Gemeinderat, 19. Sitzung vom 24.02.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 82
darein und werde natürlich auch mein Engagement in diese Richtung besonders wirksam werden lassen. So hoffe ich jedenfalls, dass wir wieder zu dem Prinzip des Bestbieters zurückkehren.
Ich meine, Sie wissen, dass es auch eine Frage war, die, wenn man die letzten zwei Jahrzehnte dieser Diskussion verfolgt, eine nicht unbestrittene Geschichte war. Mit dem Billigstbieterprinzip – de facto Billigstbieterprinzip, muss man dazusagen – ist es natürlich wesentlich einfacher für die Verwaltung selbst, aber auch für die ganze Frage der Nachkontrolle. Daher wird es da mit Sicherheit auch darum gehen, dass man in diesen Diskussionen das Bestbieterprinzip wesentlich genauer definiert, vor allem im österreichischen Bundesrecht, als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Das mag man als Korsett auslegen, aber im Hinblick auf die Rechtssicherheit bei den Vergaben von öffentlichen Aufträgen scheint es mir nachgerade unerlässlich zu sein, dass man diese Vorgangsweise wählt. Aber ganz unbestreitbar, ich bin persönlich vollkommen Ihrer Meinung: Das Bestbieterprinzip ist etwas, das uns wahrscheinlich für die Zukunft Kosten und Zeit ersparen wird.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke. Die 2. Zusatzfrage wird von GRin Dr Vana gestellt. – Bitte.
GRin Dr Monika Vana (Grüner Klub im Rathaus): Danke schön. Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Neben dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit und der fehlenden Lehrstellen ist der Wiener, aber auch der österreichische Arbeitsmarkt zunehmend mit der Prekarisierung von Arbeit konfrontiert. Immer mehr Menschen können von ihrer Arbeit, zum Teil sogar Vollzeitarbeit, nicht mehr leben. Auch immer mehr Jugendliche beziehen Einkommen, die so niedrig sind, dass sie eigentlich nicht existenzsichernd sind. Aus diesem unerfreulichen Anlass wird auch nächste Woche von Gewerkschaften und NGOs wieder der Santa Precaria Aktionstag ausgerufen, um auf das Problem der zunehmenden Prekarisierung von Arbeit hinzuweisen.
Ich frage Sie nun: Was tut Wien angesichts der Tatsache, dass im sogenannten Sparpaket weder der Mindestlohn noch die steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit beinhaltet sind? Was tut Wien, um der zunehmenden Prekarisierung von Arbeit entgegenzuwirken und insbesondere Jugendlichen Arbeitsplätze zu bieten, die existenzsichernd, sozial abgesichert und auch nachhaltig im Sinn von Zukunftsperspektiven sind?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Frau Gemeinderätin! Zunächst muss ich sagen, dass Sie mit Ihrer Analyse bedauerlicherweise recht haben. Das schlägt sich nicht zuletzt auch in unseren Statistiken nieder, nämlich in Statistiken jenes Phänomens, das man früher Sozialhilfe genannt hat und das heute Bedarfsorientierte Mindestsicherung heißt. Die Zuwachsrate in diesem Bereich erfolgt genau dort, wo Menschen von ihrer Arbeit beziehungsweise von ihrer Pension nicht mehr leben können, während die Zahl der Dauerbezuschussten über die Zeit etwa gleich bleibt.
Das ist die Widerspiegelung dieser gesellschaftlichen und ökonomischen Situation, die es leider auch bei uns gibt. Und es ist nicht tröstlich, wenn wir sagen können, dass es bei uns besser ist als in anderen Großstädten Europas. In diesem Vergleich will ich eigentlich nicht leben. Daher haben wir, gerade was junge Leute betrifft, es schon immer für sehr wichtig gehalten, zusätzlich zum Lehrlingsangebot der Wirtschaft ein Angebot zu machen, insbesondere durch überbetriebliche Lehrwerkstätten.
Die Stadt Wien selbst bildet mehr Lehrlinge aus, als sie selbst brauchen würde, aber die überbetrieblichen Lehrwerkstätten sind natürlich von entscheidender Bedeutung, weil sie in der Tat einen Lehrabschluss ermöglichen. Das heißt, es sind nicht irgendwelche Kurse, wo man die jungen Leute versteckt, damit sie nicht in der Arbeitslosenstatistik aufscheinen, sondern sie sind dann in der Lage, tatsächlich eine abgeschlossene Berufsausbildung zu haben und so zumindest die Chance zu haben, am Arbeitsmarkt tatsächlich überleben zu können.
Die prekären Arbeitsverhältnisse sind eine Sondergeschichte. Auch in meiner Biographie gibt es Erfahrung damit. Mein Gott, wenn man 21 oder 22 Jahre alt ist, ist das nicht so ein Riesenproblem, jedenfalls fasst man es subjektiv nicht so auf. Nur wenn man dann ein abgeschlossenes Studium hat und in solchen Arbeitsverhältnissen von Projekt zu Projekt wechselt, wird das irgendwann einmal, ich sage das jetzt sehr unkonventionell, fad. Daher ist das etwas, das man in einer Gesellschaft selbstverständlich nicht dulden sollte, und zwar sowohl in diesen Bereichen als auch, ich nehme jetzt sozusagen das andere Ende der Berufsskala, bei der Regaleinschlichterin in einem Großhandelsbetrieb, die in einem prekären Arbeitsverhältnis beschäftigt ist. Das ist etwas, das man in einer Gesellschaft eigentlich nicht dulden sollte, sondern die Menschen sollten Arbeitsverhältnisse vorfinden, von denen sie in der Tat auch leben können.
Ich bin sehr dafür, dass Fragen wie etwa Mindestlohn durch einen Generalkollektivvertrag gelöst werden, denn natürlich ist die Einbindung der Partner, insbesondere auch auf der Unternehmerseite, durch eine solche Vorgangsweise wesentlich besser als eine gesetzliche Festlegung, aus der man sich dann immer wieder – jetzt hätte ich davonschleichen gesagt –, wo man jedenfalls immer Möglichkeiten findet, das doch etwas abseits davon zu machen. Bei einem selbst ausgehandelten Generalkollektivvertrag fühlen sich beide Seiten auch moralisch verpflichtet, den ausgehandelten Vertrag entsprechend einzuhalten.
Ich denke, das wird die Richtung sein, in die wir gehen. Ich werde, wie beim Mindestlohn, bei der Mindestpension und bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung durchaus darauf drängen, dass dies in Form eines Generalkollektivvertrages zwischen den Sozialpartnern entsprechend umgesetzt wird, nämlich als dritte Säule der Armutsbekämpfung in der Stadt beziehungsweise in Österreich. Das können wir auch aus Eigenem tun, dazu brauchen wir nicht die
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