Gemeinderat, 19. Sitzung vom 24.02.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 10 von 82
Kommune zwei Möglichkeiten haben.
Zum einen hat Wien einen Vorteil anderen Kommunen gegenüber: Wir sind Stadt und Land, Kommune und Land gleichzeitig, und da haben wir ein bisschen mehr Steuer- und Einflussmöglichkeit. Zum anderen – das habe ich vorher versucht zu sagen – geht es darum, dass wir unser eigenes Sparpaket möglichst gerecht gestalten. Natürlich gibt es die Spielregeln des Bundes. Wir können nicht sagen, wir sparen nicht 5,2 Milliarden EUR, sondern nur irgendeine Zahl, das geht natürlich nicht, aber wir können unseren eigenen Beitrag zu diesem Sparpaket sozial und gerecht gestalten. Das ist mein Ziel.
Das habe ich auch gemeint, als ich vorhin gesagt habe, wir sparen nicht beim Gratiskindergarten, wir sparen nicht bei der Zukunft unserer Kinder, wir sparen nicht im Forschungsbereich. Mein Herzensanliegen, Sie wissen es, die Frage der Ausbildungsgarantie, bleibt weiter, weil ich sage, jeder Cent, den wir jetzt bei den Jugendlichen sparen, kommt uns auch wirtschaftlich in ein paar Jahren negativ zurück. Es ist also nicht nur von meinem sozialendemokratischen Herzen her falsch, es ist auch wirtschafts- und finanzpolitisch völlig falsch, in diesem Bereich zu sparen. Ich zahle lieber jetzt, damit Kinder und Jugendliche eine gute Ausbildung haben, als dass ich den Rest ihres Lebens Bedarfsorientierte Mindestsicherung zahle – beziehungsweise nicht ich, sondern die Frau Kollegin Wehsely, die das länger machen wird, weil sie jünger ist.
Das heißt, da werden wir, soweit es uns irgendwie möglich ist, in unserem Sparpaket sozial gerecht agieren. Das ist die eine Ebene. Die zweite Ebene ist, dass wir alle Politiker und Politikerinnen sind, unsere Meinung haben und diese natürlich auch entsprechend äußern. Das tue ich auch bei allen Maßnahmen, die von mir hier diskutiert werden. Und jawohl, ich mache kein Hehl daraus, dass ich der Meinung bin, dass man bei einem Paket auf Bundesebene noch sehr viel mehr hätte in Richtung Vermögensbesteuerung machen können. Die OECD wurde schon zitiert. Sie ist nicht unbedingt als linksradikale Organisation bekannt. Sie hat kritisiert, dass in Österreich Vermögen viel zu wenig und Arbeit viel zu stark besteuert wird. Da hätte man aus meiner Sicht noch sehr viel mehr machen können. Warum? Es gibt im Bund eine Koalition, und warum das so ist, wissen wir alle.
Ich glaube auch, und das ist eigentlich mein Hauptkritikpunkt, dass die Europäische Union hier eine ganz falsche Linie fährt, und zwar die konservative Mehrheit in der Europäischen Union, das muss man immer dazusagen. Die EU ist ja nichts Abstraktes, Neutrales; da gibt es politische Mehrheiten, und die politischen Mehrheiten entscheiden. Leider gibt es in der EU konservative politische Mehrheiten, die einen großen Fehler machen, indem sie nämlich dieses System des wild gewordenen Finanzkapitalismus, der Privatisierung, des Rückzugs der öffentlichen Hand, das die Ursache für diese Krise ist, jetzt als Antwort auf die Krise zu verkaufen versuchen, und durch die Hintertür versuchen sie, wieder zu Privatisierungen zu kommen.
Wir kämpfen gerade gegen Privatisierungsversuche, die man auch wieder den Kommunen umzuhängen versucht. Dagegen kämpfen wir an, ich unter anderem auch in meiner Eigenschaft als Präsidentin des VÖWG. Wir haben letztes Mal auch eine Resolution hier beschlossen, in einem anderen Zusammenhang, nämlich im Zusammenhang mit den Dienstleistungsrichtlinien. Ich glaube, da müssen wir auch weiter dran bleiben und zwar wir alle, denn das ist nicht nur schlecht für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, sondern auch für die kleinen Unternehmer und Unternehmerinnen, die nämlich genau so wenig wie die Arbeiter und die Angestellten etwas für die Krise können und sie jetzt mitbezahlen müssen.
Daher versuchen wir auf unserer Ebene, das Paket möglichst sozial und gerecht zu schnüren. Andererseits denke ich, dass wir vor allem auf europäischer Ebene sehr viel Druck machen müssen, damit es hier zu einer anderen, besseren politischen Linie kommt. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die letzte Zusatzfrage zur 2. Anfrage wird von Frau GRin Mag Dr Kappel gestellt. – Bitte schön.
GRin Mag Dr Barbara Kappel (Klub der Wiener Freiheitlichen): Frau Vizebürgermeisterin, guten Morgen!
Das Sparpaket der Bundesregierung wurde von unserer Fraktion auf der Ebene des Nationalrates abgelehnt, weil wir unter anderem kritisiert haben, dass in diesem Sparpaket zu wenig nachhaltige Reformen gesetzt wurden. Ebenso haben wir die Relation von 70 Prozent Ausgabenreduktion und 30 Prozent neue Einnahmen kritisiert. Nun meine Frage an Sie:
Wir wissen - und Sie haben es uns auch gesagt -, dass es in Wien bis 2016 einen Konsolidierungsbedarf von 1 Milliarde EUR geben wird. Wie werden Sie diese 1 Milliarde EUR aufbringen? Also einnahmenseitig, ausgabenseitig, in welcher Relation? Wir kritisierten 70 zu 30 im Bund. Wie werden Sie diese 1 Milliarde EUR aufbringen?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Vizebürgermeister.
VBgmin Mag Renate Brauner: Diese Gestaltungsmöglichkeit, die der Bund hat, haben wir in diesem Ausmaß nicht. Natürlich haben wir auch Gemeindeabgaben – der Herr Kollege hat eine davon zitiert, nämlich die Grundsteuer –, aber selbst da sind wir vom Bund abhängig, weil die Bemessungsgrundlage, wie ich vorher ausführlich erläutert habe, vom Bund festgestellt wird. Da können wir nur Vorschläge einbringen. Ansonsten haben wir als Kommune, als Land nicht die Möglichkeit, bei den Bundessteuern in irgendeiner Art und Weise einzugreifen. Es sind eine Reihe von Bundesabgaben, die auch in diesem Bundeskonsolidierungspaket drinnen sind, an denen wir über den Finanzausgleich, sollten sie kommen, entsprechenden Anteil haben.
Allerdings: Sie erleben ja die Diskussion selber mit. Ich halte zum Beispiel dieses Abkommen mit der Schweiz für absolut gerecht. Ich habe heute den Medien entnommen, dass nun auch Griechenland versucht, auf
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