Gemeinderat,
46. Sitzung vom 29.04.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 3 von 113
(Beginn um 9 Uhr.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Meine
sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen!
Ich eröffne die 46. Sitzung des Wiener Gemeinderats.
Entschuldigt für die heutige Sitzung sind GRin
Korosec, GRin Mag Krotsch, GR Parzer und GRin Mag Vassilakou. Einzelne Personen
haben sich temporär entschuldigt, die brauche ich nicht bekannt zu geben.
Wir kommen nun zur Fragestunde.
Die 1. Frage (FSP - 01707-2009/0001 - KSP/GM)
wurde von Herrn GR Univ-Prof Dr Ernst Pfleger gestellt und ist an den Herrn
amtsführenden Stadtrat der Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft gerichtet. (Wie
steht es um die Förderung der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften in
Wien?)
Bitte, Herr Stadtrat.
Amtsf StR Dr Andreas Mailath-Pokorny:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich wünsche Ihnen
einen schönen guten Morgen.
Die Anfrage des Prof Pfleger bezieht sich auf die
Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften in Wien und deren Förderung.
Meine Damen und Herren! Die Geistes-, Kultur und
Sozialwissenschaften waren und sind exzellente Instanzen der Befundung, der
Analyse, der Reflexion und Kritik des gesellschaftlichen Lebens in Wien. Diese
Wissenschaften standen und stehen mit künstlerischer Reflexion und Gestaltung
in Wien in einer ausgezeichneten Verbindung. Künste und Kulturwissenschaften
sind in Wien eine besonders innige Beziehung eingegangen. Die Qualitäten der
einen haben die Qualitäten der anderen bedingt und Identität, Charakter und
Profil der Stadt geprägt. Der Ruf der Stadt Wien als soziale, intellektuelle
und Kulturstadt ist für die exzellente Positionierung Wiens im urbanen und im
Standortwettbewerb entscheidend. Die nicht im Hinblick auf Nutzen oder
Anwendung generierten Erkenntnisse, Ideen und Werte im Kosmos der Künste und
der Kulturwissenschaften haben über viele Umwege die Stadt Wien demokratisch,
lebenswert und reich gemacht. Erkundungen und Erkenntnisse über Denken, Fühlen
und Handeln, über die Bedeutung der Arbeit für den Menschen, über die
Beziehungen zwischen Recht, Wirtschaft und Gesellschaft, über die Künste
zwischen Form und Funktion, Affekten und Ratio, Tradition und Innovation haben
in Wien zu herausragenden und in die Welt wirksamen Ergebnissen geführt. Was
wäre Wien ohne die Nachdenkarbeit von Sigmund Freud, Alfred Adler, Maria
Jahoda, Friedrich Heer, Alois Schumpeter, Hans Kelsen, Hilde Spiel, Elfriede
Jelinek, um nur einige Namen zu nennen.
Die Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften werden
in Wien auf folgenden Wegen gefördert:
Erstens: Im Jahr 2007 hat die Stadt Wien als ein
Ergebnis des von der Stadt initiierten FTI-Prozesses eine Ausschreibung zur
Förderung der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften im Umfang von jährlich
1,5 Millionen EUR initiiert. Dabei handelt es sich um ein
Startprojekt der Wiener FTI-Strategie und zugleich um ein mehrjähriges
Programm. Die Kulturabteilung stellt für 2008 bis 2010 insgesamt
4,35 Millionen EUR für jährliche Ausschreibungen zur Verfügung. Der
Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds WWTF wickelt das Programm vorerst
drei Jahre lang ab. Im Zentrum des Auswahlverfahrens steht ein internationaler
Programmbeirat, formal entscheidet der WWTF, der Vorstand, über die
Fördervergabe. Das Rahmenthema für die erste Drei-Jahres-Periode lautet
„Wissenschaft, Kunst, Kultur".
Im Frühjahr 2008 erfolgte der Startschuss für
dieses Programm. Der Fokus der ersten Ausschreibung „Art and signs" ist
auf sehr fruchtbaren Boden gestoßen. Insgesamt wurden 54 Förderansuchen beim
WWTF eingereicht. Die beantragte Fördersumme belief sich auf rund
14,5 Millionen EUR. Die Ausschreibung war mehr als zehnfach
überzeichnet und der Wettbewerb um die Fördermittel damit sehr hart.
Ein hochrangig besetzter Programmbeirat hat nach
intensiver Diskussion die besten Vorhaben ausgewählt: Fünf Projekte und zwei
Fellowships werden mit insgesamt 1,4 Millionen EUR gefördert. Die
siegreichen Projektvorhaben – und das finde ich sehr interessant – setzen an
sehr unterschiedlichen Aspekten der Schnittstelle von Wissenschaft und Kunst
an. Die Projekte beschäftigen sich mit der kritischen Rolle von Kreativität und
Kunst vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Veränderungsprozesse mit
den Zusammenhängen zwischen Psychoanalyse, Kunst und Gesellschaft oder mit
experimentellen Settings zur Alltagskunst. Die Darstellung Wiens in
Dokumentar-, Amateur- und Avantgardefilmen ist ebenso Gegenstand des Interesses
wie die Schnittstelle von Kunst und Medizin im Operationstheater der
plastischen und rekonstruktiven Chirurgie.
Die siegreichen Vorhaben werden in wenigen Wochen, am
9. Juni, im Rahmen eines Festes im Rathaus in Kooperation mit den Wiener
Vorlesungen in größerem Rahmen präsentiert und hoffentlich auch von Ihnen
entsprechend gewürdigt werden.
Nach dem Erfolg des „Art and
signs“-Discount 2008 und auf starke Empfehlung des Programmbeirats bleiben
wir am Thema dran. Allerdings stehen in stärkerem Maße als beim ersten Count
diesmal gemeinsame Vorhaben von WissenschaftlerInnen und KünstlerInnen im Vordergrund,
die sich dem Thema auf neuen Wegen nähern und explorative Fragestellungen und
experimentellere Zugangsweisen in den Mittelpunkt stellen. Es geht um
Kooperationen, in denen KünstlerInnen oder Kunstinstitutionen eine noch
stärkere Rolle spielen sollen. Das Interesse ist einmal mehr auch bei dieser
Ausschreibung sehr groß. Insgesamt steht eine Fördersumme von
1,3 Millionen EUR zur Verfügung. Schluss des Counts ist Mitte Juni.
Der zweite Weg der Förderung in
der Geschäftsgruppe sind Förderungen an Institutionen, die exzellente Arbeit im
Bereich der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften leisten, Förderungen zum
Beispiel an die Akademie der Wissenschaften, die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft,
das Architekturzentrum Wien und viele, viele andere mehr. Das erscheint mir
deshalb besonders
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