«  1  »

 

Gemeinderat, 51. Sitzung vom 24.09.2009, Wörtliches Protokoll  -  Seite 72 von 83

 

Jahren verankert wurde, der irrt. Es sind nicht nur unzumutbare Belästigungen, es ist, wie auch das Oberlandesgericht bereits festgestellt hat, Psychoterror - seit mehr als zehn Jahren.

 

Sie erinnern sich sicher: Die ersten Medienberichte dazu kamen 1998, 1999. Also vor genau zehn Jahren gab es den ersten Antrag der GRÜNEN im Nationalrat auf Schutzzonen. Seither ist nicht sehr viel passiert. Frau Dr Pilz hat es schon angesprochen, es gibt eine Reihe von Entschließungen des Europäischen Parlaments gegen diese Radikalisierung in der Abtreibungsfrage und auch zur Bestrafung dieser so genannten religiösen Eiferer, die diesen Psychoterror ausüben. Zuletzt hat auch der Europarat 2008 in dieser Frage eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten ausgesprochen, diese Probleme doch ernsthaft anzugehen und wirklich auch mit Strafen gegen diesen Psychoterror vorzugehen.

 

Wir sprechen bei diesem Psychoterror von Gewalt, die seit über zehn Jahren auf den Straßen und zum Teil auch in den Häusern selbst, in den Einrichtungen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, quasi geduldet ist. Wo bleibt hier der Aufschrei der Politik? Wo bleiben die Lösungen?, fragen wir GRÜNEN. Bis auf das Landes-Sicherheitsgesetz, das 2005 verschärft wurde und womit ein Wegweiserecht eingeführt wurde, hat sich in dieser Frage nicht viel getan. Und wir wissen, dass dieses Wegweiserecht auch nicht greift. Es hat keine Sanktionen vorgesehen, es ist nicht nachhaltig. Die Polizei weist zwar die radikalen Eiferer weg, aber sie sind fünf Minuten oder zehn Minuten später wieder da. Und wer glaubt, dass das einzelne Personen und einzelne religiöse Eiferer sind, der irrt. Es ist eine sehr gut organisierte, sehr gut international vernetzte und auch finanziell sehr gut ausgestattete, sehr hoch dotierte internationale Vereinigung, HLI - Human Life International -, die hier am Werk ist und diesen Psychoterror ausübt.

 

Was passiert? - Nur um das zu veranschaulichen: Frauen vor Antreibungskliniken werden beleidigt, als Mörderinnen beschimpft, bedrängt, bedroht, man stellt sich ihnen direkt in den Weg und hindert sie am Betreten des Hauses - nicht nur Frauen, die eigentlich in die Klinik wollen, sondern alle Frauen, auch diejenigen, die in diesem Haus wohnen oder die nur zufällig in dieses Haus hineingehen, weil sie jemanden besuchen oder weil sie, wie ich, einen politischen Termin dort haben, oder aus anderen Gründen. Alle diese Frauen werden festgehalten, es werden ihnen Gegenstände überreicht, die Frauen werden fotografiert, es wird von den radikalen Eiferern minutiös Buch geführt, es werden Fotos gemacht, Autos fotografiert, Auto-Kennzeichen aufgeschrieben, es wird festgehalten, wer denn da vor diesen Kliniken parkt, wer dort hineingeht, und das während der gesamten Öffnungszeiten der Kliniken. Das ist also kein Einzelfall, der nur ab und an passiert, sondern es passiert jeden Tag zu den Öffnungszeiten der Kliniken in dieser Stadt. Manche Frauen werden beim Verlassen der Klinik sogar bis in die U-Bahn hinein verfolgt, als Mörderinnen beschimpft und quasi wie Freiwild behandelt.

 

Das hat nicht nur psychische Folgen für die Frauen - meine Vorrednerin hat es schon angesprochen -, das hat selbstverständlich auch eine gesundheitspolitische Dimension. Denn gerade durch die Belästigung vor und auch direkt nach diesem sensiblen medizinischen Eingriff sind die Patientinnen einer extremen psychischen Stresssituation ausgesetzt, die sich selbstverständlich auch negativ auf die Heilungschancen auswirkt.

 

Dieses Problem hat also nicht nur eine - ich nenne sie - moralisch-politische oder frauenrechtlerische, sondern es hat auch eine starke gesundheitspolitische Komponente. Auch das medizinische Personal, das tagtäglich diesen wiederkehrenden Belästigungen ausgesetzt ist, ist entsprechend betroffen. Und ich denke, es ist einer Stadt wie Wien unwürdig, wirklich unwürdig, einen solchen Zustand seit über zehn Jahren zu dulden. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Es kann nicht sein, dass der Zugang zu einer medizinischen Leistung für Frauen ein Spießrutenlauf ist, noch dazu für Frauen in Krisensituationen, und dass dieser Spießrutenlauf mit Gewalt einhergeht und damit gesundheitsgefährdend ist. In keinem anderen Bereich, meine Damen und Herren, glaube ich, ist es vorstellbar, dass Menschen über Jahre derartig belästigt werden, aber mit Frauen kann man es ja anscheinend machen.

 

Eine aktuelle Umfrage des Integral-Instituts bestätigt übrigens auch den dringenden Handlungsbedarf. Es gab vor ein paar Wochen eine Blitzumfrage, in der Frauen direkt über ihre Meinung zu den Abtreibungsgegnern befragt wurden: Ob sie von ihnen gehört haben und ob sie sich durch die Situation vor den genannten Kliniken auch belästigt fühlen. 92 Prozent der befragten Frauen haben angegeben: Ja, sie fühlen sich massiv belästigt und auch bedroht. Und die überwiegende Mehrheit der Frauen hat zum Teil von sich aus, wie wir gehört haben, hier Maßnahmen verlangt, und zwar strenge Maßnahmen - wie sie auch, wie wir gehört haben, in anderen Ländern wie Frankreich möglich sind -, hat Schutzzonen verlangt oder eine bundesgesetzliche Regelung, jedenfalls ein Verbot dieser religiösen Aktivitäten.

 

In Österreich fehlen uns bisher - ich habe das angesprochen - entsprechende politische Schritte. Außer der Novellierung des Landes-Sicherheitsgesetzes, die nicht viel gebracht hat, ist hier nicht viel geschehen. Die beste Lösung in dieser Frage - und zu dieser bringen auch die SPÖ und die GRÜNEN heute einen gemeinsamen Antrag ein, Frau Dr Pilz hat es schon angesprochen - wäre sicher eine bundesgesetzliche Lösung, eine bundesgesetzliche Lösung nach dem französischen Vorbild: In Frankreich besteht seit 2001 ein Verbot, Frauen an einem Schwangerschaftsabbruch oder an den nötigen Voruntersuchungen zu hindern. Dieses Verbot hat auch zu einem sofortigen Stopp der Aktivitäten dieser radikalen AbtreibungsgegnerInnen geführt. Es ist ein sehr erfolgreiches Gesetz. Es war natürlich bei seiner Einführung in Frankreich umstritten, aber mittlerweile ist es aus der dortigen Rechtsprechung nicht mehr wegzudenken. Und es lässt sich mithin sagen, dass Österreich hier eine dramatische Gesetzeslücke aufweist, nämlich: Dieses Verbot, eine Frau am Schwangerschaftsabbruch zu

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular