Gemeinderat, 61. Sitzung vom 29.06.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 72 von 110
Ihre Studien, das wissen wir ja. Wir sind uns auch einig, dass fünfjährige Buben und siebenjährige Mädchen nicht an ihrem eigenen Unglück diesbezüglich selber schuld sind - das ist auch eine „No-na-Frage“.
Und der Antrag ist jetzt genauso einfach, er lautet nämlich: Es gibt Kinderarmut in Wien. - Nun, das kann niemand bestreiten. - Sonst steht nicht viel in der Begründung. Und der Antrag selbst lautet: Vorschläge einzubringen zur Halbierung der Kinderarmut in Wien bis 2015. - Sonst nichts.
Wenn man gegen diesen Antrag stimmt, muss man eigentlich sagen: Das will ich nicht. Ich will nicht, dass man Kinderarmut halbiert. Ich will auch nicht, dass man darüber nachdenkt. Ich will auch nicht, dass man Vorschläge dazu einbringt. - Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Der Antrag ist absichtlich so abgefasst, dass er komplett polemikfrei ist - ohne lange Streiterei, ob es jetzt 80 000 oder 90 000 oder 100 000 sind und ob sie ganz arm sind oder nur fast ganz arm oder ein bisschen darüber -: Kinderarmut, so hoch sie auch ist, innerhalb von fünf Jahren zu halbieren, Vorschläge dazu zu erarbeiten. - Das ist der Antrag. Ein harmloser Antrag, der eigentlich in diesem Haus leicht eine breite Mehrheit finden müsste. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Wer soll das alles bezahlen? Wenn man auf die österreichische Ebene kommt, kommt man dann schnell zu dieser Frage. Aber bei 80 000 Millionären! Ich glaube, dass man, wenn man sich in der Bundesregierung dafür einsetzen würde, nicht leicht eine Mehrheit finden würde, aber wenn jeder der Millionäre einen Tausender im Monat abdrücken würde, wäre das eine ganze Milliarde in einem Jahr. Damit würden wir schon ziemlich weit kommen in der Armutsbekämpfung in diesem Land. Und jetzt haben wir nicht vom Mittelstand geredet, denn jetzt haben wir von denen geredet, die 1 Million in Form von Finanzvermögen auf der Bank haben. Und das sind 80 000 Personen. Das sind viele! Das sind viele Leute, und die sollen endlich ihren Beitrag dazu leisten, dass wir aus der Krise hinauskommen - und nicht überlegen, wie man die Mitte und „die unten" einzeln ausnehmen muss.
In Wien müsste man wahrscheinlich überlegen, ob man so etwas Ähnliches wie eine Flächenwidmungsgewinnsteuer einheben kann, oder ob man durch Luxussteuern auf einzelne Produkte - meinetwegen auf die Logen in der Oper oder von mir aus auch auf die VIP-Bühnen bei den Fußballplätzen - nicht irgendwie das Geld einsammeln geht; und weil sie es nicht freiwillig hergeben, eben mit entsprechenden Gesetzen und Steuern. Irgendjemand wird die Krise bezahlen müssen. Momentan schaut es so aus, als ob es die Leute wären, die nicht zu den 80 000 Millionären gehören. Das wäre sehr schade. Es gibt Leute, die haben zu viel. Die sollen ihren Beitrag leisten. Darum sollten wir uns kümmern. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Herr StR Ellensohn, haben Sie nicht von einem Antrag gesprochen? (StR David Ellensohn: Ich darf keinen einbringen!) Gut. Danke.
Als Nächste gelangt Frau GRin Praniess-Kastner zu Wort. – Bitte.
GRin Karin Praniess-Kastner (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Meine Damen und Herren!
In der gestrigen Generaldebatte hat uns ja Frau StRin Brauner in den schönsten Farben geschildert, welche gewaltigen Summen die Stadt Wien Jahr für Jahr im Bereich Soziales ausgibt. - Ein Blick in das Zahlenwerk sagt: Ausgaben ja, aber leider - und das ist das große Aber - ohne Plan und ohne Nachhaltigkeit. Meine Damen und Herren, der PR-Effekt steht für Wiens rote Stadtregierung im Mittelpunkt. Und in der Sozialpolitik, und gerade hier, ist dieses Verhalten unseriös, um nicht zu sagen, skandalös. Ich werde Ihnen dafür ein paar Beispiele bringen.
Frau StRin Brauner hat ja bei den Ausgaben für die Sozialhilfe - es waren im Jahr 2009 insgesamt 365 Millionen EUR - von einem fast Nebeneffekt der weltweiten Finanzkrise gesprochen. Über 100 000 Wienerinnen und Wiener beziehen hier Sozialhilfe! Und das ist kein Erfolg, den Sie für sich verbuchen können, meine Damen und Herren, sondern das ist sehr traurig.
Mein Vorredner, StR Ellensohn, hat von der Kinderarmut gesprochen. Wir finden zwar keine Zahlen, aber wir konnten ja auch in der letzten Landtagssitzung ausführlich darüber hören und besprechen, wie viele Kinder das betrifft. Es leben mittlerweile in Wien 40 Prozent aller SozialhilfebezieherInnen Österreichs – und, meine Damen und Herren, das ist eine Schande für eine Weltstadt wie Wien. Und da hilft auch der hundertste Verweis auf die Mercer-Studie nichts - das haben wir ja auch schon hier diskutiert -, wo nicht sozial schwache Wienerinnen und Wiener befragt wurden, sondern ManagerInnen.
Meine Damen und Herren! Wir können diese Gesamtausgaben für Sozialhilfe auch im Detail betrachten: Die Ausgaben zur ärztlichen Betreuung betragen 12,7 Millionen EUR. Und bei den Kosten für die Refundierungen an die Wiener Linien für den Mobilpass hat man sich um 2,2 Millionen EUR verschätzt.
Aber die medial mehrfach angepriesenen Aktionen für die SozialhilfebezieherInnen, Gratisfernwärme, Kühlschranktauschaktion, Steckdosenleisten und so weiter, haben Mehrausgaben von 5,7 Millionen EUR verursacht.
Frau Stadträtin, hören Sie bitte auf, SozialhilfebezieherInnen für Ihre PR-Kampagnen vor die Kameras zu zerren! Es ist einfach unerträglich, sich für jahrelange Untätigkeit auch noch auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler feiern zu lassen.
Zum jährlichen Ritual, könnte man fast schon sagen, das die Wiener SPÖ im Sozialbereich vollzieht, gehört auch das Verschweigen von unangenehmen Wahrheiten der Sozialhilfe. Denn für die ernorme Steigerung der Ausgaben bei der Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhaltes und bei den Hilfen in besonderen Lebenslagen liefert die Stadtregierung in den Unterlagen zum Rechnungsabschluss keine Erklärung. Scheinbar agiert die Stadtregierung unter dem Motto „Besser nichts sagen, vielleicht vergisst dann die Opposition auf die Kritik in diesem Bereich." – Nein, meine Damen und Herren, und nein, Frau Stadträtin, wir vergessen nicht darauf, auch in
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