Gemeinderat,
48. Sitzung vom 22.06.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 28 von 118
Ebene, weder auf österreichischer Ebene noch auf
Wiener Ebene. Immer noch ist es, obwohl niemand sich mehr das Wort
Neoliberalismus in den Mund zu nehmen traut, als zentrale Zugehensweise
Konkurrenz und Wettbewerb. Auch heute fordert im „Standard" zum Beispiel gerade wieder der
ÖVP-Generalsekretär noch mehr Wettbewerb, ohne zu sehen, dass im Endeffekt der
Wettbewerb, wie er in den letzten 20 Jahren funktioniert hat, zu einer
Monopolisierung geführt hat, viele kleine und Kleinstunternehmen aufgefressen
hat, viele mittelständische Unternehmen aufgefressen hat, zu
Gewinntransformationen geführt hat und damit hauptverantwortlich dafür war,
dass es zu einer Ungleichverteilung von Vermögen gekommen ist, die unsere
Gesellschaft vorher noch nie gesehen hat. Diese Ungleichverteilung und die
damit ausgelöste Spekulation ist hauptverantwortlich für die gegenwärtige
Krise, die noch lange nicht überstanden ist.
In diesem Sinne, Renate Brauner, habe ich eines heute
tatsächlich vermisst, weil neben den kleinen Ausblicken auf das Jahr 2009 gab
es überhaupt keine Ausblicke, wie wir gegenwärtig stehen. Glaubt man den
Steuerprognosen, die momentan durch die Medien geistern, wird es - selbst heuer
haben wir schon eine Reduktion um 5 bis 6 Prozent - nächstes Jahr noch einmal
zu einem Steuerentfall von rund 10 Prozent kommen, Gesamtsteuereinnamen von
63 Milliarden EUR auf 57 Milliarden EUR, was auch knapp
10 Prozent weniger Ertragsanteile für Wien bedeutet. Das heißt, die
Perspektive für Wien, heuer schon knappe 300 Millionen EUR weniger
als noch beim Voranschlag, geschätzt, nächstes Jahr knappe 600
Millionen EUR weniger, kulminiert, inflationsbereinigt knappe 800 und
nicht 900. Wo ist da der Weg aus der Krise? Da wird nichts aufgezeigt! Da gilt
es natürlich auch als Sozialdemokratie, nicht alle Vorschläge vom Tisch zu
wischen, sondern auch als Sozialdemokratie einmal auf die GRÜNEN zu hören, denn
irgendjemand muss dafür bezahlen, wenn wir die Wirtschaft ankurbeln wollen,
wenn wir Armut verhindern wollen, wenn wir einen ökologischen Umbau erreichen
wollen. Irgendjemand muss es bezahlen und das muss auch die ÖVP merken. Wenn es
nicht mehr Geld gibt, dann gibt es exorbitante Defizite, wo schon jetzt
angekündigt wird, es gibt nachher Belastungspakete. Wen werden die
Belastungspakete treffen? Die Superreichen hat noch nie ein Belastungspaket der
ÖVP getroffen! (StR Norbert Walter, MAS: Die zahlen eh schon übermäßig
viel!)
Das heißt, wenn man tatsächlich etwas ändern will,
dann muss man über neue Steuern reden, dann muss man über eine
Steuerumverteilung reden und dann muss man angesichts der extrem ungleichen
Vermögensverteilung auch von einer Vermögenssteuer reden. Das ist notwendig,
damit wir uns eine solidarische und gerechte Gesellschaft überhaupt noch
leisten können. Die Frage ist: Wollen wir uns diese leisten? Wollen wir uns
diese für Wien leisten? Wenn man diese mit Ja beantwortet, dann gibt es in der
gegenwärtigen Situation nur einen Ausweg, weil von den 3,4 Millionen Arbeitnehmern
und Arbeitnehmerinnen, die weniger als 2 000 EUR brutto verdienen,
wird man sich nicht viel holen können. So ist es eben, man kann nur dort Geld
abholen, wo auch eines ist. In der konkreten Situation, um für die Gemeinde Wien
genügend finanzielle Mittel zu haben und tatsächlich der Armutsgefährdung
entgegensteuern zu können, brauchen wir tatsächlich ein anderes Steuersystem.
Vielleicht noch als letzter Punkt zum Gesamtbudget
und zum Agieren der Stadt Wien: Ich habe im Rahmen der Geschäftsgruppe FiWi
durchaus noch die Möglichkeit, auf die einen oder anderen Spekulationsverluste,
Forderungsverluste et cetera einzugehen, aber eines möchte ich jetzt schon
anmerken und das habe ich auch in der Rede von Frau Finanzstadträtin Brauner
vermisst. Mittlerweile wird sogar im Geschäftsbericht der Wiener Stadtwerke
eine eigene Seite relativ umfangreich den Cross-Border-Leasing-Transaktionen
gewidmet, mit der Begründung, dass das wirtschaftliche Umfeld es erfordert, um
die genaue Situation der Wiener Stadtwerke darzustellen. Frau StRin Brauner,
über die Cross-Border-Leasing-Geschäfte der Stadt Wien und wie es dazu momentan
steht, haben Sie keinen Ton gesagt! Es ist mittlerweile offensichtlich, wir
haben im Vorjahr aus den Cross-Border-Leasing-Transaktionen einige Millionen
Euro Verlust hinnehmen müssen. Es wäre daher höchst an der Zeit, dass sie auch
dieses traurige Kapitel in der Geschichte der Wiener Finanzaktivitäten etwas
näher beleuchten, sich nicht weiterhin hinter etwaigen Verschwiegenheitsklauseln
verstecken, sondern deutlich machen, dass es ein Fehler war und dass sie in
Hinkunft mit solchen dubiosen Finanztransaktionen nichts mehr zu tun haben
wollen! - Ich danke Ihnen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächster am Wort ist Herr StR Walter.
StR Norbert Walter, MAS: Sehr geehrte
Frau Vorsitzende! Frau Vizebürgermeisterin! Geschätzte Kolleginnen und
Kollegen!
Wenn der Herr Kollege Lindenmayr Karl Kraus zitiert
hat, dann hat Karl Kraus auch gesagt: „Wir leben in Wien und nicht im
Vergleich." (Beifall bei der ÖVP.)
Einen Satz zum Kollegen Margulies: Es gibt auch von
unserer Seite ein klares Bekenntnis gegen Hetze, egal, von welcher Seite, aber
es gibt auch keine Toleranz gegenüber Kriminellen, das muss auch klar sein! Das
nur zu dem Punkt. (Beifall bei der ÖVP.)
Wenn wir heute hier zum
Rechnungsabschluss eine Diskussion führen und die Frau Vizebürgermeisterin die
Stadt Wien und damit natürlich auch die SPÖ hoch gelobt hat, dann meine ich,
dass es das Geschäft der Opposition ist, kritisch zu sein und nicht Ja und Amen
zu plappern. Es ist genauso schlecht, pauschal alles gutzureden, wie es genauso
schlecht ist, pauschal alles schlechtzureden. (GR Franz Ekkamp: Das ist richtig!) Aber Wirklichkeit muss auch
Wirklichkeit bleiben. So paradiesisch, wie Sie gesagt haben, sind die Zeiten
nicht, ist auch die Zeit in Wien nicht, denn sonst könnte man annehmen, dass
Sie und der Herr Bürgermeister
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