Gemeinderat,
44. Sitzung vom 23.02.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 67 von 96
deutschen Durchschnitt entspricht, im
Bereich der ÄrztInnen sogar deutlich darüber liegt.“
Abschließend
wird festgehalten: „Die Behauptung, dass der Wiener Bevölkerung im Vergleich zu
deutschen Standards psychiatrische Behandlungsqualität durch
Stellenunterbesetzung vorenthalten wird, ist angesichts der vorhandenen
Faktenlage klar zurückzuweisen.“ – Ende des Zitats.
Damit wurde
der Berechnung von Dr Zeyringer, die eine tragende Säule des behaupteten
Personaldefizits im OWS darstellte, die Grundlage entzogen.
Sehr geehrte
Damen und Herren! Das Thema Psychiatrie braucht aber auch eine faire Diskussion
in der Öffentlichkeit. Wir haben in den Debattenbeiträgen immer auch
festgehalten, dass der Datenschutz, aber auch die Würde der Patientinnen und
Patienten gewahrt werden müssen und dass es für uns wichtig ist, dass wir durch
die öffentliche Diskussion auch zu einer Entstigmatisierung der Erkrankung in
der Bevölkerung kommen. Es geht daher auch darum, Ängste zu nehmen
beziehungsweise Ängste vor Therapien abzubauen, weil eine zu späte Behandlung
möglicherweise auch zu einem chronischen Verlauf führen könnte. Die
Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen hilft damit den Patientinnen und
Patienten, aber natürlich auch den Angehörigen beziehungsweise anderen
Bezugspersonen. Es soll nicht als etwas Außergewöhnliches oder als Defizit
angesehen werden, wenn sich jemand in psychiatrische Behandlung begibt. Das
sollte genauso selbstverständlich sein, wie wenn man eine andere fachärztliche
Hilfe in Anspruch nimmt. – Unter diesem Aspekt haben wir festgestellt,
dass diese Frage auch von gesellschaftspolitischer Bedeutung ist: Es geht auch
darum, eine Gleichstellung von psychisch Erkrankten mit somatisch Erkrankten
sicherzustellen.
Seit der
Reform 1979 sind Stigmabekämpfung und Prävention ganz wichtige Ziele. Durch
Stigmatisierung kommt es nämlich auch zu hohen Kosten für das Gesundheits- und
Sozialsystem, weshalb wir auch eine Gesamtstrategie des Bundes als notwendig
erachtet haben. Ein ganz wesentliches Moment der Entstigmatisierung stellt
jedenfalls die zügig fortschreitende Dezentralisierung nach der bereits
durchgeführten Regionalisierung der Psychiatrieeinrichtungen dar.
Expertinnen
und Experten haben in den Sitzungen der Untersuchungskommission auch mehrfach
festgestellt, dass die Psychiatrie auch ein Fach der Medizin ist, dass in
diesem Fach ebenso wie in den anderen Fächern nach hervorragenden
Qualitätskriterien gearbeitet wird und dass Wien gerade auch im Bereich der
Psychiatrie einen hervorragenden Ruf besitzt, wofür auch die Tatsache, dass
hier viele internationale Tagungen zum Thema Psychiatrie abgehalten werden, ein
Beleg ist.
Herr Univ-Prof
DDr Kopetzki, Professor an der Juridischen Fakultät in Wien, stellte fest,
dass es juristisch schwierig zu beurteilen ist, welche Behandlung gerade dem
wissenschaftlichen Konsens entspreche. Diese Diskussion müsse daher nach seiner
Meinung auch dem jeweiligen wissenschaftlichen Fachbereich überlassen bleiben.
Im Übrigen haben wir mehrfach festgestellt, dass gerade die
Untersuchungskommission nicht der geeignete Ort für diese fachliche Diskussion
ist.
Prof Kopetzki
hat sich darüber hinaus aber auch von der rechtswissenschaftlichen Seite her
mit dem Unterbringungsgesetz und dem Anhalterecht beschäftigt. Er führte dazu
aus, dass das Thema „Körperlicher Zwang in der Psychiatrie" durch das
Unterbringungsgesetz in einen rechtlichen Rahmen gebracht wurde, womit
Zwangsmaßnahmen zwar nicht ausgeschlossen, aber kontrolliert und mit
rechtsstaatlichen Regeln verknüpft sind.
Das Gesetz
verlangt, dass Beschränkungen der Bewegungsfreiheit nur dann zulässig sind,
wenn Selbst- oder Fremdgefährdung von Leib und Leben abgewehrt werden müssen.
Zusätzlich muss die Beschränkung aber auch eine pflegerische oder
therapeutische Indikation haben. Jedenfalls muss durch das Mittel der
Beschränkung das angestrebte Ziel erreicht werden, wobei das jeweils gelindeste
Mittel zu wählen ist. Diese Kriterien können aber nach Meinung des Experten
nicht juristisch, sondern ausschließlich klinisch beurteilt werden. Ebenso
wurde darauf hingewiesen, dass die Dokumentationspflicht über die ärztlich
getroffenen Anordnungen auch als Brücke zur Kontrolle verpflichtend vorgesehen
ist.
Nach Meinung
dieses Experten – und wir haben uns auch sehr intensiv mit dem
Unterbringungsgesetz beschäftigt – ist Kritik an diesem Gesetz insofern zu
üben, als dieses Bundesgesetz zwar die Unterbringung an sich, jedoch nicht die
Details der Durchführung regelt. Der Experte stellte fest, dass es, wenngleich
es zu einer rechtlich gebotenen Lösung dieser Problematik einer
Verfassungsänderung bedürfte, aber dennoch möglich sein sollte, durch eine
bundeseinheitliche Regelung mehr Sicherheit sowohl im Berufsalltag des
Personals als auch für den Rechtsträger selbst zu geben.
Die Kommission
hat sich mit den Zwangsmaßnahmen einschließlich dem Thema Netzbett viele
Stunden lang inhaltlich beschäftigt. Es gab die unterschiedlichsten Ansichten
von Expertinnen und Experten, aber auch von befragten Ärztinnen und Ärzten, die
allerdings übereinstimmend festgestellt haben, dass es zu Zwangsmaßnahmen
lediglich in Ausnahmesituationen zum Zweck der Deeskalation kommen und dabei
individuell die effizienteste und schonendste Methode angestrebt werden soll.
Man kam daher
zu der Erkenntnis, dass eine Fachdebatte über medizinische Behandlungsmethoden
nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Untersuchungskommission stehen sollte,
weil diese, wie bereits erwähnt, weder fachlich noch inhaltlich das geeignete
Forum ist, um diese fachlichen Fragen zu beantworten. Gleichzeitig war klar,
dass diese Diskussion auf Fachebene sicherlich noch nicht abgeschlossen sein
wird.
Die Untersuchungskommission ist
auch nicht das geeignete Forum, um auf Patientinnen und Patienten, deren
Angehörige oder auf Bezugspersonen einzugehen. Entscheidend für die Ablehnung
der Einvernahme von Patientinnen und Patienten durch die Kommission war
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