Gemeinderat,
60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll -
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organisieren oder selber bieten. Das hat jedenfalls Organisations- und
Kostenaufwand zur Folge, der den Eltern nicht abgenommen wird. Das ist ein
Angebot, Frau StRin Wehsely,
das insbesondere für Eltern mit Kindern aus benachteiligten Familien schwer zu
leisten ist. Die Eltern bleiben über, die Kinder sind nicht ausreichend
betreut.
Wir haben hinsichtlich dieser Situation einen Beschluss- und
Resolutionsantrag vorbereitet. Wenn Sie es ernst nehmen, dass Sie meinen, dass
Kinder in dieser Stadt nicht durch Armut und Ausgrenzung gefährdet sein sollen,
dann erwarte ich mir von der Sozialdemokratie, dass Sie hier zustimmen:
„Der Wiener Gemeinderat spricht sich für eine prinzipielle
Aufnahmepflicht für alle Kinder mit Behinderungen und/oder chronischen
Erkrankungen in Kindergarten, Regelschule und Nachmittagsbetreuung sowie
Sicherstellung des entsprechenden Angebots, weiters für die Bereitstellung von
individuellen pädagogischen, pflegerischen und medizinischen
Unterstützungsmaßnahmen ohne zusätzliche Kosten für die Eltern aus. Es darf
weiters keine Einschränkung der Aufenthaltszeiten behinderter Kinder im
Kindergarten, außer für die Eingewöhnungszeit oder auf ausdrücklichen Wunsch
der Eltern geben.
Wir beantragen die Zuweisung dieses Antrags an die beiden zuständigen Ausschüsse.“
Die Mangelversorgung von Kindern und Jugendlichen in dieser Stadt im
medizinischen Bereich zeigt sich auch bei den Therapieleistungen, die für
Kinder und Jugendliche, die chronisch krank sind, gebraucht werden.
Frau Stadträtin, es kann Ihnen nicht egal sein, dass die Liga für Kinder
und Jugendgesundheit festgestellt hat, dass im Jahr 2010, und hier werden Sie
uns ja nicht die Aktualität der Zahlen absprechen, 1 000 chronisch kranke
Kinder in Wien, nicht etwa in ganz Österreich, sondern in Wien, auf einen
Therapieplatz warten. 1 000 Kinder, Frau Stadträtin, warten auf einen
Therapieplatz! Sie haben ein Kind, ich habe Kinder. Sie würden es sicherlich
für Ihren eigenen Sohn nicht dulden, wenn er eine Ergotherapie, Logotherapie
oder Psychotherapie brauchen würde, dass er hier warten muss beziehungsweise,
und auch das ist der Fall, dass 600 bis 700 Kinder und Jugendliche nicht einmal
auf eine Warteliste kommen, sondern abgewiesen werden. Stellen Sie sich vor,
Ihr Kind hat einen Therapiebedarf und man sagt: Kommen Sie in ein, zwei Jahren
wieder, dann können wir darüber reden, ob Sie dann auf eine Warteliste kommen!
Wer Kinder hat, weiß, dass jedes Jahr wie ein halbes Leben zählt und das Warten
auf Therapie in diesem Alter letztlich ein Versagen und eine Situation herbei
führt, die die chronische Krankheit vielleicht so weit verschlechtert, dass die
Kinder Nachteile und gesundheitliche oder psychische Schäden haben, die nicht
mehr auszugleichen sind. Die Experten und Expertinnen sprechen auch ganz offen davon,
dass es hier zu Entwicklungsstörungen kommt, die nicht aufgeholt werden können.
1 000 chronisch kranke Kinder, die warten. 600 bis 700, Frau
Stadträtin, die überhaupt abgewiesen werden. Wenn Sie meinen, dass das eine
gute Versorgung ist und dass hier niemand unter die Räder kommt, dann sind Sie
schlicht und einfach schlecht informiert oder Sie nehmen zur Kenntnis, dass es
offensichtlich hier im Sinne einer Mehrklassenmedizin eben Eltern gibt, die
dann halt sagen, dann leiste ich mir die Therapie und leiste sie mir im
privaten Bereich und dass halt die schweigend überbleiben, die für ihre Kinder
das nicht finanzieren können.
Es wurde infolge des Kontrollamtsberichts, den es in Sachen
Unterversorgung für Kinder und Jugendliche hinsichtlich des Therapieangebots ja
gegeben hat, eine Kommission eingesetzt. Wir kennen bis jetzt keine Ergebnisse
und vor allem keine Ergebnisse, von denen abzulesen wäre, dass die
sozialdemokratische Regierung hier Ausbaumaßnahmen gesetzt hat. Im Gegenteil.
Es gibt weitere Kürzungen. Die Situation für die Eltern und Kinder hat sich in
keiner Weise verbessert.
Wir stellen daher einen Beschluss- und Resolutionsantrag, dass man die
Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Round Table Entwicklungsdiagnostik“ vorlegt, ein
abgestimmtes Versorgungskonzept für verhaltensauffällige Kinder erstellt und
Maßnahmenvorschläge für ein integriertes Wien-weites Konzept zur Sicherstellung
des Leistungsangebots erarbeitet. Es soll durch Sie, Frau Stadträtin, der Fonds
Soziales Wien angewiesen werden, dass die Deckelung
des Leistungsangebots, die seit einem Jahr zu konstatieren ist, zurückgenommen
wird und dass das Angebot zügig Richtung Bedarfsdeckung ausgebaut wird. Wir
beantragen die Zuweisung zum Gesundheitsausschuss.
Der letzte Antrag, den ich einbringen möchte, bezieht
sich auf das rot-grüne Projekt Frühförderung. Wir haben heute Früh in der
Fragestunde schon darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass man insbesondere
Kinder aus sozial schwachen, aus den allerschwächsten
Bevölkerungsgruppen nicht von ihrer Geburt an in eine Situation abgleiten
lässt, die sich wie eine schiefe Ebene in sozialer Ausgrenzung,
gesundheitlicher Benachteiligung und Rückständigkeit hinsichtlich der
Bildungschancen darstellt. Wir meinen, dass es ein sinnvolles und innovatives
Konzept ist, wenn man nicht erst dort ansetzt, wo die Defizite schon Platz
gegriffen haben, sondern wenn die betroffenen Familien gecoacht werden, in
einem positiven Ansatz von Anfang an begleitet werden und nicht erst SozialarbeiterInnen oder andere Betreuungsgruppen oder dann
vielleicht sogar noch disziplinierende Interventionen Platz greifen, wenn sich
negative Entwicklungen zeigen. Dieses Projekt Frühförderung im 15. Bezirk
- 15. Bezirk deshalb, weil hier - das war die Idee, als die GRÜNEN das Projekt
eingebracht haben - die Lebenserwartung signifikant hinter der von
vergleichbaren anderen Bezirken liegt. Wir meinen, man soll bei der Erhöhung
der Lebenserwartung dort beginnen, wo das Leben seinen Anfang nimmt, nämlich
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