«  1  »

 

Gemeinderat, 55. Sitzung vom 18.12.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 123

 

zum Wohle der hier lebenden Menschen und zur positiven Entwicklung dieser Stadt geschehen ist. Die Wiener Sozialdemokratie wird daher heute vorschlagen, eine Volksbefragung zu fünf wichtigen Fragen der Stadt abzuhalten.

 

Die erste Frage betrifft die Wiedereinführung von Hausbesorgern: Die österreichische Bundesregierung hat im Jahr 2001 die Möglichkeit der Anstellung von Hausbesorgern gesetzlich abgeschafft. Seither sind tausende Hausbesorger durch Hausbetreuungsfirmen ersetzt worden, und zwar meist nicht zur Freude der betroffenen Bewohner. Deshalb ist in den letzten Jahren von vielen Menschen der Wunsch nach einer Wiedereinführung von Hausbesorgern, allerdings mit einem neuen, zeitgemäßen Berufsbild geäußert worden. Weil in den Gesetzen die Neuregelung auf Bundesebene bis heute nicht zustande gekommen ist, stellt sich die Frage, ob Wien eigenständig die Möglichkeit schaffen soll, dass Hausbesorger wieder angestellt werden können.

 

Zweitens geht es um die Frage der Ganztagsschule: Internationale Studien zeigen, dass die Ganztagsschule einerseits den entscheidenden Faktor für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellt und andererseits das Bildungsniveau der Bevölkerung deutlich hebt. Für eine Wirtschaft, die leistungs- und wettbewerbsfähig sein will und es auch sein muss, sind das zwei ganz wichtige Faktoren.

 

Ganztagsschule bedeutet, den Schulunterricht in einer verschränkten Form von Unterrichts- und Freizeitphasen am Vormittag und am Nachmittag zu bestreiten. Das begünstigt die Lern- und Lehrkultur, weil auf die Bedürfnisse der Kinder besser eingegangen und mehr Freude an der Schule vermittelt wird. Wien ist Vorreiterin, wenn es um moderne Schulformen geht. Hier gibt es mehr Ganztagsschulen als in allen anderen Bundesländern, weil sich dieser pädagogische Weg, auch wenn er mehr kostet, für die Kinder und deren Eltern als bester Weg bewährt hat.

 

Es ist mit Sicherheit kein Zufall, dass gerade die katholischen Eliteschulen als Ganztagsschulen geführt werden. Dennoch ist die Ganztagsschule nach wie vor umstritten. Ich habe aus der politischen Diskussion noch Begriffe wie „Zwangstagsschule“ in Erinnerung. Daher soll die Frage gestellt werden, ob das flächendeckende Angebot der Ganztagsschule in Wien stattfinden soll.

 

Ich mache hier keinen Hehl aus meiner Meinung, dass diese Form der Schule den längst überfälligen Schritt in das 21. Jahrhundert bedeutet. Auf den Punkt gebracht: Dieses Schulmodell ist modern, sinnvoll und an den Bedürfnissen der Arbeitswelt orientiert. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Drittens geht es um die Einführung einer City-Maut: Diese Frage erhitzt seit Jahren die Gemüter. Wie alle Großstädte weist auch Wien ein hohes Verkehrsaufkommen durch Kraftfahrzeuge in den dicht bebauten Stadtgebieten auf. Einige Großstädte wie London oder Stockholm haben zur Bewältigung des innerstädtischen Verkehrs eine Einfahrtsgebühr für das Stadtgebiet oder Stadtzentrum eingeführt. In Wien konnte bislang durch die Verkehrspolitik, durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, durch Parkraumbewirtschaftung, durch Wohnsammelgaragen und durch den Ausbau des Radwegenetzes der Autoverkehr in der Stadt reduziert werden. Aber es stellt sich die Frage, ob eine weitere Maßnahme, nämlich die viel diskutierte City-Maut, als Lösung gewünscht wird.

 

Auch die vierte Frage beschäftigt sich mit Mobilität in der Stadt: Es gibt von verschiedenen Seiten ein entsprechendes Interesse und den Vorschlag, die U-Bahn in Wien in den Nächten von Freitag auf Samstag und von Samstag auf Sonntag durchgehend fahren zu lassen. Zwar gibt es seit 1995 das bewährte flächendeckende System der Nachtbusse, doch das scheint vielen offensichtlich nicht ausreichend zu sein.

 

Klar ist: Ein verlängerter Betrieb der U-Bahn kostet natürlich mehr Geld. Klar ist weiters, dass die Nachtbusse bleiben, dass aber eine Änderung der Nachtbusrouten am Wochenende notwendig werden würde, weil Parallelführungen wenig Sinn machen. Auch in diesem Punkt sollen die Wienerinnen und Wiener, jung und alt, entscheiden, wie das System des öffentlichen Verkehrs weiterentwickelt werden soll.

 

Die fünfte Frage betrifft das Thema „Ordnung und Zusammenleben in der Stadt“. Es geht darum, ob für Halter von besonders zu kennzeichnenden Hunden ein verpflichtender Hundeführschein eingeführt werden soll. Immer wird hier von Vorfällen berichtet, bei denen Hundehalter ihre so genannten Kampfhunde gleichsam als Waffe einsetzen. Ebenso ist es in den vergangenen Monaten vermehrt zu Verletzungen durch solche Tiere gekommen, und es hat bereits auch tragische Todesfälle gegeben.

 

Weil die Leinen- und Beißkorbpflicht in manchen Fällen offensichtlich nicht ausreicht, erscheint es notwendig und zweckmäßig, über weitere Schritte nachzudenken. Einen Hundeführschein, der eine fundierte Ausbildung für Hundehalter bietet, gibt es bisher nur auf freiwilliger Basis. Nun gilt es zu entscheiden, ob diese Freiwilligkeit, zumindest für so genannte Kampfhunde, in eine Verpflichtung umgewandelt werden soll. Experten müssen dabei noch definieren, welche Hunde als solche einzustufen sind.

 

Meine Damen und Herren! Die Wiener Bevölkerung soll in den kommenden Wochen die Möglichkeit haben, diese fünf Fragen zu diskutieren, alle Für und Wider kennenzulernen, abzuwägen und am Ende eine Entscheidung zu treffen. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung ausreichend und ausgewogen mit Informationen versorgt wird. – Ich ersuche die politischen Parteien, das verantwortungsbewusst zu tun, ich ersuche aber auch die Medien, diesen demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess entsprechend zu unterstützen!

 

Die Volksbefragung soll an drei aufeinander folgenden Tagen vom 11. bis 13. Februar 2010 stattfinden. Der Wiener Bevölkerung werden bereits Ende Jänner die Stimmkarten an ihre Haushalte zugesandt werden. Es wird bei einer Volksbefragung erstmals schon ab Zustellung die Möglichkeit der Abgabe der Stimmkarte auch im

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular