Gemeinderat, 61. Sitzung vom 28.06.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 105 von 126
nur Pilotprojekte in anderen Städten. Es könnten also die Stadt Wien und die SPÖ mit ihrer absoluten Mehrheit hier wirklich etwas Innovatives und Neues machen, nämlich ein echtes Gender Budgeting. Aber das ist es nicht.
Was wir jedes Jahr kritisieren – es ist leider nichts Neues –, ist, dass die Frauenpolitik der SPÖ insgesamt gekennzeichnet ist von viel Lärm um wenig. Das ist schade, denn eigentlich sind Sie, Frau Stadträtin, eine Sympathieträgerin für Frauenpolitik, das muss ich wirklich sagen, und haben auch grundsätzlich die richtige Ausrichtung. Sie stehen für einen feministischen Ansatz in der Frauenpolitik – das finden wir gut – und den tragen Sie auch wirklich glaubwürdig vor. Sie sind in Ihrer Rhetorik, wenn ich Sie so höre, sehr oft kämpferisch und sehr, sehr glaubwürdig. Aber ich denke mir doch, dass bei einer absoluten Mehrheit hier wirklich mehr drinnen wäre, über reine Rhetorik, über schöne Marketingevents, über Ankündigungspolitik und über Imagekampagnen doch hinauszugehen und hier wirklich strukturelle Fortschritte und wirkliche Maßnahmen für Frauen zu erzielen.
Wir wissen, das Frauenpolitik Widerstandspolitik ist, Frau Kollegin, das wissen wir. Es ist nicht einfach, Frauenpolitik und feministische Politik sind nicht einfach. Wir wissen das, und ich glaube, Sie wissen das auch, denn manchmal, wenn ich Ihnen zuhöre, dann kommt es mir fast so vor, als wären Sie in der Opposition oder fühlten sich zumindest in der Opposition. Denn Sie sagen sehr oft, ich fordere, ich fordere, ich fordere. Das glaube ich Ihnen auch, aber wir würden Sie dabei in jedem Fall unterstützen, wenn es auch mehr zu konkreten Umsetzungen käme, und, wie gesagt, mit einer absoluten Mehrheit der Sozialdemokratie würden wir uns wünschen, dass mehr drinnen wäre.
Stillstand in der Frauenpolitik ist heute schon angesprochen worden. Die soziale Situation von Frauen ist alarmierend. Ich kann VBgmin Brauner, die hier in der Generaldebatte dazu Stellung genommen hat, und auch dem Kollegen Lindenmayr, der die hohe Frauenbeschäftigungsquote wieder einmal gelobt hat, überhaupt nicht folgen in ihrer positiven Darstellung. Also das ist für mich wirklich wieder einmal Realitätsverweigerung und Schönfärberei, die Sie da betreiben, wenn Sie die hohe Frauenerwerbsquote zum Beispiel loben und nicht dazusagen, dass der Anstieg an Arbeitsplätzen von Frauen hauptsächlich, zu über zwei Dritteln, auf prekäre nicht existenzsichernde Arbeitsplätze und Teilzeitbeschäftigung zurückzuführen ist, und jede zweite Frau in Wien – das wissen wir aus Ihrem eigenen Frauenbarometer –, die Kinder hat und erwerbstätig ist, von ihrem Einkommen in Wien nicht mehr leben kann.
Wenn die Sozialleistungen für Wienerinnen – Sozialhilfe, Notstandshilfe –, nicht mehr existenzsichernd sind – und das ist in Wien der Fall; die durchschnittliche Sozialleistung für Frauen in Wien ist nicht mehr existenzsichernd –, dann frage ich mich, auf welchem Planeten Sie leben, wenn Sie uns da die wunderbaren Wege aus der Wirtschaftskrise darlegen, die Sie im letzten halben Jahr gefunden haben, und was immer Frau StRin Brauner uns da heute an positiven Meldungen in der Generaldebatte vorgesetzt hat. Dem können wir überhaupt nicht folgen, und wir finden es sehr schade, dass Sie Jahr für Jahr diese Realitätsverweigerung betreiben.
Schade ist auch, dass Sie im Bund eigentlich so viel versprechen. Auch Frau StRin Frauenberger meldet sich sehr, sehr viel zur Bundespolitik zu Wort und hat hier sehr viele Forderungen an die Bundesebene, aber im eigenen Wirkungsbereich, mit Ihrer absoluten Mehrheit in Wien setzen Sie nur einen Bruchteil davon um oder eigentlich fast gar nichts von dem, was Sie im Bund fordern.
Wir sagen das auch seit Jahren. Stichwort: Papa-Monat und Förderung der Väterkarenz. Ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie zwar seit Jahren Aussendungen machen, wie wichtig es ist, den Papa-Monat in der Bundespolitik und im Nationalen Aktionsplan für Gleichstellung zu verankern, allein unsere grünen Anträge in Wien auf Umsetzung des Papa-Monats im Magistrat werden abgelehnt. Wiewohl das sehr, sehr wichtig wäre, denn Sie wissen, dass die Väterkarenzzahlen im öffentlichen Dienst in Wien sogar schlechter sind als jene in der Privatwirtschaft. Also hier ein positives, progressives Signal zu setzen für die Männer, hier unterstützt zu werden, in Karenz zu gehen, wäre eminent wichtig. Warum wir den Papa-Monat in Wien immer noch nicht haben, ist mir ein Rätsel. Unseren Antrag im letzten Landtag haben Sie erneut abgelehnt.
Was mich freut und was ich anerkenne, ist – meine Kollegin Lachkovics wird den Antrag dann formal einbringen, ich darf ja keine Anträge einbringen –, dass wir es heute geschafft haben, einen Antrag gemeinsam zu stellen, die GRÜNEN und die Sozialdemokratie, nämlich zur Transparenz und Offenlegung von Einkommen. Das ist für uns ein sehr wichtiger Schritt auch im Kampf gegen die Einkommensunterschiede, die auch im öffentlichen Dienst sehr groß sind. Man sagt gemeinhin immer, im öffentlichen Dienst sei die Gleichbehandlung so viel weiter fortgeschritten als in der Privatwirtschaft. Mitnichten! Es schaut zwar von den Kennzahlen ein bisserl besser aus, aber rosig ist es nicht. Im Gegenteil! Wir haben im letzten Landtag die Debatte über Frauenförderung im Magistrat schon gehabt. Frau Kollegin Krotsch hat auch gesagt, dass man sich selbstverständlich mit den 30 Prozent Frauen in Spitzenpositionen im Magistrat nicht zufriedengeben kann und auch mit den Einkommensunterschieden nicht.
Deshalb ist es wichtig und gut, dass wir jetzt endlich – es ist dies auch nicht das erste Mal, dass wir den Antrag stellen, aber jetzt ist es gelungen, Sie auch an Bord zu holen – die Einkommenstransparenz im öffentlichen Dienst der Stadt Wien bekommen werden. Es ist zwar ein Manko, dass Sie sich nicht festlegen wollten auf einen Zeitplan, und wir wären auch gerne noch ein bisserl weiter über den Inhalt des Antrages hinausgegangen und hätten auch die Fonds und die ausgegliederten Unternehmen mit ins Boot geholt. Frau StRin Frauenberger sollte gemeinsam mit den zuständigen Stellen, gemeinsam mit den ausgegliederten Unternehmungen einen Maßnahmenplan entwickeln, um Einkommenstransparenz auch dort zu verankern.
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