1916 hat er von „Rassenmischung“, „Reinzucht“ und „Rassentüchtigkeit“ gesprochen. 1924 beklagte er, dass „Lebensunwerte leben“ und dass „30 000 Vollidioten Deutschland 2 Millionen Friedensmark kosten“. Er hoffte, dass die Idee, dass man lebensunwertes Leben opfern müsse, um lebenswertes Leben zu erhalten, immer mehr ins Volksbewusstsein dringen wird. – Leider Gottes haben sich seine Ideen mit ihren schrecklichen Konsequenzen vor allem bei den Nationalsozialisten durchgesetzt!
Es gibt auch heute noch den Julius-Tandler-Platz im 9. Bezirk, und Sie verleihen auch heute noch die Julius-Tandler-Medaille für besondere Verdienste um die Menschlichkeit, weil Tandler in der Zwischenkriegszeit sozialistischer Sozial- und Gesundheitspolitiker war.
Der Sozialist Karl Renner rief im Jahre 1938 zum Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland auf, zu einem Zeitpunkt, als man bereits wusste, dass die Nationalsozialisten die Juden planmäßig verfolgen. Von einer geplanten Umbenennung des Dr-Karl-Renner-Rings ist mir nichts bekannt! Eine solche wäre im Übrigen dort viel leichter, es müsste nämlich keine einzige Anschrift geändert werden, denn zwischen Volksgarten und Parlament wohnt niemand, ganz anders als am Dr-Karl-Lueger-Ring.
Der Kommunist Ernesto Che Guevara ließ hunderte Menschen exekutieren, baute eine verbrecherische Diktatur auf und wurde zum Idol des linken Terrorismus. Ihm wurde von der Sozialdemokratie im Jahr 2008 im Donaupark ein Denkmal gesetzt. Che Guevara wird mittlerweile nicht einmal mehr in Kuba gefeiert. Die Wiener Sozialdemokratie sorgt aber dafür, dass das in Wien geschieht.
Sehr geehrte Damen und Herren! Diese fünf Beispiele, die ich nicht lange suchen musste, beweisen eines: Sie messen mit ungleichem Maß! Sie beurteilen linke Politiker und Persönlichkeiten ganz anders als andere! Sie müssen sich vorwerfen lassen, dass Sie unsachlich agieren, dass Sie rein ideologisch und parteipolitisch handeln. Ihr Argument, die Universität hätte eine solche Umbenennung beschlossen, ist nämlich schlicht und einfach unrichtig. Es gibt keinen solchen Beschluss. Natürlich gibt es einige Professoren und Studentenvertreter, die das wollen, weil es ja naheliegend ist, dass man sich als Gebäudeinhaber wünscht, dass die Straße vor dem eigenen Gebäude nach einem benannt wird.
Auch Bgm Häupl hat sich aus guten Gründen viele Jahre lang gegen die Umbenennung des Lueger-Rings ausgesprochen. Ich kann mich selbst erinnern, es ist noch nicht so lange her, ich habe nachgeschaut: Es war in der Fragestunde am 18. Dezember 2009. Im Zusammenhang mit einer diesbezüglichen Frage der GRÜNEN hat der Bürgermeister eine Umbenennung abgelehnt. – Es scheint sich etwas geändert zu haben in dieser SPÖ in Wien. Aber das ist Ihre Sache!
Mir geht es natürlich nicht um die SPÖ, sondern um Wien, und daher rufe ich Sie, Herr Stadtrat, sehr geehrte Damen und Herren von der Sozialdemokratie, auf: Unterlassen Sie die Umbenennung des Dr-Karl-Lueger-Rings, und gehen Sie mit der Geschichte dieser Stadt sachlich und verantwortungsvoll um. (Beifall bei ÖVP, FPÖ und von GR Dr Wolfgang Aigner.)
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