Gemeinderat, 9. Sitzung vom 01.06.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 35
Das ist also in etwa der Stand der Dinge, wie er sich jetzt ergeben hat und was in den Zeitungen Österreichs hier diskutiert wurde. Ich glaube eben, man wird feststellen müssen, der Rettungsschirm ist ein Fass ohne Boden. Griechenland hat, wie gesagt, 110 Milliarden bekommen, 65 sind offen, Irland 85, Portugal 90. Irland will bereits eine weitere Zahlung haben. Das Hauptproblem, und das ist das Erschütternde an der ganzen Sache, ist der Eindruck, dass sämtliche europäische Regierungen, besonders die österreichische, von ausgeprägter Hilflosigkeit geprägt sind, das heißt, es besteht nicht geringste Übereinstimmung und auch nicht die geringste Bereitschaft, Maßnahmen zu setzen, dem Punkt ein Ende zu setzen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus hängt in der Luft, er ist verfassungsmäßig nicht abgesichert. Es wird europäisches Primärrecht geschaffen, allerdings muss man dazu sagen, unter Bruch der Europäischen Verfassung, denn der Maastrichter Vertrag hat festgelegt, dass eine Schuldenübernahme, eine Haftungsgemeinschaft, eine Transferunion ausgeschlossen ist und das genau ist jetzt erfolgt. Das hat zur Folge, dass, wenn das passiert, auch künftig weiterhin Beschlüsse gefasst werden können, die für den Steuerzahler unübersehbare Ausmaße annehmen können. Es genügen Beschlüsse in Brüssel und Österreich zahlt mit.
Auch in Österreich, muss man feststellen, ist bedauerlicherweise das Parlament von der Mitwirkung ausgeschlossen worden. Still und heimlich hat die österreichische Regierung hier zugestimmt. Und was meiner Meinung nach ganz besonders schlimm ist, sie hat auch die österreichische Bevölkerung im Unklaren gelassen, welche Folgen für uns entstehen.
Irland, Portugal und Griechenland können sich an und für sich nicht gerade zurücklehnen, aber ganz so schlimm, wie das von den Geberländern verlangt wird, laufen die Dinge nicht. Es wird auf weiten Strecken nichts durchgeführt. Die Iren wollen ja auch bereits eine Herabsetzung der Zinsen und die Steuerquote in Griechenland ist 36 Prozent im Gegensatz zu 47 hier in unserem Land. Das heißt also, im Grund genommen ist zu befürchten, dass der Wohlstandsunterschied zwischen Österreich, Deutschland, Holland und den wohlhabenden Staaten auf der einen Seite und den Pleitestaaten, aber auch den anderen, eingeebnet wird und wir irgendwo, und das ist vielleicht sogar ein Regierungsziel der Europäischen Union, in der Mitte zusammenkommen. Wir geben her und die anderen bekommen. Die österreichische Regierung, wie gesagt, verteidigt einen Status quo, der keiner ist. Es wird einfach aus Hilflosigkeit, aus reiner Verwirrung und aus Nichtwissen, wie es weitergehen soll, ein Status quo fortgeschrieben.
Es wird gutes Geld weiter in dieses Fass ohne Boden hineingeworfen, wie gesagt entgegen dem Vertrag von Maastricht. Das ist nun, wenn man das genau betrachtet, die erste große Krise des Euro, die passiert. Man muss leider daher die Schlussfolgerung daraus ziehen, dass der Euro offensichtlich eine Schönwetterwährung ist. Er hatte ja schon von der Gründung her einen Geburtsfehler, der darin besteht, dass man versucht hat. eine Währung über verschiedene Wirtschaftsräume, die nicht kompatibel sind, zu stülpen und das ist, wie man sieht, misslungen.
Die Bundesregierung und die Stadt Wien werden das Geld, das an die Pleitestaaten geht, selbstverständlich mit Sparpaketen und mit Steuererhöhungen vom Bürger in Österreich und in Wien wieder einfordern. Das ist wohl keine Frage. Wie gesagt, das ist eine unglaubliche Vorgangsweise, dass man einerseits Beschlüsse ohne Parlament auf Regierungsebene fasst und dass man die österreichische Bevölkerung im Unklaren lässt und eigentlich dumm sterben lässt.
Die Situation als solche ist eine mehrfache, was die Verschuldung betrifft. Es hat einmal das Griechenlandpaket gegeben, dann den ersten Rettungsschirm, der bis 2012 befristet ist. Mit 2013 kommt der dauerhafte Eurorettungsschirm, dieser Europäische Stabilitätsmechanismus ESM mit 700 Milliarden Gesamtkapital, 80 Milliarden Grundkapital, der Rest sind Garantien. Wir können davon ausgehen, dass in diesen Garantien selbstverständlich Summen stecken, die auch schlagend werden, das heißt, Österreich wird das sehr wohl bezahlen müssen. Es ist interessant, dass die Gesamtsummen, die hier genannt werden, der Schuldenberg Europas und die Zahlungen der reichen an die weniger reichen Staaten etwas ist, was also offensichtlich nach oben offen ist.
Hans Werner Sinn, der bekannte Ökonom aus München, hat festgestellt, dass auf Grund der Tageskredite, die schon die längste Zeit an notleidende Staaten vergeben werden, Haftungskredite für die Eurorettung in der Zwischenzeit auf einen Betrag von ungefähr 1 500 Milliarden EUR angewachsen sind. Also die 700 sind bestenfalls die Hälfte von dem, was wirklich diskutiert wird und im Gespräch ist. Das muss man auch mal wissen.
Weiters, welche Möglichkeiten gibt es überhaupt, um hier Veränderungen herbeizuführen? Da gibt’s einmal die Laufzeitverlängerung. Das „Handelsblatt“ hat das als sehr wahrscheinlich bezeichnet. Griechenland hat ja bereits im März bei den EU-Staaten und beim IWF längere Laufzeiten beantragt und ausgehandelt. Nun wünscht sich das Land für den gesamten Schuldenberg von 330 oder 340 Milliarden eine ähnliche Regelung. Und diese Laufzeitverlängerung ist natürlich, muss man dazusagen, die einfachste, nicht die billigste, aber die einfachste Methode, die den Politikern, die das zu handeln haben, am wenigsten weh tut, denn es ist eine Scheinlösung. Die Probleme werden nur hinausgeschoben. Die Verschuldung der Pleitestaaten wird weiter steigen. Der Markt wird Griechenland, aber auch die anderen Staaten auch weiterhin nicht in irgendeiner Form mit Investitionen einbeziehen. Und außerdem werden, wie gesagt, 65 Milliarden zusätzlich folgen und weitere Milliarden werden sicherlich noch durchgepeitscht werden. Das heißt mit anderen Worten, es gibt also nunmehr einen Weg des geringsten Widerstandes und ich fürchte, dass dieser von der österreichischen Bundesregierung beschritten wird. Das ist eine bedauerliche Sache, weil das aufs Geld der Steuerzahler geht.
Das andere wäre, wie gesagt, dieser sogenannte Haircut, Streichung von 50 Prozent der Schulden. Aber das ist etwas, was die europäischen Banken treffen
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