Gemeinderat,
55. Sitzung vom 18.12.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 15 von 123
das Denkmalamt beziehungsweise die MA 19 angelegt wird, allzu eng
ist. Diese Argumentation gibt es genauso.
Daher ist es unsere Aufgabe, dass wir durch fast mediative Tätigkeit,
immer natürlich auf der Basis der entsprechenden rechtlichen Grundlagen,
versuchen, entsprechende Kompromisse herbeizuführen. Selbstverständlich bin ich
dafür, dass Denkmalschutz gerade im Hinblick auf den Schutz unserer gebauten
Geschichte seine Anwendung zu finden hat, nicht nur in der Innenstadt, nicht
nur im Bereich Weltkulturerbe, sondern auch in jenen gewachsenen, fast
dörflichen Strukturen, die ich als Ottakringer natürlich in besonderem Ausmaß
gut kenne, wo zweifelsohne in der Geschichte dabei auch schon einiges Unheil
passiert ist und der letzte Rest des alten Tores vor lang zurückliegender Zeit
gerade noch gerettet werden konnte, woran ein gewisser Helmut Zilk nicht
unmaßgeblich beteiligt gewesen ist.
Aber gerade da haben wir natürlich so vorzugehen, dass die Stadt sich
entwickeln kann, aber natürlich unsere gebaute Geschichte auch tatsächlich
geschützt wird. Das ist nicht immer einfach, da sind sicherlich auch
Kompromisse zu schließen. Ich gehe davon aus, dass heute eine wesentlich höhere
Sensibilität vorhanden ist, als das vielleicht noch vor 10, 20 oder
30 Jahren der Fall gewesen ist.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Die 2. Zusatzfrage wird
von GRin Mag Ringler gestellt.
GRin Mag Marie Ringler (Grüner Klub im Rathaus):
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Wir bleiben gespannt, ob Sie bei der Frage der Umgestaltung des
Stephansplatzes auch so viel Wert auf den Denkmalschutz legen werden.
Aber ich möchte zurückkommen zum Lueger-Denkmal. Wir GRÜNE haben schon
seit vielen Jahren das Anliegen, den Dr-Karl-Lueger-Ring umzubenennen. Es ist
auch nicht das erste Mal, dass in dieser Stadt ein historisches Denkmal aus
guten Gründen umgestaltet wird. Ich will Ihnen ein Beispiel aus einem Bezirk
geben, der SPÖ-regiert ist. An einem städtischen Haus wurde vor einigen Jahren
ein Fresko, das von einem Nazi-Maler gestaltet wurde, von der Künstlerin Ulrike
Lienbacher umgestaltet. Das haben wir als GRÜNE und auch Sie als SPÖ sehr
begrüßt und auch für richtig gehalten.
Warum wir glauben, dass gerade das Lueger-Denkmal von besonderer
Bedeutung als auch in einen entsprechenden historischen Kontext zu stellen ist,
ist unter anderem damit begründet, dass er wirklich ein miserabler Antisemit
war. Damit wir uns das alle noch einmal kurz vor Augen führen, möchte ich ganz
kurz Lueger im O-Ton zitieren, aus einer Rede von 1899: „Der Einfluss auf die
Massen ist bei uns in den Händen der Juden. Der größte Teil der Presse ist in
ihren Händen. Der weitaus größte Teil des Kapitals und speziell das Großkapital
ist in Judenhänden. Die Juden üben hier einen Terrorismus aus, wie er ärger
nicht gedacht werden kann." - Und weiter: „Aller Zwist, auch der, der bei
uns in Österreich herrscht, ist darum durch die Juden entfacht. Alle
Anfeindungen unserer Partei rühren daher, weil wir der Herrschaft der Juden
endlich einmal zu Leibe gerückt sind."
Sehr geehrte Damen und Herren, ungeachtet sonstiger politischer
Errungenschaften der Zeit Luegers halten wir diese Aussagen für inakzeptabel!
Daher begrüßen wir die Umgestaltung des Lueger-Denkmals sehr.
Ich frage Sie daher, ob Sie sich vorstellen können, hier doch noch
einmal Ihre Position zu überdenken und in einem gut eingebetteten sinnvollen
historischen Kontext hier auch Geldmittel der Stadt Wien zur Verfügung zu
stellen.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Herr
Bürgermeister.
Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrte Frau Gemeinderätin!
Ich bedanke mich sehr für den historischen Nachhilfeunterricht. Es wird
Sie wahrscheinlich nicht überraschen, dass es mir nicht besonders fremd war,
was Sie mir hier erzählt haben. Ich habe auch zu keiner Sekunde die Idee, dass
ich hier nunmehr als Ex-offo-Verteidiger der gesamten historischen
Persönlichkeit des Dr Karl Lueger auftrete. Denn es steht außer jedem
Zweifel, dass er und natürlich auch seine damalige Christlichsoziale Partei
einem populistischen Antisemitismus gehuldigt haben, dass sie sich in erster
Linie natürlich mit den Angriffen der Deutschnationalen unter Schönerer, der
seltsamerweise in all den Argumentationen nicht vorkommt, und mit den
tatsächlichen Liberalen, wie etwa dem Vorvorgänger von Lueger,
auseinanderzusetzen hatten, die alles andere als antisemitisch gewesen sind,
sondern dies eigentlich auch ihre grundsätzliche Abgrenzung gewesen ist. Ich
meine, wir wissen auch, warum sie letztendlich auch verloren haben, weil dies
in die Zeit der Eingemeindung der Vorstädte, unter anderem Ottakring, gefallen
ist. Das war letztendlich auch das Ende der Stimmenmehrheit der Liberalen in
dieser Stadt. Also es ist zu meinem tiefen Bedauern und von mir immer wieder in
keiner Phase meines politischen Lebens geleugnet, in eine verurteilte Periode
eines populistischen Antisemitismus gefallen, in der Lueger zweifelsfrei nicht
alleine war.
Aber ich möchte Sie schon sehr ersuchen: Eine Gleichsetzung von Lueger mit
Hitler, eine Gleichsetzung des Antisemitismus der damaligen Zeit mit dem
Nationalsozialismus würde ich für schwer verwerflich halten! Das sage ich ganz
offen, denn das ist nicht vergleichbar! Der Massenmord der Schoah ist nicht
vergleichbar mit dem zu verurteilenden, niemals zu akzeptierenden
Antisemitismus des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Das ist dabei für mich
außer jedem Zweifel.
Daher denke ich, wenn man das ernsthaft diskutieren
will, dass ich natürlich dabei bleibe, dass es nicht darum geht, die
historische Statue einer historischen Persönlichkeit entsprechend zu verändern,
aber dass ich durchaus der Auffassung bin, dass man selbstverständlich
erklärend, sich auseinandersetzend mit Zeit und Person, tatsächlich in einen
historischen Kontext, wie gesagt, hineinstellend, dort eine entsprechende Tafel
anbringt oder in anderer sinnvoller Form entsprechend darauf hinweist, so wie
wir das am Judenplatz gemeinsam mit
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