Gemeinderat, 18. Sitzung vom 26.01.2012, Wörtliches Protokoll - Seite 33 von 76
Beziehungen haben wir diese Möglichkeit und die Anzahl solcher Familien und solcher Kinder - Sie haben es gesagt, die Hälfte der Wiener Kinder haben einen Migrationshintergrund. Auf diesen Begriff möchte ich auch noch zurückkommen. Das zeigt ja, dass wir es mit einer veränderten Zielgruppe zu tun haben, die diese Fähigkeiten in sich haben. Und es freut mich, Herr Gudenus, dass Sie die Mehrsprachigkeit auch erkennen und auch erwähnen. Nur, ich sehe da eine unpassende Situation zwischen Ihren Positionen, denn auf der anderen Seite unterstreichen Sie ständig Deutsch, Deutsch, Deutsch und dann übersehen Sie diese Sprachfähigkeit.
Was bedeutet aber diese Familienkonstellation weiters? Es ist nicht nur die Sprache. Ich gehe von meinem Kind aus: Anatol heißt er, Anatol Ali. Er hat zwei Namen, er ist in Wien geboren, er weiß, er hat Verwandte in Großriedenthal in Niederösterreich, er weiß auch, er hat Verwandte in Istanbul und in Kurdistan. Er weiß, dass meine Großmutter Türkisch spricht, er weiß, dass mein Großvater Kurdisch spricht, er weiß aber auch, dass es in Großriedenthal auch eine andere Lebensweise beziehungsweise Lebensführung gibt. Das heißt, die Wahrnehmung dieser Person, die Wahrnehmung dieses Kindes ist nicht monokulturell bestimmt, ist nicht mononational bestimmt, sondern dieses Kind hat so eine Sichtweite, wo wir mit der nationalen Einstellung nicht damit zurechtkommen können, weil die nationale Einstellung suggeriert, dass das Kind national eindimensional aufwachsen soll. Unser Bildungssystem ist dementsprechend aufgestellt. Die Gesellschaft ist aber nicht so und Sie suggerieren der Gesellschaft, dass es diese Seite der Entwicklung in der Gesellschaft nicht gibt.
Wir sehen darin, meine Damen und Herren, eine große Chance sowohl im wirtschaftlichen Bereich als auch im kulturellen Bereich, aber auch im politischen Bereich, wo von Wien aus Impulse gesetzt werden können und internationale Verknüpfungen hergestellt werden können. Ich nenne nur ein großes Projekt, dessen Befürworter ich nicht so unbedingt bin: Das Nabucco-Projekt. Beim Nabucco-Projekt braucht die OMV vertrauenswürdige Leute, die sowohl auf die Interessen der OMV schauen können, die aber auch auf die Interessen Österreichs schauen können. Und wenn die OMV und Österreich die Möglichkeit haben, auf Personen zurückgreifen zu können, auf qualifizierte Personen, die Türkisch können, die andere Sprachen können, die von mir aus Persisch können, Aserbaidschanisch können, dann haben wir hier Rekrutierungsmöglichkeiten, wo wir sagen, bitte schön, diesen Jugendlichen und diesen Kindern geben wir eine Chance. Wenn unser Kopf so arbeitet, dann haben wir die Entwicklung der Zukunft erkannt. Von da her steht es in den Perspektiven der Integrationspolitik und das steht im rot-grünen Übereinkommen, dass die Mehrsprachigkeit ein sehr, sehr wichtiges Element der Integrationspolitik beziehungsweise der Gesellschaftspolitik generell ist.
Ich möchte noch den Arbeitsmarkt genauer analysieren. Es ist die Rede von Gegengesellschaften, Parallelgesellschaften, Unwilligkeiten. Das ist wieder die negative Seite des Geschehens, die formuliert wird. Entschuldigen Sie: Wie funktioniert das Gesundheitswesen in Wien? Wie funktioniert das Verkehrswesen in Wien? Wie funktioniert das Bildungssystem in Wien? Wie funktionieren die Märkte, die Einkaufsstraßen? Das funktioniert deshalb, weil die gesamte Bevölkerung daran arbeitet, damit unser Lebensstandard gut erhalten bleiben kann. Darunter sind 44 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund. Wenn wir diese positiven Seiten nicht sehen und immer wieder die negativen Seiten in den Vordergrund stellen, schaffen wir feindselige Gefühle innerhalb der Gesellschaft, wo die einen auf die anderen neidisch sind und wo die Ursachen der Probleme dadurch erklärt werden, dass die Menschen andere Hintergründe, Herkunftsgründe haben. Das kann es nicht sein, das ist es auch nicht. Wir haben, wenn auch wenig, Manager mit Migrationshintergrund. Wir haben sehr viele Arbeiter und Arbeiterinnen mit Migrationshintergrund. Wir haben Politiker und Politikerinnen, so wie wir hier zusammengesetzt sind, mit Migrationshintergrund, also stellen wir das Gesamte in der Stadt dar. Hören wir doch immer wieder auf, auf die Herkunft der Menschen zu schielen und zu sagen, die machen uns die Probleme. Und jede Investition im Subventionswesen, jede Investition, die wir in die Vereine tätigen, die wir in Zusammenarbeit mit sämtlichen Vereinen entwickeln beziehungsweise neuere Zielgruppen erreichen, ist nicht eine Investition in die MigrantInnen! Das ist eine Investition in die Stadt, meine Damen und Herren, in die Zukunft dieser Stadt, damit die Stadt einen höheren Lebensstandard erreichen kann. Und das ist ja auch in monokulturellen Staaten so, sofern es welche auf der Welt gibt, mir sind keine bekannt, da setzen Staaten auch Investitionen in die Bildung ihrer Bevölkerung, in die Bildung ihrer Kinder. Also wieso müssen wir das explizit erwähnen und sagen, wir investieren jetzt in die MigrantInnen? Wir investieren in die Zukunft des Landes, wir investieren in die Zukunft der Wirtschaft des Landes und wir investieren in das Bildungssystem des Landes.
Wie soll man das sonst erklären? Kinder kommen hier auf die Welt. Es gibt Kinder, die Schwächen haben. Es gibt Kinder, die begabt sind und Kinder, die Schwächen haben. Da muss man auch genau hinschauen, warum haben die Schwächen? Sind die Eltern Schichtarbeiter? Haben sie wenig Zeit für ihre Kinder? Kommen sie überhaupt mit dem Schulstoff mit oder nicht? Und wenn wir da Defizite orten, schauen wir, dass diesen Kindern geholfen wird.
Und diese Kinder in Inländer, Ausländer, in Fremde und Nichtfremde zu spalten, führt nicht zu einem guten Zusammenleben in Wien. Und ich appelliere hier bitte nochmals an alle und sage, wir müssen uns von dieser spalterischen Gesinnung wegbewegen und müssen auf Elemente setzen, die das Zusammenleben in der Stadt stärken.
Ich möchte ein paar Irrtümer, die heute hier getätigt worden sind, aufgreifen: Es hat geheißen, es kommen
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