Gemeinderat,
39. Sitzung vom 25.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 46 von 106
jetzt die Rechnung präsentiert bekommen. Das hätte man früher auch schon wissen können und hat auch nichts unternommen.
Jetzt sage ich ein aktuelles Beispiel, wie man die
Armut in Österreich noch einmal schärft und mit Garantie ein paar hundert, ein
paar tausend Leute in die Armut treibt, eine Gesetzesvorlage, die bei der
Bundesregierung liegt und demnächst beschlossen wird: die Glücksspiel-Novelle.
Die Idee dieser Glücksspiel-Novelle, die jetzt vorliegt, ist nicht das, was die
GRÜNEN gerne hätten, nämlich die Abschaffung des Kleinen Glücksspiels in dieser
Stadt, weil es Leute in die Armut treibt – ja, bei der Novomatic und bei
Admiral häufen sich dann die Millionen auf der anderen Seite, aber das treibt
Leute in die Armut –, sondern was sagt die Novelle, die jetzt vorliegt im Bund?
Es gibt fünf Bundesländer, die sich das bis jetzt vom Leibe halten konnten und
gesagt haben, damit wollen wir nichts zu tun haben, das bringt nur Familien in
ärgste Finanznöte, das zerstört Existenzen und – ohne es zu dramatisieren, aber
das ist letzte Woche in der Zeitung gestanden – es treibt Leute in den
Selbstmord. So schlimm ist es, aber die Novelle sagt: SPÖ und ÖVP beschließen
auf Bundesebene, alle neun Bundesländer haben das in Zukunft. Fertig. Weil es
keine Landesgesetzgebung mehr dazu gibt. Da können die Vorarlberger, Tiroler,
Salzburger sagen, was sie wollen, nämlich wir wollen es nicht haben, sagen sie
da, es wird ihnen einfach hineingedrückt. Mit Garantie bedeutet das mehr Armut,
zumindest einmal in den fünf Bundesländern, die das bis jetzt nicht hatten. Das
passiert.
Jetzt müssen wir uns überlegen, muss man das machen.
Mein Gott, die Admiral und die Novomatic machen über eine Milliarde Umsatz im
Jahr. Die brauchen das nicht auch noch zusätzlich nachgeworfen bekommen.
Was heißt arm? Da gibt es wie beim Reichtum ganz
viele Definitionen, aber wenn man sich vor Augen führt: 2 Prozent der
Menschen in Österreich sind ohne Krankenversicherung – die leben auch in Wien,
mitten unter uns –,10 Prozent der PflegegeldbezieherInnen leben in
schimmligen Wohnungen – das ist jetzt so, das sind die Zustände, so ist es im
Moment –, 40 Prozent der Haushalte in Wien sind überschuldet, jeden Monat
aufs Neue, Tendenz steigend. Es ist zu befürchten, dass nächstes Jahr
wahrscheinlich jeder zweite Haushalt jeden Monat mehr Ausgaben als Einnahmen
hat. Überlebenskünstler, wie immer sie das gestalten. Überall sind Kinder
betroffen, wo wir sicher darin einig sind, dass die am allerwenigsten dafür
können.
Natürlich braucht es – das war schon richtig vorher –
einen funktionierenden Arbeitsmarkt, anständige Löhne. Dazu wird morgen hier
auch demonstriert vor dem Haus draußen, nämlich von den Menschen, die in diesen
Berufen arbeiten, von denen wir da reden, weil nämlich nicht nur die
Betroffenen, die KlientInnen, die KundInnen auf der anderen Seite, sondern auch
die Leute, die in den Bereichen arbeiten, unterbezahlt, schlecht bezahlt sind.
Es braucht Bildungschancen und Bildungsgerechtigkeit. Wenn in Österreich nur
20 Prozent aus den Armutshaushalten ins Gymnasium finden, so ist das
weniger als die Hälfte jener aus den reicheren Haushalten. Das ist nicht
überall so auf der Welt, das muss nicht so sein. Die Kinder von ärmeren Eltern
sind nämlich nicht automatisch dümmer, als die Kinder von uns da herinnen, die
wir zu den Reicheren gehören. Das ist nicht automatisch so. In anderen Ländern
ist das nicht so. Das muss man nicht zur Kenntnis nehmen.
Was machen wir in Wien zur Sozialhilfe? 40 000
Leute im Jahr 2000, über 80 000 waren es dann in den vergangenen Jahren,
jetzt sind 90 000 vorgesehen und nächstes Jahr, wenn die Steigerung
eintrifft, die auch gestern bereits hier – nicht von mir, sondern von der Frau
Klicka – mit 6 Prozent angegeben wurde für nächstes Jahr, also die
Steigerung der Zahl von Personen, die darauf angewiesen sein werden, so sind es
fast 100 000 Leute. Irgendwann nächstes Jahr, ich weiß nicht, im September
oder im Oktober, wird die hunderttausendste Person auf Sozialhilfe angewiesen
sein.
Das ist ja eine Zahl, um zu überlegen, was zu tun
ist, aber nicht mit dem Satz, den ich da lese, nämlich aus der Diskussion, die
wir hier letztes Jahr genau zu diesem Punkt hatten, wo die zuständige Frau
Stadträtin gesagt hat: Die Tatsache, dass in dieser Stadt die Menschen so viel
Sozialhilfe haben, das macht das Soziale aus in dieser Stadt. Das nur als
Zitat. Das ist nicht so. Man kann sich jetzt suhlen in der Zahl, dass in
anderen Bundesländern zu wenig Leute, die einen Anspruch hätten, die
Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Das ist sehr schade, denn wenn sie ihnen schon
zusteht, sollen sie sie gefälligst kriegen. Die werden dann angewiesen sein auf
Zuwendungen in der Familie oder wie immer das geregelt wird, über Schulden und,
und, und.
Ja, das ist besser, dass es hier so ist, dass mindest
80 bis 90 Prozent oder auch noch mehr Prozent derjenigen, denen
Sozialhilfe zusteht, auch tatsächlich an die Sozialhilfe kommen. Das ist auch
der Pluspunkt dabei. Dass es so viele Leute sind, ist nicht gut. Das sollten
weniger werden und nicht jedes Jahr mehr. Und darüber müssen wir uns
unterhalten.
Ein Sozialmarkt, der im 17. Bezirk aufsperrt,
wird überlaufen, überrannt. Vorgestern war das, gestern stand es in der
Zeitung. Der wird überrannt am ersten Tag. Tausende Leute kommen, die sich
eintragen lassen, dass sie dort einkaufen dürfen. Ein Wahnsinn in Wirklichkeit!
Mitten unter uns, neben uns. Manche werden ärmere Leute in der Familie haben
und nicht ausschließlich per Beruf mit den Leuten zu tun haben. Wir kennen ja
so jemanden, und ich denke, die meisten von Ihnen werden solche Leute kennen.
SchuldnerInnenberatung noch
einmal. Es gibt eine schwere Veränderung für jene, die zur
SchuldnerInnenberatung kommen. Wer beim Glücksspiel sein Geld verloren hat,
wird dort abgewiesen, nicht weil dort böse Leute sind bei der
SchuldnerInnenberatung, sondern weil sie trotz der Aufstockung, die dringend
notwendig war, nicht nachkommen. Wer dort hinkommt und sagt, ich habe mein Geld
verzockt beim Spielen, wird nicht behandelt, weil er oder sie nämlich zuerst in
Therapie gehen muss, nur gibt es zu wenig Therapieplätze. Aber die
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