Gemeinderat,
60. Sitzung vom 31.05.2010, Wörtliches Protokoll -
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Greifen die Maßnahmen, die man bis jetzt gesetzt hat? Und was kann man
tun, um die Situation für diese Kinder ganz einfach zu verbessern? Wo gibt es
die Möglichkeit, an Schrauben zu drehen, mit denen wir sicherstellen können,
dass Kinder in einer der reichsten Städte der Welt in Würde aufwachsen?
Hier habe ich zwei Maßnahmen, einfach zwei, die wir heute zur Diskussion
stellen. Die erste ist, den Sozialhilferichtsatz für Kinder - ich wiederhole:
erst einmal für Kinder, denn heute dient diese Debatte sozusagen der Erörterung,
was man gegen Kinderarmut tun kann -, also den Sozialhilferichtsatz für Kinder
zu erhöhen, nämlich von aktuell 137 EUR auf jene 285 EUR, von denen
wir laut aktuellen Zahlen wissen, dass sie erforderlich sind, um Armut effektiv
zu bekämpfen.
Als zweite Maßnahme schlagen wir vor, eine Kinder-Aktiv- Card zu
schaffen, das heißt, eine Karte, die Jugendlichen und Kindern, die von Armut
betroffen sind, zur Verfügung gestellt wird, die sie vorweisen können und die
sicherstellt, dass sie kostenlosen Zugang haben zu Kulturveranstaltungen, zu
Freizeitaktivitäten, zu Bädern, dass sie Freifahrt haben mit den Wiener Linien
und vieles mehr.
Denn eines ist klar - und ich gehe auch davon aus, dass mir jeder recht
geben wird -: Armut in der Kindheit und vor allem auch in der Pubertät bedeutet
nicht nur schlechtere Chancen, voranzukommen, es bedeutet nicht nur schlechtere
Chancen fürs Leben, es bedeutet nicht nur Stigmatisierung. Es bedeutet auch Wut
und Isolation! Vor allem diese Isolation sollten wir bekämpfen, und wir sollten
sicherstellen, dass einmal mehr Kinder, die von Armut betroffen sind, eben mit
dieser Kinder-Aktiv-Card die Möglichkeit haben, kostenlos alles zu genießen,
was von der Stadt Wien angeboten wird beziehungsweise was mit Subventionen der
Stadt Wien überhaupt möglich gemacht wird.
Meine Damen und Herren! Das sind nur zwei der Vorschläge, die wir heute
zur Debatte stellen. Es wird auch eine Vielzahl von Anträgen geben, die meine
Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN noch einbringen werden.
Ich möchte abschließend noch zwei Dinge erwähnen. Erstens: Ich meine
gerade angesichts der Entwicklung, der Entwicklung der Finanzmärkte, der
Entwicklung unseres Budgets, der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen und auch
der Entwicklung der Armutszahlen der letzten Jahre, von der ich befürchte, dass
sie jedenfalls in den kommenden Jahren nicht unbedingt rosiger werden wird,
denn in der Regel kann man solche Entwicklungen, selbst wenn man alles gut
machen will und die allerbesten Maßnahmen trifft, nicht über Nacht umdrehen.
Wenn man also weiß, dass die nächsten Jahre auch Jahre sein werden, in
denen hunderttausende Menschen und darüber hinaus nahezu hunderttausend Kinder
es nicht schön haben werden in diesem wunderschönen Wien, dann macht es Sinn,
darüber nachzudenken, welche Maßnahmen wir setzen können, damit Familien, die
von Armut betroffen sind und Kinder haben, also Haushalte, in denen Kinder und
Jugendliche leben, nicht von Delogierung bedroht sind, zumindest dann nicht und
auf alle Fälle dann nicht, wenn sie im Gemeindebau wohnen. Welche Maßnahmen
können wir ergreifen, damit solchen Familien der Strom und das Gas und die
Heizung nicht abgedreht werden?
Mir geht es nicht darum zu sagen: Wenn Sie von so einem Fall wissen,
kommen Sie zu mir, erzählen Sie mir das, und dann werde ich mich darum kümmern,
wie unsere Stadträtin in solchen Situationen immer wieder sagt. Ich finde es
nett, dass man das tut, aber ich hätte gerne eine Maßnahme, die von Haus aus
greift und die dafür sorgt, dass es gar nicht erst so weit kommt. Das ist
machbar, es sind solche Mechanismen machbar. Es ist hier zum Beispiel möglich,
eine bessere Verzahnung mit der Jugendwohlfahrt zu erreichen. Es ist hier
möglich, eine bessere Verzahnung mit Sozialarbeit zu erreichen und einmal mehr
dafür zu sorgen, dass es ein Frühwarnsystem gibt und dass wir sicherstellen,
dass solchen Familien nicht die Heizung abgedreht werden kann und sich
hinterher, ich weiß nicht, wie viele Menschen damit befassen müssen, dass sie
wieder aufgedreht wird, und dass solche Familien nicht von Haus aus delogiert
werden und wir dann erst recht mit dem Auffangnetz schauen müssen, was mit
dieser Familie passiert.
Ich denke, dass das Schritte sind, die wertvoll sind, die wichtig sind
und die einfach bedeuten, dass soziale Sicherheit wächst, vor allem für die
Betroffenen und vor allem für Kinder, die nicht in Armut und vor allem auch
nicht in Angst vor dem, was der morgige Tag mit sich bringt, aufwachsen müssen.
Ich meine abschließend, dass wir unabhängig von unserem heutigen Fokus
auf Kinder auch darüber nachdenken müssen, eigentlich gar nicht darüber
nachdenken müssen, sondern zur Tat schreiten müssen und sicherstellen müssen,
dass die Grundsicherung, eine soziale Maßnahme, über die in den vergangenen
fünf Jahren schon unendlich viel diskutiert worden ist, eine Maßnahme, die sich
im letzten Bundesregierungsübereinkommen und auch im aktuellen gefunden hat,
eine Maßnahme, die ununterbrochen angekündigt und nicht umgesetzt wird, weil
sie stets, aus welchen Gründen auch immer, im letzten Moment verschoben werden
muss, dass also diese sehr, sehr wertvolle und sinnvolle sozialpolitische
Maßnahme in Wien umgesetzt wird, und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt, in
diesem Herbst!
Es geht darum, dass wir die Grundsicherung in diesem Herbst umsetzen,
notfalls auch im Alleingang, dass wir nicht darauf warten, dass die
Bundesregierung nachzieht, sondern dass wir dafür sorgen, dass ab Herbst jeder
Wienerin und jedem Wiener 950 EUR als Minimum zur Verfügung stehen, von
denen man halbwegs in Würde leben kann, wenn man von Armut bedroht ist.
Was Sie auf alle Fälle heute schon machen können -
heute schon, können wir uns darauf verständigen? -,
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