Gemeinderat,
57. Sitzung vom 26.02.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 111
lange und offen gebliebene Auseinandersetzung. Ich sage, ich bin froh,
dass wir in einer Stadt und in einem Land leben, wo nicht eine Partei oder wo
auch nicht das Rathaus oder wo auch nicht die Regierung definiert, was Kunst
ist, und wo auch nicht Kulturpolitik ist, dass man sich von einer Institution
etwas vorlegen lässt und der Kulturstadt dann gewissermaßen seinen
Zensurstempel „genehmigt“ draufgibt.
Denn das, meine Damen und Herren, passt in ein Regime, von dem ich
hoffe, dass wir alle dieses Regime ablehnen, nämlich in ein totalitäres Regime.
Wien hat gerade darin jedenfalls in der jüngeren Vergangenheit eine gute
Tradition, solche Sachen offen zu diskutieren und auch mit Offenheit zu
begegnen. (Beifall bei der SPÖ.)
Das Entscheidende, meine Damen und Herren, ist doch auch, dass hier –
sagen wir einmal – mit einer extensiven Auslegung von Wahrheit operiert wird.
Die Steuergelder, die da hineinfließen sollen, gibt es nicht – zum einen.
Zum Zweiten ist das, was nicht verboten ist in dieser Stadt, erlaubt.
Und zu dem, was in dieser Stadt nicht verboten ist und wo nicht die Gerichte
und die Behörden agieren, gilt grundsätzlich und generell der Bereich der
Freiheit der Kunst und auch der freien Meinungsäußerung. Das ist auch in diesem
Fall hier richtig und gut so. (Beifall bei SPÖ und GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 3. Zusatzfrage
wird von Herrn GR Dr Wolf gestellt. – Bitte.
GR Dr Franz Ferdinand Wolf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt
Wien): Es wird ja heute noch Gelegenheit sein, sehr intensiv die Dinge zu
diskutieren. Ich gebe Ihnen in zwei Punkten recht. Der eine ist, dass die FPÖ
in der Tat die beste Werbeagentur für diese Aktion ist. Und zweitens wird man
die Grenzen der Kunst und die Kunst an sich diskutieren müssen.
Sie haben aber bei der Wortmeldung – und ich habe sehr genau zugehört –
einmal von Skandal gesprochen. Meine Frage daher: Halten Sie die Aktion in der
Secession für einen Skandal oder für eine unterstützenswerte künstlerische
Aktion?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny: Sehr geehrter Herr
Gemeinderat!
Wenn Sie mir tatsächlich so genau zugehört hätten, dann hätten Sie
gehört, dass ich gesagt habe: Wenn das denn der Skandal ist, den die FPÖ
dauernd heraufbeschwört und den sie behauptet, dann ist sie der beste
Werbeträger dieses Skandals.
Was ein Skandal ist, das wird ja auch in der Öffentlichkeit
abgehandelt. Ich versuche auch darzulegen, dass es Aufgabe weder des
Kulturstadtrates und – wie ich hoffe und meine – auch nicht des Gemeinderates
oder einer politischen Partei ist, Geschmacksurteile zu fällen und zu sagen:
Das ist gut und das ist schlecht, und deshalb wird das gefördert und das andere
nicht. Denn noch einmal: Dieses ist Vorgehensweise eines totalitären Regimes
oder von Regierungen, die sich anmaßen, selber zu sagen, was gut und was
schlecht ist.
Wir haben dem gegenüber – wie Sie ja wissen – ein sehr ausgefeiltes
System von Jurys, von Experten, von vorgeschalteten Gremien und Kuratorien, die
darüber befinden, ob etwas eine Förderung bekommen soll oder nicht.
Darüber hinaus ist die Secession im konkreten Fall gesprochen auch eine
der ganz großen international anerkannten Kunsteinrichtungen. Diese bekommt
eine Jahresförderung.
Und noch einmal: Ich glaube, wir wären ganz schlecht beraten, würden
wir im Vorhinein gegenseitig sozusagen die Meinung austauschen wollen und sagen:
Ihnen gefällt das, mir gefällt das nicht und einem Dritten gefällt das
vielleicht so mittelprächtig! Und daraus kämen dann die Empfehlungen für
Kultur- und Kunstförderungen. Nein, es gibt ein gutes System von Experten, die
vorgeschaltet sind, es gibt Kuratorien, es gibt Jurys, und diesen Gremien und
Experten folgen wir auch.
Aber die persönliche Meinung, das persönliche Urteil darüber, ob
jemandem etwas gefällt oder nicht, hat auch in der Politik wohl Privatsache zu
sein.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 4. Zusatzfrage
wird von Herrn GR Mag Ebinger gestellt.
GR Mag Gerald Ebinger (Klub der Wiener Freiheitlichen):
Herr Stadtrat!
Ich stimme Ihnen völlig zu, dass man als Politiker nicht beurteilen
sollte, ob jetzt der Herr Büchel ein guter oder kein guter Künstler ist. Das
werde ich auch sicher nicht tun. Zu Kollegen Schreuder: Ich nehme das gerne
auf, dass wir alle Teil dieser Konzeptkunst geworden sind, aber dann sind
natürlich nicht nur wir diejenigen, die sabbern wie der Pawlow’sche Hund, sondern
ich sehe das Sabbern ja bei Ihnen auch!
Bei Ihnen gibt es zwei kleine Unterschiede: Erstens einmal, Sie müssen
das verantworten! Sie müssen das verantworten. Ob Sie jetzt genau das gefördert
haben: Das Geld hat kein Mascherl! Sie geben Förderungen, und da kommen Sie
einfach nicht heraus! Das müssen Sie den Menschen erklären.
Wenn Sie sagen, dass die Politik sich nicht einmischen soll, muss ich
Ihnen schon entgegnen: Indem Sie Subventionen vergeben oder nicht vergeben,
machen Sie Zensur. Sie vergeben das nach Kriterien, die ich nicht
nachvollziehen kann, die wahrscheinlich korrekt sind oder nicht, aber es ist
eine Art Zensur. Sie vergeben Sie nicht an jedermann, also haben Sie auch eine
politische Verantwortung gegenüber der Bevölkerung.
Meine Frage ist aber eine andere. Beim Studium der unzähligen
Zeitungsmeldungen ist mir aufgefallen, es gibt noch ein anderes Thema die Frau
Kollegin Frauenberger betreffend: Knalleffekt im Streit um das überbordende
Sexgeschäft in Fünfhaus und Penzing. Ein Vorschlag der Stadt soll vorsehen,
dass nur bestimmte Straßen für Prostituierte geöffnet werden. Die Pläne werden
mit Magistrat und Bezirk diskutiert. Man befände sich in der Phase der
Problemsichtung und Ideenfindung.
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