Gemeinderat,
43. Sitzung vom 29.01.2009, Wörtliches Protokoll - Seite 6 von 70
Geschäftsgruppe
Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke gerichtet. [Die Steuerbehörde
der USA (IRS-Internal Revenue Service) hat am 6. November 2008 US-InvestorInnen
per Formblatt dazu aufgefordert, ihre Cross Border Leasing Verträge (SILO/LILO)
mit 31. Dezember 2008 vorzeitig zu beenden, andernfalls wurde eine
zwangsweise Beendigung angedroht. Am 21. Oktober 2008 teilte der IRS mit,
dass rund zwei Drittel der betroffenen Unternehmen mit insgesamt mehr als 80%
aller abgeschlossenen Cross Border Leasing Verträge dieser Aufforderung
nachkommen werden. Wurden seitens der InvestorInnen Gespräche über die
vorzeitige Auflösung der von der Stadt Wien und den Wiener Linien (Wiener
Stadtwerken) abgeschlossenen Cross Border Leasing Verträge aufgenommen
beziehungsweise zu einem Abschluss gebracht?]
Bitte,
Frau Vizebürgermeister.
VBgmin Mag Renate Brauner:
Einen schönen guten Morgen!
Die
Frage richtet sich danach, ob im Zusammenhang mit einer angeblichen Initiative
der amerikanischen Steuerbehörde IRS seitens der Investoren im Hinblick auf die
von der Stadt Wien abgeschlossenen Cross-Border-Leasing-Verträge Gespräche
aufgenommen wurden, um die Leasing-Verträge zu diskutieren beziehungsweise zu
kappen.
Ich
kann diese Anfrage sehr kurz und knapp beantworten: Uns ist ebenfalls die ganz
allgemeine Information bekannt, dass laut diesen Medienberichten die
US-amerikanische Steuerbehörde im Sommer 2008 etliche US-Investoren kontaktiert
hat und Vergleichsangebote bezüglich der vorzeitigen Auflösung von
unterschiedlichen Arten von Leasing-Verträgen unterbreitet hat. Es war aber
nicht möglich, diese Meldungen zu verifizieren, ob dieser Akt von der IRS
gesetzt werden sollte beziehungsweise ob es schon zu solchen Vergleichen
gekommen ist.
Für
uns ist jedenfalls relevant – und das ist keine Spekulation, sondern
Tatsache –, dass an uns keiner der Investoren herangetreten ist, um eine
vorzeitige Vertragsauflösung zu entrieren. Und logischerweise ist es daher auch
bis zum 31. Dezember 2008 zu keiner solchen Beendigung gekommen.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich danke. Die
1. Zusatzfrage wird von GR Dipl-Ing Margulies gestellt.
GR Dipl-Ing Martin Margulies (Grüner
Klub im Rathaus): Sehr geehrte Frau Stadträtin!
Es ist bedauerlich, dass Sie es nicht verifizieren
können, insbesondere weil der Weg auf die Website der amerikanischen
Steuerfahndung, der bundesweiten IRS, nicht schwer zu finden ist! Ich habe die
Unterlagen hier, ich kann Sie Ihnen dann gerne geben, damit Sie das
verifizieren können!
Nichtsdestoweniger ist die Situation gegenwärtig so,
dass sämtliche vier Urteile im Zusammenhang mit Cross Border Leasing, die es im
Verlaufe des Jahres 2008 gab, davon sprechen, dass es sich um missbräuchliche
Steuerhinterziehung handelt. Der IRS hat auch kein Vergleichsangebot im
herkömmlichen Sinn gemacht, sondern hat alle Cross-Border-Leasing-Investoren, sowohl
die alten Lease-in/Lease-out-Kontraktinhaber als auch die
Service-Contracting-Investoren ultimativ aufgefordert aufzulösen. Nur dann wird
ein Vergleich angestrebt, ansonsten wird jedes einzelne Geschäft daraufhin
überprüft, ob es sich tatsächlich um eine Möglichkeit handelt, die Steuer
abzuziehen.
Gerichte haben in diesem Zusammenhang immer wieder
von „abusive tax-shelter, rotten to the core“ et cetera gesprochen, also von
den verwerflichsten Geschäften, die es überhaupt gibt.
Sie sagen in einer Anfragebeantwortung, auch in einer
schriftlichen Anfragebeantwortung und auch jetzt wieder: „Der Kontakt mit den
Investoren, nicht zuletzt über die periodischen Berichtspflichten aus den
Verträgen, wird kontinuierlich aufrechterhalten. Das Bestreben liegt darin, ein
vertragskonformes Verhalten sicherzustellen, um so den seinerzeit vereinnahmten
Nettobarwertvorteil nicht aufs Spiel zu setzen."
Jetzt stellen die amerikanischen Steuerbehörden und die amerikanischen Gerichte klar, dass es sich um Steuerhinterziehung handelt. Wollen Sie sich nach wie vor weiterhin an der weltweit größten Steuerhinterziehung, die es bislang überhaupt gegeben hat, beteiligen?
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Bitte, Frau Vizebürgermeister!
VBgmin Mag Renate Brauner:
Auch wenn Sie sich um diese frühmorgendliche Stunde noch so sehr
alterieren, wird es Ihnen nicht gelingen, lieber Herr Gemeinderat, aus
Informationen, die Sie aus den Medien und aus der Website beziehen, einen
Riesenskandal zu konstruieren!
Tatsache ist, dass diese Vereinbarungen rechtens
waren. Es wurden Rahmenbedingungen genutzt, die den damaligen Bestimmungen
entsprochen haben. Wir wissen allerdings alle, dass sich die Zeiten seitdem
geändert haben. Das Risiko, das Sie ansprechen, das sich darauf bezieht, dass
innerhalb Amerikas die Abschreibungsmöglichkeiten seitens der Gerichte jetzt
anders interpretiert werden, ist ein Risiko, das die amerikanischen Investoren
tragen. Das ist keine Angelegenheit der Stadt Wien!
In unseren Verträgen ist ganz klar geregelt, dass das
US-Steuerrisiko an den Investor überbunden ist. Ich versuche, das sachlich zu
diskutieren, weil ich glaube, dass Steuervorteile und Verträge nicht dafür
geeignet sind, dass man emotional damit umgeht. Wir haben es mit Fakten zu tun,
und Sie werden feststellen, dass ich jetzt im Konjunktiv spreche: Sollte also
die amerikanische Steuerbehörde feststellen, dass ein US-Investor seine
Steuerbegünstigungen doch nicht realisieren darf, so sind davon die Stadt Wien
und auch die Wiener Linien nicht betroffen. Es finden sich keine
Verpflichtungen für die Stadt Wien oder für die Wiener Linien, den
amerikanischen Vertragspartner dafür finanziell zu entschädigen.
Ich erlaube mir aber noch einmal,
sehr klar und sachlich darauf hinzuweisen, dass keinerlei Anzeichen für die
Investorenstrategie vorliegen, dass da irgendwelche Vertragslücken oder Brüche
des Leasing-Nehmers
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular