Gemeinderat, 2. Sitzung vom 13.12.2010, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 126
telaufnahmen haben genau diesen Konjunkturmaßnahmen gedient. Und was ebenfalls ganz, ganz wichtig ist und was ich leider in der Berichterstattung darüber sehr oft vermisse, ist nicht nur, was mit diesen Schulden an negativen Entwicklungen verhindert werden konnte, sondern auch, dass dieser Fremdmittelaufnahme Investitionen, bleibende Werte gegenüberstehen, weil wir die Konjunkturstützung in Wien mit Zukunftsprojekten und mit einer Verbesserung der Infrastruktur verbunden haben, etwa durch Sanierungsarbeiten in den Krankenanstalten oder durch Investitionen bei den Wiener Linien oder bei der Wiener U-Bahn oder durch Investitionen in sozusagen geistige, intellektuelle Infrastruktur durch die Aufstockung von mehrjährigen Forschungsförderungen oder den schon vorher angesprochenen Gratiskindergarten.
Nehmen wir uns nur einen Moment Zeit und stellen wir uns vor, was gewesen wäre, wenn es diese Maßnahmen alle nicht gegeben hätte, wenn wir uns zurückgelehnt und gesagt hätten, okay, die Einnahmen gehen auf Grund der Krise zurück – und ich rede hier nicht von ein paar hunderttausend Euro, sondern ich rede von 400 Millionen pro Jahr, die wir an Einnahmenentgang hatten –, aber stellen wir uns einen Moment vor, wir lehnen uns zurück und sagen: Das ist halt so in der Krise. Es gibt weniger Einnahmen, wir können es leider nicht kompensieren, denn wir wollen ja keine Fremdmittelaufnahmen, wir machen keine Schulden. Was wäre dann? Wie würde unser Wien dann ausschauen?
Nur ein Beispiel: 4 500 junge Menschen, die jetzt in der überbetrieblichen Ausbildung sind, würden auf der Straße stehen. Welche gesellschaftspolitische und menschliche Katastrophe, sehr geehrte Damen und Herren! Aber auch wirtschaftspolitisch wäre das falsch, denn wir brauchen diese Fachkräfte auch aus wirtschaftlicher Sicht ganz, ganz dringend.
Genauso falsch wäre es gewesen, wenn wir in der Krise zum Beispiel die Forschungsförderung gekürzt hätten, wo wir uns doch alle einig sind, dass die Forschung von heute die Wirtschaftsentwicklung und die Arbeitsplätze von morgen bedeutet. Oder hätten wir die Kleinkreditaktion nicht erhöhen sollen und damit das Rückgrat der Wiener Wirtschaft, die Klein- und Mittelunternehmen, in dieser schwierigen Situation in Stich lassen sollen? Oder hätten wir, wie es andere leider gemacht haben, Großinvestitionen stoppen, mit dem U-Bahn-Bau aufhören sollen? – Nein, das haben wir nicht getan. Gerade in wirtschaftlich schweren Zeiten ist es nötig, ohne ideologische Scheuklappen vernünftige Politik zu machen. (Beifall bei der SPÖ und von Gemeinderätinnen und Gemeinderäten der GRÜNEN.)
Nicht vernünftig, sehr geehrte Damen und Herren, ist es allerdings, zuerst nach immer höheren, immer größeren Konjunkturpaketen zu rufen, nach immer mehr und kapitalintensiverer Förderung zu schreien und dann mit viel Pathos das Schuldenmachen zu kritisieren. Das, liebe Damen und Herren, ist ein durchschaubares Manöver.
Wir gehen den Weg der gesellschaftspolitischen und der wirtschaftspolitischen Vernunft, und das heißt, mit Investitionen gegen die Krise anzukämpfen und nach der Krise, wenn die Arbeitsmärkte wieder in Ordnung sind, wenn die Auftragsbücher wieder gefüllt sind, die Schulden wieder zurückzuzahlen, so wie wir es in Wien bis zum Jahr 2008 über viele, viele Jahre durchgehend getan haben.
Wien kennt sich aus beim Sparen, Wien kennt sich aus beim Schuldenabbau und zumindest genauso gut beim Investieren, denn beides gehört zu einer vernünftigen Finanz- und Wirtschaftspolitik. Gerade deswegen haben wir trotz unserer offensiven Politik noch immer den bei Weitem geringsten Verschuldungsgrad unter allen Bundesländern, ganz zu schweigen vom Vergleich mit dem Bund.
Sehr geehrte Damen und Herren! Als Finanzstadträtin definiere ich mich in diesem Sinne ganz klar als Anwältin der Steuerzahler und Steuerzahlerinnen. Die Effizienz der Mittelverwendung in Wien ist eine sehr hohe. Wäre es nämlich anders, dann würden Großprojekte wie der Neubau der Therme Wien oder der U-Bahn-Ausbau nicht so punkt- und termingetreu vonstatten gehen.
Ich habe daher auch im vorliegenden Haushalt wie eine Haftelmacherin darauf geachtet, dass wir einerseits jene Schwerpunkte setzen und finanzieren können, an denen Wiens Zukunft hängt, und dass wir andererseits mit dem Einstieg in die Konsolidierung beginnen. Wir sparen nicht um des Sparens willen, wir wollen rigides Sparen vermeiden, wie es unser Herr Bürgermeister bereits in seiner Regierungserklärung festgehalten hat. Wir sparen deswegen, weil wir nur mit soliden Finanzen gerüstet sind, sollte eine neue Krise auf uns zukommen, weil wir nur mit soliden Finanzen neue Schwerpunkte in dieser Stadt setzen können und weil wir nur mit soliden Finanzen den Menschen Sicherheit und Rückhalt geben können.
All jenen, die heute in der Diskussion neue finanzielle Förderungen in den Raum stellen werden, möchte ich gleich zu Beginn eines auf den Weg mitgeben: Wenn Sie etwas fordern, dann legen Sie bitte ganz konkrete Finanzierungsvorschläge vor und sagen Sie konkret dazu, wo auf der anderen Seite eingespart werden soll.
Um es klipp und klar zu sagen: Für irgendwelche finanziellen Abenteuer stehe ich nicht zur Verfügung. Es ist nämlich unseriös, ständig nach mehr Mitteln zu rufen und gleichzeitig unfinanzierbare Ideen in den Raum zu stellen. (Beifall bei der SPÖ und von Gemeinderätinnen und Gemeinderäten der GRÜNEN.)
Sehr geehrte Damen und Herren! Finanzpolitisch liegen noch heuer Gespräche im Bund in Sachen Stabilitätspakt vor uns, ein Thema, das sehr wichtig ist für uns und das ich deswegen im Zusammenhang mit diesem Voranschlag auch ansprechen möchte. Es geht darum, wie wir gesamtstaatlich im Rahmen der Vorgaben der Europäischen Union unsere Defizite zurückführen. Wir werden die vorgelegten Vorschläge und Zahlen sehr genau prüfen, wir wollen aber realistische und faire Vereinbarungen. Und realistisch ist es, dass die Länder, Städte, Gemeinden und Sozialversicherungsträger als Folge der Krise in den nächsten Jahren größere Spielräume bei den Defiziten brauchen werden. Genau dies
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