Gemeinderat, 19. Sitzung vom 24.02.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 82
Margulies.
GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Gleich vorweg, es wird Sie nicht wundern, Kollege Ellensohn hat es ja auch schon gesagt, wir halten diesen Sparfetischismus für gänzlich falsch. Und das, was jetzt passiert, ist, dass sich der Spardiskurs ja immer mehr in einen Belastungsdiskurs dreht, nicht nur hier im Haus, man erkennt es an den Fragen, sondern natürlich in ganz Österreich. Und es erinnert frappant an den Belastungsdiskurs in Österreich. Am Ende steht die Frage: Wer bezahlt die Rechnung? Man hat es auch in Griechenland gesehen, man sucht sich die Personengruppen aus. Am Anfang sind die Pensionisten dran, dann die Beamten. Da lachen sich alle noch in das Fäustchen. Und dann geht es weiter: Senkung des Mindestlohnes, Arbeitslosigkeit, Arbeitslosengeld wird gesenkt, Sozialunterstützung wird gesenkt, et cetera. Am Ende, wenn wir so weitermachen hier in Österreich, wie es die EU fordert, zahlen die Armen und die Mittelschicht. In Griechenland kommen die Reeder ungeschoren davon und in Österreich Fiona und Karl-Heinz Grasser! Das ist das Problem an dem Belastungsdiskurs, der in Österreich läuft. Kollege Ellensohn hat schon richtig festgestellt, wir können uns in Wien diesem leider nicht verschließen, aber dankenswerterweise hat die LandesfinanzreferentInnenkonferenz ja auch auf Initiative von StRin Brauner beschlossen, dass die Mehreinnahmen unabdingbarer Bestandteil des Gesamtpaketes sind.
Daher jetzt meine Frage, weil sowohl die Finanztransaktionssteuer als auch der Beitrag aus der Schweiz, der kommen sollte, et cetera, ja mehr Hirngespinste der Bundesregierung sind als Realität: Sollten diese Einnahmen nicht kommen, werden Sie verstärkt auf die Einführung der Vermögenssteuer drängen, um die Einnahmen, die ja den Ländern versprochen wurden, tatsächlich sicherzustellen, beziehungsweise was bedeutet es, wenn die Einnahmen nicht kommen?
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Frau Vizebürgermeisterin!
VBgmin Mag Renate Brauner: Ganz so pessimistisch, was diese Einnahmenseite betrifft, möchte ich nicht sein, vor allem, weil ich es für wichtig halte. Ich habe vorhin schon bei einer anderen Anfrage gesagt, was die Griechen jetzt versuchen, indem sie zum ersten Mal offensichtlich Auslandskonten sperren, wie immer das rechtlich möglich ist, wage ich jetzt nicht zu beurteilen, ich bin keine internationale Finanzexpertin, aber wie immer das rechtlich möglich ist, ich hielte es für ganz, ganz wichtig, weil ja genau diese Hin- und Herschieberei von Geld ein Teil des Problems ist, wo die öffentliche Hand dann durch die Finger schaut und die, die da sind, und das sind die genau von dir beschriebenen Menschen, Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen, Kleinunternehmer, zahlen dann die Zeche.
Auch bei der Finanztransaktionssteuer bin ich nicht so pessimistisch. Immerhin hat auch ein in Europa sehr stark einflussreicher Staat wie Frankreich jetzt einmal hier den Vorstoß gemacht. Aber ich glaube, es ist noch viel politischer Druck notwendig, vor allem auch in Richtung Bundeskanzlerin Merkel, die da, wie wir alle wissen, leider eine große Bremserin ist. Das heißt, da müssen wir Druck machen. Aber jawohl, es stimmt, wir haben als Landesfinanzreferenten und –referentinnen, und das war mir persönlich ein großes Anliegen, entsprechende Bedingungen auch formuliert und wir haben auch ganz klare Beschlüsse gefasst, die nicht nur politischer Natur sind, sondern auch ganz sachlicher Natur, denn wie können wir Sparpakete abliefern, wie können wir Sparpakete und Konsolidierungsmaßnahmen setzen, wenn die Einnahmenseite nicht gesichert ist? Deswegen haben wir eben beschlossen, dass die Grundlage für diesen Stabilitätspakt ist, dass die Einnahmenseite durch den Finanzausgleich gesichert ist, also unsere Grundeinnahme, wenn ich das so formulieren darf, aber auch, dass die zusätzlichen 15a-Vereinbarungen, die es von der Pflege über die Kinderbetreuung gibt, weiter verlängert werden müssen und dass wir diese Einnahmensicherheit brauchen. Erst auf Basis dieser Einnahmensicherheit sind auch entsprechende Maßnahmen von unserer Seite zu setzen.
Sollte dieses nicht der Fall sein, um die Frage auch ganz präzise zu beantworten, sollten diese Einnahmen nicht kommen, was ja, wenn man realistisch ist, nicht gleich am ersten Tag sein wird, sondern wir das erst im Laufe der Jahre feststellen werden, dann gilt es, mit uns neu den Stabilitätspakt und unseren Beitrag auch zu verhandeln.
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Die 4. Zusatzfrage wird gestellt von der Frau GRin Mag Dr Kappel.
GRin Mag Dr Barbara Kappel (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin!
Ich würde gerne wieder zur vorher begründeten Nachhaltigkeitsdiskussion zurückkehren und zwei Schritte anführen, die ich schon erwähnt habe und die auch der Rechnungshof und viele Experten als nachhaltige Maßnahmen anführen, nämlich das Zurücksetzen des Pensionsprivilegs für die Wiener Bediensteten. Sie führten hier als Argumente den Durchrechnungszeitraum für eine Umsetzung der Bundesbeamtenpensionsreform und die Frühpensionierungen an. Wir wissen nun vom Rechnungshof, den Sie auch schon zitierten, dass die Anpassung des Bundesbeamtenschemas mittelfristig auf der Ebene der Gemeinde Wien zu Einsparungen von 350 Millionen EUR führen würde. Und wir wissen von Experten, dass eine Halbierung der Frühpensionierungen in etwa 100 Millionen EUR bringen würde, also in Summe 450 Millionen EUR an Einsparungspotenzial.
Meine Frage nun an Sie: Kann es sich die Gemeinde Wien mittelfristig leisten, auf ein so hohes Einsparungspotenzial zu verzichten?
Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Bitte, Frau
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