Gemeinderat,
48. Sitzung vom 22.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 58 von 118
sozioökonomische Projekte, die in leerstehenden
Lokalen angesiedelt werden und so zu einer Belebung von Einkaufsstraßen
beitragen könnten, gefördert werden. Das sollte als Ausgleich für den Mehrwert,
den die Nahversorgung für die Stadt bringt, dienen.
Weiters fordern wir Infrastruktur und Ressourcen für
AnrainerInnenbefragungen und echte Bürgerbeteiligungsverfahren zur Belebung von
Geschäftsstraßen, Märkten und Nahversorgungsunternehmen, denn wenn die Bürger
und Bürgerinnen bei der Gestaltung ihrer Wohngegend und –umgebung mitreden
können, dann werden sie das Ergebnis annehmen und auch selbst zur Belebung der
Einkaufsstraßen und Märkte beitragen.
Es sollte auch ein Nahversorgungsmanagement geben.
Auch das ist kein grünes Hirngespinst, auch das gibt es in anderen Städten, zum
Beispiel in Nürnberg, wo es Stadtteilbeauftragte gibt, die Kontakt mit
Hausbesitzern und Hausbesitzerinnen sowie mit Nahversorgungsläden und kleinen
Handelsketten aufnehmen, um den Branchenmix in den Einkaufsstraßen besser
steuern zu können und Betriebsansiedelungen zu vermitteln.
Zuletzt wünschen wir uns die gezielte Anmietung
leerstehender Geschäftslokale durch die Stadt Wien, um den Branchenmix besser
steuern zu können. Ich bringe somit den Antrag ein.
Damit die Nahversorgung gefördert werden kann, bedarf
es natürlich auch rechtlicher Rahmenbedingungen. Zum Beispiel ist ein Verbot
von Ein- und Ausfahrten entlang von Geschäftsstraßen vonnöten, damit die
Geschäftslokale nicht in Garagen umgewandelt werden. Gegen Spekulation muss
vorgebeugt werden, zum Beispiel durch eine Leerstandsabgabe für lange
leerstehende und nicht angebotene Geschäftslokale, so wie es das in Belgien
gibt. Das Mietrecht muss reformiert werden, denn im Moment ist es für
Kleinbetriebe oft nicht möglich, wenn jemand in Pension geht, den Betrieb zu
übergeben, da die Miete danach so stark erhöht wird, dass sich das niemand mehr
leisten kann.
Auf der anderen Seite sollten natürlich die Kosten,
die Großmärkte und große Einkaufszentren verursachen, auch umgeleitet werden,
das heißt, sie sollen nicht von der Allgemeinheit getragen werden.
Diesbezüglich würden wir uns eine Verkehrserregerabgabe und/oder eine
Flächenverbrauchsabgabe vorstellen.
Ich komme jetzt zu einem ganz konkreten Problemfeld
in dieser Stadt, für welches ganz dringend konkrete Maßnahmen benötigt werden,
und zwar betreffend den Bereich rund um die Liechtensteinstraße, die
Alserbachstraße und den Liechtenwerder Platz im 9. Bezirk. Wir haben schon im
Dezember darauf aufmerksam gemacht, dass es dort mit der Nahversorgung ziemlich
schlimm steht und es sehr viele Leerstände gibt.
Es gibt jetzt eine Studie der Wirtschaftskammer Wien
zu diesem Problembereich. Die Wirtschaftskammer ist zu demselben Ergebnis
gekommen und hat Alarm geschlagen. Es wurden aber nach unserer Meinung nicht
die richtigen Schlüsse daraus gezogen. Wirtschaftskammerpräsidentin Jank hat
nämlich erklärt, dass sie diese Straßen nicht mehr für eine
Geschäftsansiedelung empfiehlt. Offenbar sind also für den Wirtschaftsbund
Nahversorgung und eine Stadt mit Lebensgefühl auch für weniger mobile Menschen
kein Anliegen!
Für uns bedeutet diese Studie jedoch: Es sind
dringend konzertierte Maßnahmen nötig.
Bezirksvorsteherin Malyar von Alsergrund war
ebenfalls sehr empört über die Empfehlung der Wirtschaftskammerpräsidentin und
hat Alarm geschlagen, aber sie hat keine Maßnahmen gesetzt und auch keine
Maßnahmen vorgeschlagen. Stattdessen wurde eine Unterschriftenaktion gestartet,
was zwar vielleicht eine nette PR-Aktion ist, aber keine Lösungen bringt.
Sie könnte als Bezirksvorsteherin natürlich viel mehr
machen, angefangen von einer freundlicheren Gestaltung des Straßenraums in
diesem Gebiet bis zur BürgerInnenbeteiligung. Natürlich könnte sie auch mit
ihren FraktionskollegInnen im Gemeinderat Maßnahmen beraten, vielleicht sogar
die gleichen, die wir im folgenden Antrag zusätzlich zu den allgemeinen
Forderungen aus meinem vorigen Antrag verlangen.
Dazu zählen die Einrichtung einer
Teilhabeinfrastruktur bis zur Wiederaufnahme der Agenda 21 und ganz spezifische
Maßnahmen für den Bereich Alserbachstraße, Althanstraße und Liechtensteinstraße
sowie ein effizientes Einkaufsstraßenmanagement. Wiederum sollen und können
hier die Erfahrungen aus ähnlichen Projekten einfließen.
Ganz wichtig wäre auch eine Überarbeitung von
Förderrichtlinien der Wirtschaftsförderung, die sich an den Bedürfnissen
kleinerer Gewerbetreibenden orientieren und belebende Maßnahmen und Aktionen
zum Beispiel aus dem Bereich der Kultur ermöglichen.
Ich bringe diesen Antrag ein und danke für die
Aufmerksamkeit. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Zu
Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Frau Vizebürgermeister hat für diese Geschäftsgruppe
das Schlusswort. – Bitte schön.
VBgmin Mag Renate Brauner: Sehr
geehrte Damen und Herren!
Das Motto der Oppositionsparteien bei der Debatte
sowohl im generellen Teil als auch im Spezialteil ist leider jedes Jahr
dasselbe: Sie machen unsere Heimatstadt und damit die Arbeit der Wiener und
Wienerinnen schlecht. – Das ist ärgerlich und traurig!
Ärgerlich und traurig ist es jedes Jahr, aber heuer,
sehr geehrte Damen und Herren, hat das Ganze leider noch eine neue Qualität:
Wir befinden uns nämlich in Zeiten einer ernsthaften Krise, und wir wissen
alle, dass diese Krise sehr stark auch eine Vertrauenskrise ist.
Aus diesem Grund sind die
Einstellung und der Zugang, wie wir mit den Dingen umgehen, ob wir Pessimismus
oder sogar Defätismus vermitteln oder ob wir den Menschen das Gefühl
vermitteln, dass wir ihnen Sicherheit und Halt geben und gemeinsam daran
arbeiten, ihnen gute Rahmenbedingungen zu schaffen, diesmal nicht nur eine
moralische Frage oder eine politische Frage im Sinne der Parteipolitik, sondern
eine ganz eminent wirtschaftliche Frage. Jedes weitere
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