Gemeinderat,
55. Sitzung vom 18.12.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 53 von 123
Noch einmal: Dass manche Sachen einfach falsch sind, das passt nur ins
Bild. Ich beziehe mich jetzt – ich meine nicht nur die City-Maut-Vorgeschichte;
die auch – bewusst auf die Sache mit der flächendeckenden Ganztagsschule, weil
ich in einer Pro-Kontra-Argumentation das, was Sie da schreiben, als Pro
gebracht hätte.
So kann man nicht Demokratie machen, und das sage ich in einer Zeit, wo
wir alle, wurscht, welcher Fraktion wir angehören, spüren, dass wir uns nicht
leicht tun, unsere Zunft, nämlich die Politik, zu verteidigen. Wir kriegen –
und ich sage bewusst „wir" und meine alle Parteien damit – Fotzen von
allen Seiten. Die Leute glauben immer weniger an repräsentative Demokratie, und
in der Tat ist direkte Demokratie, sorgfältig eingesetzt, eine Möglichkeit. Der
Herr Deutsch spricht ja hier so – das darf ich jetzt schon anmerken, und das
sage ich jetzt auch ohne Untergriff –, als würde die SPÖ alle vier Wochen einen
Antrag auf Volksbefragung einbringen, und nur wir hätten sie daran gehindert.
Da fallen mir ein paar Themen ein – ich sage zum Beispiel Augarten, um nur
irgendwas zu sagen –, wo es nicht gerade so war, dass wir den Herrn Deutsch
niederhalten mussten, damit er keine Volksbefragung durchführt. Also ich weiß
nicht, ob ich jetzt gestört bin in meiner Erinnerung.
Wenn man so knapp vor der Wahl eine macht, muss man einen guten Grund
haben. Und wir hätten zugestimmt, aber wäre es so absurd zu sagen: He, wir
haben da fünf Fragen, wir laden auch die anderen ein. Aber nicht über die APA.
Wir sitzen bei der APA und sehen, aha, es gibt eine sechste Frage. Ich frage im
Klub: Meint der Herr Bürgermeister das ernst? Gibt es ein Gespräch, wo über
eine sechste Frage geredet wird? Bringen wir einfach Hollodri-Fragen ein, und
ihr entscheidet? Ich weiß bis jetzt ja noch nicht, ob es eine sechste Frage
geben wird.
Es gibt jetzt einige Anträge, manche mögen schlau, andere weniger
schlau sein. Hat ein Redner gesagt, ob es eine sechste Frage gibt, oder harren
wir jetzt der Abstimmung? Plötzlich zeigt zur Überraschung aller bei einer
Oppositionsfrage die SPÖ auf? Das geht nicht! Das halte ich für arg.
Dann wäre man nämlich auch draufgekommen, dass möglicherweise manche
Fragen verbesserungswürdig sind. Lassen Sie es mich so sagen. Ich nehme jetzt
bewusst dieses Thema mit den Kampfhunden. Das ist eine Debatte, die ja in ganz
vielen Bereichen lang geführt wurde. Gibt es den Terminus Kampfhund? Die
Antwort war: Nein, den gibt es nicht. Ich kenne diese Rassen nicht, ich gehöre
nicht zur Fraktion derer, die Hunde in aller Form als Bereicherung finden –
lassen Sie mich das so zurückhaltend sagen, um nicht bei gewissen Leuten in
Schwierigkeiten zu kommen –, und, nein, ich mache jetzt keine Hundedebatte, aber
wie argumentieren Sie in der Tat, warum der eine Hund schon auf der Liste
steht, ein Schäferhund aber nicht auf der Liste steht. Das muss mir einmal
einer erklären. Das hätte man in einem Gespräch lösen können, und dann hätten
wir dem wirklich gerne zugestimmt. Alle Themenkomplexe sind in der Tat
befragenswert.
Aber lassen Sie mich über ein anderes Thema reden – ich rede jetzt
bewusst nicht über die City-Maut, vielleicht komme ich dann noch kurz darauf,
wenn ich noch die Zeit habe –, ich gehe jetzt noch einmal auf die
Ganztagsschulen ein – als Befürworter. Wäre es da nicht schlau, damit man nicht
wieder dasselbe Debakel wie bei den Kindergärten hat, zu fragen: Wer zahlt denn
das, bitte? Macht sich die Stadt Wien bereit zu finanzieren? Im Übrigen kenne
ich einige Wiener Pflichtschulen, die ich nicht für geeignet finde, von heute
auf morgen als eine ganztägige Schulform geführt zu werden, einfach deshalb,
weil es da drinnen nicht so ist, dass es eine Bereicherung wäre, dort den
ganzen Tag zu sein. Wann werden die umgebaut? Nach welchen Kriterien werden die
umgebaut? – Der Herr Stürzenbecher findet das wahnsinnig lustig. Vielleicht
weiß er, wie das läuft. Ich weiß es nicht.
Der größte Frust für die Demokratie wäre, wenn die Leute jetzt Ja sagen
– es ist nicht schwer vorherzusagen, die wenigen, die abstimmen werden, werden
Ja sagen –, und was geschieht dann? Sagen Sie dann, der Bund muss das
finanzieren? Und dann wundern wir uns, dass die Demokratieverdrossenheit
steigt.
Aus Zeitgründen muss ich aus einem Buch zitieren und habe deswegen den
Computer mitgenommen, wo ich das noch schnell gefunden habe. Es gibt ein Buch
von einem Herrn Frankfurt, das heißt „On Bullshit". Meine Damen und Herren
von der SPÖ, Sie sind Bullshitter, und ich sage Ihnen jetzt, was ein Bullshitter
macht. Anders als der aufrichtige Mensch und als der Lügner achtet er auf die
Tatsachen nur insoweit, als sie für seinen Wunsch, mit seinen Behauptungen
durchzukommen, von Belang sind. Also der Lügner lügt bewusst, der die Wahrheit
spricht, sucht zumindest die Wahrheit, dem Bullshitter ist das wurscht,
Hauptsache, er kommt durch. (Beifall bei
den GRÜNEN.) Es ist dem
Bullshitter gleichgültig, ob seine Behauptungen die Realität korrekt
beschreiben, es ist ihm völlig wurscht, ob das stimmt oder nicht, ob der
Verkehr gewachsen oder gesunken ist. Da steht, er ist gesunken, und das nur
deswegen, weil der Bullshitter sagt, das ist mir wurscht, Hauptsache, ich komme
durch damit. Er wählt die Dinge einfach so aus und legt sie sich so zurecht,
dass sie seiner Zielsetzung entsprechen.
Meine Damen und Herren! Diese Volksbefragung ist Bullshit, und dem habe
ich nichts hinzuzufügen. (Beifall bei den
GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zu Wort gemeldet
ist Herr GR Dr Wolf.
GR Dr Franz Ferdinand Wolf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien):
Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich kann gleich nahtlos an Christoph Chorherr anschließen und zur
direkten Demokratie sprechen. Sie, die Sprecher der Mehrheitsfraktion, haben
sich hier eine Art Demokratiemonopol reserviert, und darauf möchte ich ein
bisschen eingehen.
Wir bekennen uns natürlich zur direkten Demokratie,
nicht nur zur repräsentativen, sondern als Ergänzung
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