Gemeinderat, 6. Sitzung vom 31.03.2011, Wörtliches Protokoll - Seite 25 von 100
Der Herr Bürgermeister hat sich gemäß § 16 der Geschäftsordnung zu einer Mitteilung betreffend „Konsequenzen aus der aktuellen Atomenergiedebatte - Neue Wege für die Energiepolitik in Wien" zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm, wobei ich bemerke, dass seine Redezeit mit 40 Minuten begrenzt ist. - Bitte schön.
Bgm Dr Michael Häupl: Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Nein, die neuerliche Atomdebatte, die wir in Europa, auch weltweit heute haben, hat sich nicht als Konsequenz aus dieser durch eine Naturkatastrophe ausgelösten Nuklearkatastrophe in Japan ergeben, sondern sie hat schon früher stattgefunden, allerdings in eine ganz andere Richtung. Die Vereinigten Staaten haben ihr ursprüngliches Moratorium, keine Atomkraftwerke zu errichten, aufgehoben. In China sind für die nächsten 10 Jahre 60 neue Atomkraftwerke vor dieser Katastrophe geplant gewesen. Italien hat sein Moratorium aufgehoben. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschluss der rot-grünen Regierung, den Ausstieg aus der Atomenergie zu vollziehen, wieder aufgehoben. All dies waren Fakten, die vor dieser Katastrophe in Japan gesetzt wurden. Ein Weg Richtung Kernenergie. Man ist sogar so verwegen gewesen, zu sagen, dass die Kernenergie eigentlich zu den alternativen Energien und zur nachhaltigen Energieform angerechnet gehört.
Diese Diskussion ist aus meiner Sicht unterbrochen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass, nach einem medialen Abebben der Diskussion über die Folgeschäden in Japan in einigen Monaten, selbstverständlich diese Diskussion der letzten Jahre, der letzten zwei Jahre, der letzten drei Jahre, in Richtung einer Ausweitung der Nutzung der Kernenergie wieder in dieselbe Richtung fortgesetzt wird.
Ich halte es daher für absolut notwendig und keineswegs als irgendeine Form der Polemik, dass man diesen Positionen die Position des europäischen Volkes entgegensetzt. Ich bin daher absolut dafür und werde all das Meine dazu beitragen, dass wir jene Möglichkeit, die uns der Lissabon-Vertrag bietet, in Form eines Volksplebiszites, ausnutzen, um den Konzernen zu zeigen, das europäische Volk will anderes als sie! (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Selbstverständlich, und ich sage es gleich am Anfang, werden wir den Betroffenen in Japan helfen, wo wir dies sinnvoll tun können. Ich halte Gschaftlhuaberei, um das wienerisch zu sagen, in diesem Zusammenhang für vollkommen verfehlt, sondern selbstverständlich wird sich das Land Wien, wie alle anderen Bundesländer auch, in einer österreichweit akkordierten Form Hilfe anbieten.
Ich darf allerdings nur auch auf den Unterschied zwischen den Ereignissen von Tschernobyl und den nunmehrigen in Japan verweisen. Japan ist die drittreichste Volkswirtschaft der Welt, ein Hochtechnologieland. Rund um Tschernobyl war eines der ärmsten Gebiete, das man in Europa bezeichnen kann, mit einem keineswegs hohen technologischen Niveau. Es wird daher zweifelsohne auch eine auf die jeweiligen Umstände angepasste Hilfe zu leisten sein.
Daher noch einmal: Aktionismus kann hier nicht gefragt sein, sondern Einordnen in eine Gesamtstrategie, die Hilfe zu geben, die man von uns auch tatsächlich abfragt und braucht.
Zum Dritten, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir uns natürlich auch zu überlegen, was wir selbst tun können. Vieles wurde heute schon zu Fragen einer nachhaltigen Politik gesagt, vieles zu Polemiken genützt, was in der politischen Debatte nicht illegitim ist, soll halt sein, aber es wurde auch viel absolut Richtiges gesagt. Wenn hier gegenüber der Sozialdemokratie der Vorwurf erhoben wurde, dass sie früher ganz anders gedacht hat, so sehe ich einmal von meiner Person und meiner persönlichen Biographie, was die Haltung zur Kernenergie betrifft, ab, aber es ist richtig, es hat in der Sozialdemokratie, ebenso wie in der Österreichischen Volkspartei, ebenso wie bei der Freiheitlichen Partei einen Diskussionsprozess innerhalb der Partei gegeben, weil es unterschiedliche Meinungen innerhalb einer Partei gegeben hat, und das halte ich ja nicht für übel. Ich bin nicht zynisch genug, zu sagen, oder Adenauer zu zitieren, der einmal sagte, als er angesprochen wurde, dass er vergangene Woche etwas anderes gesagt hat: „Was interessiert mich der Unsinn, den ich gestern gesagt habe!" Aber es ändert nichts an der Tatsache, auch eine Partei kann kollektiv gescheiter werden. Das ist nicht ausgeschlossen, jedenfalls a priori.
Ich nehme hier in Anspruch, dass sich die Sozialdemokratie jenen Positionen zugewandt hat, die damals die Jüngeren, zu denen ich mich vor 35 Jahren in aller Bescheidenheit noch ein bisschen zählen durfte, vertreten haben, wozu sicher das Plebiszit des österreichischen Volkes zu Zwentendorf einen wesentlichen Beitrag geliefert hat.
Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, will ich mich in den nächsten Minuten den Fragen dessen zuwenden, was wir in Wien selbst in Form einer zielgerichteten Energiepolitik beziehungsweise von Alternativenergiesystemen zu sorgen haben und gesorgt haben.
Dass Wien, wie bekannt, den Spitzenplatz unter den lebenswerten Städten einnehmen kann, hat viele Hintergründe. Einer davon ist eine durchaus auch bisher entwickelte nachhaltige Energiepolitik. Sie orientiert sich sehr stark an den Zielen der Union und ist auf die speziellen Anforderungen natürlich auch eines Ballungsraumes gerichtet. Wesentlicher Schwerpunkt der gemeinsamen europäischen Energiepolitik ist der effiziente Umgang mit Energie, der Ausbau der erneuerbaren Energie, zu meinem Bedauern in der Union auch der Ausbau der Kernenergie. Die Energiepolitik der Stadt Wien fußt hingegen auf einem Gleichgewicht, das den Erfordernissen des Umwelt- und Klimaschutzes, der Versorgungssicherheit, der Wirtschaftlichkeit und der Energieeffizienz, aber auch der sozialen Gerechtigkeit Rechnung trägt.
Bei der Energieaufbringung ist Wien mit modernsten Innovationen, etwa dem konsequenten Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplungen und dem Ausbau des Fernwärme- und Fernkältenetzes richtungweisend. In einem städtischen Energiesystem sollten keine dezentralen Verbren
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