Gemeinderat, 61. Sitzung vom 29.06.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 110
siert - und das ist ja auch vieles -, und die Opposition zwangsläufig sagen muss, wo sie glaubt, dass es besser geschehen kann.
Und dann sind wir uns in manchen Sachen auch einig. StRin Sonja Wehsely hat letztes Jahr ihre an mich gerichteten Ausführungen begonnen mit der Aussage: Bei Ihnen bin ich überhaupt der Meinung, dass wir in Sozialfragen nicht weit auseinander sind. – Wir werden schauen, ob wir in einem Wahljahr mit so freundlichen Worten untereinander noch auskommen können. Ich versuche es wenigstens für meinen Teil.
Sonja Wehsely hat im letzten Jahr auch den Sozialstaat gelobt und darauf hingewiesen, dass ohne Transferzahlungen in Österreich nicht 13 Prozent armutsgefährdet wären, sondern über 40 Prozent, nämlich 43 Prozent. Das stimmt alles. Wie wichtig nicht nur die Transferzahlungen sind und wer alles einen starken Sozialstaat braucht, nämlich die Schwächeren, hat auch Frau GRin Mörk ausgeführt, mit allen Transferleistungen, die es gibt: dem Heizkostenzuschuss, der Mietbeihilfe, der Sozialhilfe, die demnächst „Mindestsicherung" heißen wird.
Trotzdem war ein Punkt, den Sonja Wehsely auch noch angemerkt hat: „... sehr interessiert daran, Diskussionen und Debatten zu führen, weil es selbstverständlich das Ziel sein muss, eine Stadt ohne arme Menschen zu haben. Das ist überhaupt keine Frage." - Dann steht noch da: „Beifall bei der SPÖ." - Aber da ich es verlesen habe, fällt das heute aus.
Die Einschränkung war: Nicht agitieren und nicht polemisieren. - So, das machen wir heute. Wir messen die Sozialpolitik an den Armutszahlen. Denn es ist schön, alles aufzuzählen, was wir gemacht haben, aber eine der wesentlichen Aufgaben der Sozialpolitik ist sicher, Armut zu bekämpfen. Das heißt, man muss sie schon daran messen: Wird die Armut mehr oder weniger? Das Ziel muss sein, weniger arme, weniger armutsgefährdete Menschen in der Stadt zu haben.
Ist diese Stadt eine Stadt ohne arme Menschen? – Nein! - Das ist jetzt nicht polemisch, sondern so ist es.
Wird die Armutsgefährdung größer? – Da werden jetzt alle sagen: ja!, und ich mache jetzt keine Schuldzuweisung, sondern ich versuche jetzt nur herzuleiten, wo das Problem ist.
Werden die Armen mehr? - Laut unseren Zahlen, die wir ausgewertet haben, sind es ungefähr 280 000 Menschen in Wien, die armutsgefährdet sind, davon die Hälfte manifest.
Hat sich die Zahl der SozialhilfeempfängerInnen gesteigert? - Ja, verdoppelt innerhalb von 10 Jahren, leider. Wir müssen damit rechnen, dass die Minisicherung von 115 000 Menschen beansprucht werden wird.
Reicht sie aus, um aus der Armutsfalle zu kommen? – Nein! Da brauchen wir auch nicht viel zu rechnen. 744 EUR, das ist nun einmal über 200 EUR entfernt von der Armutsgefährdungsschwelle, die bei 950 EUR liegt.
Gegenüber dem Zeitpunkt des letzten Jahres, als wir den Rechnungsabschluss machten, sind die Armutszahlen – auch wenn das nicht so drinnen steht – gestiegen. Wir haben heute mehr arme Menschen in Wien als vor einem Jahr. Und es schaut leider im Moment nicht so aus, als ob es in einem Jahr sehr viel weniger sein würden.
Das müsste aber das Hauptziel sein! Und ich habe es extra dazugesagt: keine Schuldzuweisungen, weil es mir in diesem Fall einmal egal ist, wovon es kommt, sondern die Frage ist: Wie ändert man diesen Zustand? Kann man das überhaupt ändern und will man das überhaupt ändern? - Denn es nützt uns ohnedies nichts, herumzulamentieren, wer da was angestellt hat, dass es so weit gekommen ist, und welche politischen Fehler der Vergangenheit dafür hauptverantwortlich sind.
Was sagen die Institutionen, die NGOs, die MA 40, alle anderen, die sich mit Armutsbekämpfung und mit Armutsverwaltung auseinandersetzen müssen? Wie geht es denen? - Da gibt es eine Resolution, beschlossen bei der Generalversammlung der Landesgruppe Wien des Österreichischen Berufsverbandes der SozialarbeiterInnen. Die haben einstimmig einer Resolution zugestimmt, die heute Antragstext der GRÜNEN ist, Teil eines Antrags. Im Wesentlichen sagen sie darin einfach: Entschuldigung, aber wir haben so viel mehr Klienten und Klientinnen, das schaffen wir mit dem ganz leicht gestiegenen Personalstand, den wir haben, nicht. Wir sind nicht in der Lage, das so ausführlich zu machen, wie wir das gerne tun würden. - Da steht vor allem sehr viel drinnen von: zu viele Verwaltungstätigkeiten auf SozialarbeiterInnen abgewälzt, die dann ihre eigentliche Aufgabe nicht mehr erfüllen können. - Dafür werden wir einen Antrag einbringen. Der unterstützt diese Resolution der Generalversammlung der Landesgruppe Wien.
Wir haben noch einen weiteren Antrag, der sich mit der MitarbeiterInnenbefragung beschäftigt. Es gibt jetzt eine MitarbeiterInnenbefragung, und für gewöhnlich, wenn Studien gemacht werden, dann bekommen wir die, wenn die Ergebnisse super sind - und sonst oft nicht. Jetzt gibt es eine Befragung innerhalb der MA 40, und das würde uns natürlich auch etwas nützen. Daher hätten wir dazu einen ganz einfachen Antrag, in dem nichts anderes drinnen steht als: Wir hätten gerne die Ergebnisse der Befragung, die im April durchgeführt wurde. - Ich nehme an, das ist ausgewertet; ich weiß, dass es ausgewertet ist. Wir hätten gerne diese Untersuchung, dieses Ergebnis. Das kann nicht so schwierig sein. Ein harmloser Antrag: dass wir das kriegen.
Dann gibt es einen weiteren Antrag von uns, der sich mit der Rückstandszählung bei Anträgen im Rahmen des Wiener Sozialhilfegesetzes beschäftigt. Wir würden gerne wissen, wie viele offene Fälle es überall gibt, aufgeteilt nach den einzelnen Sozialzentren. Auch das kann nicht so schwierig sein.
Armut hat in Wien – und nicht nur in Wien - viele Gesichter: Migrantisch, oder wenn man viele Geschwister hat - ein Kind, das mehr als zwei Geschwister hat, hat eine Chance von leider 50 Prozent, in einem Armutshaushalt zu leben. Wenn man statt Mama und Papa im Haushalt nur eine Person hat, hat man eine Chance von 50 Prozent, im Ein-Eltern-Haushalt als Kind in einem Armutshaushalt zu landen. Eine Frau, die in Pension ist, hat leider auch ein sehr, sehr hohes Armutsrisiko. Da
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