Gemeinderat, 10. Sitzung vom 27.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 58 von 164
wann auch die Wienerinnen und Wiener bezahlen müssen und die bei den Darstellungen der Frau Finanzstadträtin und des Herrn Bürgermeisters geflissentlich außer Acht gelassen werden.
Der Rechnungshof bedient sich einer betont höflichen Formulierung. Wenn man Rechnungshofberichte kennt, weiß man, dass der Rechnungshof in seiner Ausdrucksweise sehr vornehm ist. Man erkennt aber auch, wann der Rechnungshof gravierende Mängel sieht und an die geprüften Einheiten dringend appelliert, die Dinge wieder ins Lot zu bringen.
So hat der Rechnungshof klar und eindeutig auch Folgendes empfohlen: „Eine Konsolidierung ausgegliederter Einheiten mit dem Haushalt in einer umfassenden Übersicht sollte erstellt werden, um einen Gesamtüberblick über die Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage der Stadt inklusive den ausgegliederten Einheiten zu erhalten." Das ist klar, das ist einfach! Das war in Wirklichkeit schon vorher logisch, und ich frage: Warum gibt es das in der Stadt Wien bis heute nicht? (Ruf bei der SPÖ: Unterstellung!) Das ist keine Unterstellung, weil es belegt ist und auch aus Berichten des Rechnungshofes und des Kontrollamtes hervorgeht.
Man hat ein einfaches Leben, weil man bei dem Ganzen in Fremdwährungen spekuliert, mit vermeintlich geringen Zinsen, und man geht ganz einfach blind in dieses Risiko hinein. Das ist vor Jahren begonnen und in der Ära von Frau Finanzstadträtin Brauner fortgesetzt worden. Das Verwerfliche an dieser Vorgangsweise ist, dass am Ende immer die anderen bezahlen. Es bezahlt niemals die SPÖ, es bezahlen niemals die GRÜNEN - es bezahlen am Ende immer die Wienerinnen und Wiener! Und deshalb fällt es auch so leicht, einfach zu spekulieren.
Dann sagt man: Okay, jetzt hat man zur Kenntnis nehmen müssen, dass es zuerst geleugnet, dann zugegeben wurde, dass es Fremdwährungskredite gibt, dass es Cross Border Leasing gibt. Das liegt jetzt alles auf dem Tisch und ist nicht mehr zu leugnen, weil, wie gesagt, die Fremdwährungsverluste auch in den Papieren nachzulesen sind.
Dann sagt man: Okay, wenn ich das aber schon einmal mache, gehe ich diesen Weg, der eigentlich viel Know-how erfordern müsste, der, wenn es eigenes Geld wäre, auch Mut erfordern würde. Aber wenn man fremdes Geld verspekuliert, ist man nicht mutig. Das ist eine andere Dimension, wie das zu würdigen ist.
Dann sagt dazu der Rechnungshof in dieser Situation, ebenfalls im Jahr 2010: Der Rechnungshof kritisierte, dass die Stadt Wien durch das fehlende Risikomanagement über die bestehenden Risken ihrer Finanzierungen in Form aussagekräftiger Risikokennzahlen nicht informiert war. Er empfahl daher, eine schriftliche Finanzierungsstrategie festzulegen und formalisierte Finanzmanagementsitzungen abzuhalten. - Man erfährt durch die Empfehlung die unglaubliche Tatsache, dass es das Ganze vorher nicht gegeben hat!
Weiters sollten Grenzen hinsichtlich des Verhältnisses von fixer und variabler Verzinsung, von heimischer Währung und Fremdwährung und so weiter festgelegt und die Nachvollziehbarkeit von Finanzierungsentscheidungen verbessert werden.
Abschließend empfiehlt der Rechnungshof auch, Szenariorechnungen durchzuführen, um bei sich ändernden Marktgegebenheiten, wie zum Beispiel beim starken Anstieg des Schweizer Franken gegenüber dem Euro im Jahr 2008, zeitgerecht entsprechende Maßnahmen setzen zu können.
Meine Damen und Herren! Da sind wir wieder genau am Punkt: Im Jahr 2008 hat man erlebt, was der Schweizer Franken machen kann, hat man erlebt, was Währungsspekulation ganz einfach bedeutet, hat man erlebt, dass es Entwicklungen auf Weltmärkten, auf Finanzmärkten gibt, die keiner von uns vorhersehen kann. Der Vorwurf ist niemals der, dass man nicht vorhersehen kann und dann tatsächlich irgendetwas falsch entschieden hat, sondern der Vorwurf ist, dass man das mit fremdem Geld, nämlich mit dem Geld der Wienerinnen und Wiener, ganz einfach macht! (Beifall bei der FPÖ.)
Das ist eine weitere Facette des Finanzskandals, von dem ich gesprochen habe: Trotz der Situation, die man 2008 erleiden musste, und trotz der entsprechenden Hinweise und Erfahrungen, die man gemacht hat, ist ganz einfach nichts passiert. Man hat die Augen zu, man marschiert einfach weiter, und im Ergebnis ist es - das sei mir jetzt verziehen - ein sehr laienhaftes Spekulieren; bei Laienspekulant drücke ich mich noch sehr vorsichtig aus. Ich habe heute gehört, dass das auch von den GRÜNEN so gesehen wird und die GRÜNEN diese Laienspekulation mittragen und fortsetzen wollen. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Nicht zugehört?)
Ich habe ja die Antwort schon gegeben: Wenn ich jetzt einen Spekulationsverlust eingefahren habe und ihn von mir aus noch nicht habe bezahlen müssen, dann mache ich eine neue Spekulation, stelle mich hierher und sage, es sind zwar nicht 233 Millionen, die ich zahlen muss, und ich bin so ein Fachmann, dass ich sage, nein, keiner wird jetzt die Verluste realisieren, ich weiß aber nicht, ob es nicht morgen doppelt so hohe Verluste sind. Keiner hier im Saal weiß, ob nicht aus den 233 Millionen, wenn man jetzt nicht in irgendeiner Form reagiert und absichert, morgen 500 Millionen geworden sind, übermorgen 1 Milliarde. Das ist die Verantwortungslosigkeit! (Beifall bei der FPÖ. - GR Dipl-Ing Martin Margulies: Was würden Sie jetzt machen?)
Ich würde zunächst einmal dem Misstrauensantrag der FPÖ zustimmen, weil das Vertrauen weg ist! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. - Zwischenrufe bei SPÖ und GRÜNEN.) Dann ist es die Aufforderung, die Bitte - wir können es ja als Oppositionspartei nicht aus Eigenem machen, wir können nur darauf hoffen, dass der SPÖ und Ihnen, den GRÜNEN, die Augen aufgehen. (GR Dipl-Ing Martin Margulies: Schwurbel, schwurbel, nur keine Antwort!) Das können wir hoffen, weil wir in der problematischen Situation sind - und so habe ich ja meine Rede eingeleitet -: Was tut man, wenn man Probleme sieht, ein Chaos sieht? Man macht den Kassensturz, man schafft Ordnung.
Der Rechnungshof hat festgestellt, dass in keinem der Bereiche, in denen er geprüft hat, Ordnung herrscht.
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