Gemeinderat,
55. Sitzung vom 18.12.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 123
und Pendler. Nein, das ist in Wirklichkeit eine klassische
Volksverdummung!
Und die zweite Geschichte ist auch noch „Ausbau des Radwegenetzes“. Ja,
wenn man sich anschaut, welche Radwege meinen Sie? Die, die so gekennzeichnet
sind oder die Radrouten oder die Radwege auf der Donauinsel, wo nämlich die
Masse der Radwege vorhanden ist. Jetzt wird einiges gemacht, da muss man
schauen: Was ist denn da passiert?
Das Klimaschutzprogramm – heute werden wir es ohnedies noch sehen –
sagt, Radverkehr in Wien übers ganze Jahr 5 Prozent. Das ist mickrig, und
zwar deswegen mickrig, weil ursprünglich da herinnen als Zielwert beschlossen
worden ist, 2010 sollten 8 Prozent erreicht werden. 8 Prozent 2010!
Was war die Reaktion? Die alten Radkarten, wo 2010 mit 8 Prozent darauf
gestanden ist, sind eingestampft worden und jetzt gibt es neue Radkarten, wo
2010 durch 2015 ersetzt worden sind. Das ist genau die SP-Verkehrspolitik: Wenn
es nicht geht, schummle ich mich vorbei ein bisserl und mach’ eine neue
Radkarte, wo 2015 steht.
Noch einmal: Es ist einfach nicht möglich, die Radwegepolitik, so wie
Sie es machen, einfach so stark zu forcieren bis 2010 oder gar bis zu 2015,
dass Sie das erreichen werden. Vergleichbare andere Städte in Österreich
funktionieren einfach da besser. Aber in der Stadt Wien, da wird
Verkehrspolitik aus der Lenkradperspektive gemacht. Das muss man leider Gottes
noch immer sagen. Sie haben durchaus gute Erfolge beim öffentlichen Verkehr, es
sind durchaus gute Erfolge innerhalb der Stadt, aber das ist in Wirklichkeit
eine Schweinerei und darf so nicht gefragt werden!
Nächste Frage, auch wiederum öffentlicher Verkehr. Wir haben
ursprünglich in einer Kampagne zu den Tarifen 24 Stunden U-Bahn verlangt.
Die ÖVP ist im Sommer draufgegangen und hat das jetzt natürlich massiv
forciert. Jetzt steht da: „Sind Sie dafür, dass die U-Bahn am Wochenende auch
in der Nacht fährt: Ja oder Nein?“ Wäre eine schöne Frage im Grunde genommen.
Da kann man sagen: Ja, Nein, jeder kann es sich überlegen. Dann steht davor, in
Wien fahren täglich Nachtbusse von 0.30 Uhr bis 5 Uhr, das kostet
5 Millionen und bewirkt veränderte Fahrtrouten der Nachtbusse am
Wochenende. Das heißt, schon wieder sage ich den Leuten: Ein Blödsinn,
schreibt’s „Nein“ hin, braucht man nicht. Ja, das ist ja keine Art und Weise,
wie man gefragt wird.
Beim Hundeführerschein kann man übrigens darüber streiten, ob die Frage
ein bissel semantisch unscharf formuliert ist, ob der Kampfhund jetzt den
Führerschein braucht oder der Hundehalter. Das finde ich einen interessanten
Aspekt: Bitte um den Führerschein, lieber Hund. Das hätte ich mir gerne
angeschaut, wie das dann passiert. Aber ganz egal. Da kann man vielleicht noch
den Satz ändern. Aber wenn er beschlossen wird, dann wird er wohl so bleiben.
Aber Faktum ist noch einmal. Wir haben ein Konvolut von Fragen, wo die
SPÖ im Grunde genommen nichts anderes tut als: Jetzt haben wir ganz schlecht
gewertet zwischen 36 und 38, da müssen wir eigentlich raus. Was könnten wir
machen? Na gut, okay. Dann denken alle scharf nach und es kommt plebiszitäre
Demokratie heraus. Keine Frage, so ist es rausgekommen. Irgend etwas müssen wir
machen, dass wir da rauskommen. Wie schwierig ist es überall gewesen herauszubringen,
dass es endlich bei einem wirklich kontroversiellen Thema in den Bezirken eine
AnrainerInnenbefragung gibt. Und jetzt auf einmal! Das nächste Mal fragen wir,
wie spät es ist. Die Leute sollen darüber abstimmen, ob sie römische Ziffern
oder arabische Ziffern auf der Uhr haben wollen oder was auch immer. Ich denke
mir nur, gerade dann zu sagen, das Kleine Glücksspiel, das brauchen wir nicht -
die Frage haben wir da herinnen schon einmal abgestimmt -, das ist eine
Wahnsinnsgeschichte. Ich habe mir vor Kurzem im Fernsehen einen Beitrag
angeschaut, ich glaube, das Thema war das Kleine Glücksspiel, und da hat man
Betroffene gesehen. Die haben darüber geredet, wie es ihnen so geht und diese
Kleine Glücksspiel-Geschichte oder das, was da passiert mit den Abhängigen,
weil das so wie Drogenabhängigkeit ist. Und ich war völlig überrascht, wie viel
Geld da in ganz Österreich in die Kassen hereingespielt wird. Es sind
13 Milliarden EUR! Das ist ein gutes Geschäft. Und wenn man noch
bedenkt, wie viele Bundesländer das zulassen! Ganz, ganz wenige nur. Und Wien
macht dieses Geschäft gut.
Da denke ich mir, offensichtlich hat sich die SPÖ die ganze Geschichte
schon wohl überlegt, weil was wird rauskommen? Also Frage 1: klar. Frage 2:
auch klar. Die Frage 5: auch nicht schlecht. Und die anderen zwei, die
Öffi-Frage oder die City-Maut-Frage? Na, da dodeln wir die Opposition runter!
Genau das ist das, was Sie immer machen. Und da denke ich mir: Liebe
Sozialdemokratie, spielt nicht mit uns! Es ist in Wirklichkeit eigentlich eine
demokratische Angelegenheit und bei demokratischen Angelegenheiten werden die
Fragen gemeinsam formuliert und nicht einsam beim Herrn Bürgermeister zu Hause.
- Danke schön! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Günther Reiter:
Herr Professor, wir sind hier im Wiener Gemeinderat und nicht im Schlachthof,
weil einige Male das Wort „Schweinerei“ gefallen ist.
Zum Wort gemeldet ist Herr Dr Ulm. Ich bitte ihn zum Rednerpult. (Aufregung
bei den GRÜNEN.)
GR Dr Wolfgang Ulm (ÖVP-Klub der
Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr
verehrten Damen und Herren!
Es ist schon eine ganz interessante Debatte und eine ganz interessante
politische Situation, die wir heute haben, denn selten habe ich in der
Vergangenheit die SPÖ so alleine in einer Diskussion gesehen und so auf
verlorenem Posten wie das heute der Fall ist. (Beifall bei der ÖVP.)
Sie tun sich schon ein bissel schwer mit Ihrem
eigenen Schachzug. Jetzt nach 18 Jahren kommen Sie drauf, Sie müssen sich als
die Freunde der Demokratie und als die Freunde der Wähler gerieren und glauben
auch noch, dass Ihnen das jemand abnimmt. Dieser politische Schachzug - der ist
unehrlich und der ist unglaubwürdig. Das nimmt Ihnen niemand ab, sehr geehrte
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