Gemeinderat, 9. Sitzung vom 01.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 35
Eurorettungsschirm zur Kasse gebeten, sondern die breite Masse der Bevölkerung wird die Kosten dieses Rettungsschirms tragen. Ökonomen warnen bereits vor einem immensen Konjunkturrückschlag durch die verschärften Sparpakete, die durch die Verschärfung des Stabilitätspaktes drohen, der ausschließlich derzeit auf soziale Kürzungen ausgerichtet ist. Kürzung der Löhne, Streichung von Arbeitsplätzen, Rückbau des öffentlichen Dienstes, Kürzung von Sozialleistungen, es wird ausschließlich ausgabenseitig konsolidiert, wobei das eigentlich weniger mit Konsolidierung, aber mehr mit Kaputtsparen zu tun hat. Ja, wir wollen, ja, wir müssen konsolidieren, selbstverständlich, aber die Frage ist, wie, wann, wer es trägt und was die wirtschaftlichen und sozialen Folgen sind. Und das, was hier jetzt beschlossen wurde, wird eindeutig eine Verschärfung der wirtschaftlichen und sozialen Stabilität in den Euroländern zur Folge haben.
Klar ist, das möchte ich auch noch einmal betonen: Nur weil wir die Ausgestaltung oder die Auflagen des Eurorettungsschirms kritisieren, wie sie derzeit sind, heißt das noch lange nicht, dass wir prinzipiell gegen einen Eurorettungsschirm sind, im Gegenteil. Klar ist, Griechenland muss geholfen werden, der Euroaustritt Griechenlands wäre überhaupt keine Lösung und würde sowohl politisch, das wissen Sie alle, als auch wirtschaftlich einen Flächenbrand auslösen, das Land ginge unkontrolliert bankrott, massive Abwertung wäre die Folge, dadurch erst recht keine Tilgung der Euroauslandsschulden möglich und erst recht wieder neue Bankenrettungspakete nötig.
Also, der Zerfall des Euros, wie Sie ihn da propagieren, ist sicher keine realistische Option. Aber, und das muss man deutlich sagen, die Art der Hilfen muss in Hinkunft anders ausgestaltet werden, es darf keine undifferenzierten Kürzungsprogramme wie bisher geben. Ich habe es schon angesprochen, Griechenland musste ein Sparpaket von 5 Prozent des Defizits innerhalb eines Jahres hinnehmen, 40 Prozent Jugendarbeitslosigkeit sind die Folge. Wenn sich das nicht ändert, werden die Massendemos auf den Straßen sicher nicht aufhören, kein weiterer Druck auf Privatisierungen, der Ausverkauf von Staatsbetrieben weit unter ihrem Wert an Private kann sicher nicht im Sinne eines nachhaltigen Wirtschafts- und Industrieaufbaues sein und, was ganz wichtig ist, die Strukturprobleme Griechenlands, das stimmt, müssen angegangen werden.
Aber was sind auch unter anderem die Strukturprobleme Griechenlands? Die Steuern müssen endlich konsequent eingehoben werden, die Rüstungsausgaben müssen endlich massiv gesenkt werden, die Korruption muss endlich massiv bekämpft werden. Das wären sinnvolle Auflagen für die Griechenlandhilfe, und es braucht einen modernen Marshall-Plan, es braucht ein massives Investitionsprogramm für Griechenland zum Aufbau der Zahlungsfähigkeit, zum Aufbau einer nachhaltigen Wirtschafts- und Industriestruktur, für Investitionen in Gesundheit und Bildung, es braucht dazu ein koordiniertes Vorgehen der Europäischen Investitionsbank und auch einen Einsatz der Europäischen Strukturfonds. Bis 2013 wären im Rahmen des Europäischen Sozialfonds und des Europäischen Koalitionsfonds noch 25 Milliarden EUR frei, die sollten für den Einsatz des Aufbaues der griechischen Wirtschaft veranschlagt werden und Griechenland, ja, das sagen wir Grünen ganz klar, braucht eine Umschuldung inklusive einem Schuldenerlass - das bisschen Erstrecken von Fristen wird sicher nicht reichen - und was es vor allem braucht, ist, dass die Kreditgeber, die an Griechenland in den letzten Jahren wunderbar verdient haben, auch zur Kasse und zur Schuldensanierung einbezogen werden. Das sagen nicht nur die Grünen, das sagt auch zum Beispiel das Wirtschaftsforschungsinstitut. (Beifall bei den Grünen.)
Wir GrüneN tragen diese Ausgestaltung der Economic Government, wie es heißt, also der Europäischen Wirtschaftsregierung, wie sie derzeit geplant ist, nicht mit. Wir sagen Ja zum makroökonomischen Dialog auf EU-Ebene, wir sagen Ja zu einer verstärkten Koordinierung und Steuerung der europäischen Wirtschaftspolitik, aber einer positiven Koordinierung mit den Zielen nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung und nicht so wie es derzeit ist, einem reinen Aufbau von weiteren Sanktionen, die wirtschaftspolitisch nichts bringen und sogar in die falsche Richtung gehen, wir wollen einen wirtschaftspolitischen Konvent, ähnlich dem Europakonvent, den es damals zur Frage einer sogenannten Europäischen Verfassung gegeben hat unter Einbeziehung des Europaparlaments, von Nichtregierungsorganisationen, Experten, Expertinnen, Jugendvertretungen, Frauen, und so weiter.
Wir haben uns, im Gegensatz zu Ihnen, im Europaparlament in unzähligen Anträgen auch für eine Reform des Stabilitätspakts, für die Verbindlichkeit der Ziele Armutsbekämpfung und Klimaschutz, für die Einbeziehung gesamtwirtschaftlicher Faktoren wie Einkommensgleichheit und Beschäftigung und für die volle demokratische Ausgestaltung eingesetzt. (GR Johann Herzog: Die Einkommensgleichheit wird kommen!) Da haben Sie leider gefehlt, wir haben dafür im Europaparlament leider keine Mehrheit bekommen, wir hatten hier auch die Sozialdemokratie bei den meisten Anträgen als Verbündete, wir haben uns aber gegen die konservativ-liberale Mehrheit nicht durchgesetzt. Und wirklich sich da jetzt herauszustellen und Anträge zu stellen für irgendwelche Gebührenstopps und gleichzeitig verantwortlich zu sein für das, was Sie da an Europa beklagen wie Anstieg der Arbeitslosigkeit, Anstieg der Armut, keine Lösung der Krise, ist ja nicht nur populistisch, sondern ehrlich gesagt, das ist unlauter und das nimmt Ihnen ja keiner ab, das ist ja vollkommen unernst.
Wir wollen, dass die konstruktiven Kräfte in diesem Haus und in Europa diesen Weg mit uns gehen, wir wollen einen radikalen Kurswechsel der Wirtschaftspolitik der EU, wir brauchen eine neue Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, wir müssen die Brandursachen bekämpfen und nicht nur den Brand löschen. (GR Mag Wolfgang Jung: Sie müssen die SPÖ verteidigen!) Regen Sie sich nicht so auf, das ist ja ein Wahnsinn, das ist ja unfassbar.
Sie gefährden den wirtschaftlichen und sozialen Zu
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