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Gemeinderat, 53. Sitzung vom 24.11.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 101

 

schade, dass es in diesem Bereich nach wie vor zwar Bemühungen gibt, aber viel zu wenig finanzielle Ressourcen, um eine Politik so umzusetzen, wie sie eben einer Stadt mit einer derartigen Bevölkerungsstruktur und Zusammensetzung auch würdig wäre. Das heißt, Sie erkennen es.

 

Mein erster Kritikpunkt lautet ganz klar: Das Budget, so wie es zur Verfügung steht für Integrationsmaßnahmen, es könnte weitaus üppiger ausfallen. Es hat zwar in den letzten Jahren immer ein bisschen mehr Geld gegeben in dem Bereich, das möchte ich auch begrüßen, aber, einmal mehr, es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, es ist nach wie vor viel zu wenig. Und das möchte ich nicht nur so allgemein in den Raum stellen, ich möchte es danach auch belegen.

 

Aber zunächst möchte ich eher zu dem Problem kommen, das meiner Meinung nach den zentralen problematischen Aspekt in der Integrationspolitik darstellt. Das ist allen voran, noch bevor wir darüber reden, dass uns das Geld fehlt, die fehlende Perspektive. Es fehlt uns die Perspektive, es fehlt uns das ganz konkrete klare Ziel, was wir eigentlich mit unseren integrationspolitischen Maßnahmen in einer Stadt wie Wien bezwecken. Ich glaube aber, dass dieses Ziel nicht aus einem Zufall heraus fehlt, sondern das Ergebnis dessen ist, dass wir vier Fraktionen, so wie wir hier im Gemeinderat vertreten sind, absolut unterschiedliche Ansichten haben, was das sein soll, und auch absolut unterschiedliche Ziele verfolgen.

 

An dieser Stelle sei mir gestattet zu sagen, mir ist vollkommen klar, welches Ziel von der FPÖ verfolgt wird, ich bin mir halbwegs im Klaren, welche integrationspolitischen Vorstellungen wahrscheinlich die ÖVP hat – die möchte ich etwas polemisch so zusammenfassen: man soll brav sein, schön grüßen und halt seine Arbeit verrichten und nicht weiter auffallen, dann ist man integriert –, eine Kritik, die ich aber an jene Fraktion zu richten habe, die hier in diesem Haus regiert, das ist die SPÖ, ist, dass es mir nach wie vor nicht klar ist, worauf es hinausläuft. Was ist das Ziel der Integrationspolitik der SPÖ? Es wird ja Rednerinnen und Redner nach mir geben, vielleicht wird es die Möglichkeit geben, dass es jemand auf den Punkt bringt, vielleicht macht es die Frau Stadträtin.

 

Ich kann sagen, für mich ist das Ziel einer ernst gemeinten Integrationspolitik schlussendlich etwas, das auf eine ziemlich simple Formel hinausläuft: Aus Zuwanderern und Zuwanderinnen macht Wiener und Wienerinnen. Das klingt einfach, hat aber einen emotionalen Aspekt und einen praktischen Aspekt.

 

Der emotionale Aspekt dürfte uns auch allen klar sein. Man schafft es, dass Menschen, die zugewandert sind, sich mit der Stadt positiv identifizieren – ich gehe sogar einen Schritt weiter –, Wien lieben, ja sogar stolz sind, Wienerinnen und Wiener zu sein, und sie bezeichnen sich auch so. Das setzt voraus, meine Damen und Herren, dass sie sich willkommen fühlen, und das setzt auch voraus, dass sie in den ersten Jahren nach der Neuzuwanderung eine Form von Begleitung und Betreuung haben, die vielleicht gerade diese emotional allerersten und sehr entscheidenden Jahre positiv verlaufen lässt und ihnen das Gefühl gibt: Ja, du bist willkommen, ja, wir wollen dir alle Mittel und Möglichkeiten mit auf den Weg geben, damit du auch einen positiven Weg in dieser Stadt hinter dich bringen kannst.

 

Und damit bin ich beim zweiten Punkt, also beim praktischen Aspekt. Der praktische Aspekt lautet ganz einfach, Chancen zum Erfolg zu haben. Denn Sie werden, glaube ich, auch nachvollziehen können, dass eine positive Integrationsgeschichte für jeden einzelnen Zuwanderer in jeder Stadt weltweit schlussendlich als Voraussetzung hat, dass man die eigene Migrationsgeschichte als Erfolgs-Story erlebt. Wenn man sein eigenes Land verlässt und woanders hinwandert, um dort zu leben und zu arbeiten, so tut man dies in der Hoffnung, dort bessere Verhältnisse aufbauen zu können. Und wenn das gelingt, ist man in der Regel dankbar – so einfach ist das! – und darüber hinaus aufgeschlossen und bereit, sich mit jener Gesellschaft zu identifizieren, die einem die Mittel und Möglichkeiten gegeben hat, zu diesem Erfolg zu finden.

 

Das heißt, meine Damen und Herren, wenn wir tatsächlich ernsthaft von einer Integrationspolitik sprechen, dann sollten wir mehr, entschieden mehr Geld in die Hand nehmen, doch dieses Geld sollten wir klug investieren in Wege und Maßnahmen, die diesem Ziel dienen, so wie ich es gerade eben geschildert habe.

 

Damit möchte ich, weil ich ja auch nicht allzu viel Zeit habe, mich auf einige wenige Aspekte konzentrieren, die ich kritisch sehe insofern, als dass ich sage, ja, es gibt Bemühungen, es gibt überall Bemühungen auf dem Gebiet der Integrationspolitik, aber es reicht einfach bei Weitem nicht aus, um tatsächlich auch von einer gelungenen Integrationspolitik der Stadt Wien sprechen zu können.

 

Ich möchte mit der Orientierungsphase beginnen. Meiner Meinung sind wir vom kanadischen Vorbild meilenweit entfernt. Ja, es gibt nun einmal eine erste Orientierungs- und Begleitungsphase für Neuzuwanderer und Neuzuwanderinnen, aber was es braucht in der Stadt, ist nicht nur die Möglichkeit, nach der Neuzuwanderung rasch ausgezeichnet Deutsch zu lernen, sondern darüber hinaus eine individuelle Begleitung, die berücksichtigt, welche Fertigkeiten, welche Qualifikationen ein Zuwanderer oder eine Zuwanderin mit sich bringt, die hilft, Qualifikationen aus dem Ausland anerkennen zu lassen in Österreich, und die innerhalb eines knappen Zeitraums sicherstellt, dass Neuzuwanderer die Möglichkeit haben, sich zunächst einmal selbst zu erhalten und darüber hinaus auch einen positiven beruflichen Erfolg erzielen zu können. Es ist gut für sie, es ist gut auch für die Stadt.

 

Und, ja, innerhalb dieser Orientierungsphase sollten auch Familienangehörige miterfasst werden und betreut werden, die nicht primär zu dem Zweck eingewandert sind, um zunächst einmal in den Arbeitsmarkt zu gehen. Das heißt, ich spreche beispielsweise auch von Ehefrauen, die in vielen Fällen – meistens ist es ja der Mann, der

 

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