Gemeinderat,
39. Sitzung vom 25.11.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 29 von 106
die Rehospitalisierung in unseren Häusern in den einzelnen Feldern bestellt ist. Das brauchen wir, um die Patienten- und Patientinnenrechte und -interessen besser beachten zu können und um unseren Patienten und Patientinnen sagen zu können, dass sie und wo sie gut behandelt werden.
Eingewendet wird immer gegen diese Art der Auflistung
und Statistik von Fehlerquellen und Komplikationsraten, dass man da sozusagen
nicht in Rechnung stellt, dass es Spitäler gibt, in denen schwer kranke
Menschen sind, wo natürlich Todesraten häufiger als in anderen Bereichen sind.
Klarerweise müssen auf der Geburtshilfe hinsichtlich der Todesfälle andere
Voraussetzungen als auf einer Internen Abteilung herrschen - klarerweise! -,
aber es kann nicht so sein, dass wir uns die Sache deshalb nicht anschauen
wollen, weil es methodisch kompliziert ist.
Man kann mittlerweile, was die Todesraten betrifft,
die durch die Spitäler selbst verursacht werden, durch eine Reihe von
Erhebungsinstrumenten klar herausfinden, was die Gründe dafür sind,
beziehungsweise kann man auch Risikogruppen eingrenzen, damit man weiß, ob
Todesfälle sozusagen erwartbar sind beziehungsweise ob es sich um Probleme oder
Strukturdefizite in den Spitälern handelt. Wir müssten uns diese Arbeit machen,
und wir müssten uns selbst darauf verpflichten, genau hinschauen zu wollen.
Da wird es nicht reichen - und das ist ein erster
Schritt, das gestehe ich schon zu -, ein System einzuführen, in dem die
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen selbst
von Beinahe-Fehlern und Fehlern berichten. Das ist ein Schritt, ein wichtiger
Schritt (Zwischenruf von GRin Anica
Matzka-Dojder), allerdings, Frau Kollegin Matzka-Dojder, kann das nicht
vollständig sein. Denn wir wissen dann, dass die Leute berichten wollen, aber
wir wissen vielleicht nicht objektiv, ob dies Fehler in ihrer Gesamtheit sind,
die zu Komplikationen oder gar Todesfällen geführt haben. Dazu muss man
systematisch Krankengeschichten analysieren, da muss man teilnehmende
Beobachtungsstudien machen und, und, und. Das Rad hinsichtlich der
Fehlerkontrolle ist erfunden; man muss es anwenden, und man muss sich
transparent den Konsequenzen stellen.
Wir haben daher einen Antrag vorbereitet, der
hinsichtlich der unerwünschten Ereignisse - so heißt das -, der vermeidbaren
unerwünschten Ereignisse im Zusammenhang mit der Patientensicherheit fordert,
dass wir uns in Wien endlich mit einer Studie darüber klar werden, wie wir
liegen, welche Zahlen wir zugrunde legen müssen, damit wir uns nicht auf die
vermeintliche Selbstgewissheit zurückziehen: Bei uns in Österreich ist es ganz
anders als im Rest von Europa; mögen die Fehler machen, wir tun es nicht! - Das
halte ich für eine Großstadt wie Wien für einen unverzeihlich, unerträglich
arroganten Standpunkt, den wir im Sinne der Patientensicherheit nicht
unterstützen können. In formeller Hinsicht ersuche ich um Zuweisung an den
Gesundheitsausschuss.
Fehlerkultur ist wichtig, weil auch in Wien Dinge
passieren, durch welche Menschen zu Schaden kommen. Die Brandunfälle in der
Psychiatrie haben uns ja bewiesen, wie schlimm es für Menschen sein kann, wenn
sie, vermeintlich gut aufgehoben, im Spital Opfer von Übergriffen anderer
Mitpatienten und -patientinnen oder durch ihre eigene Krankheit, in der man sie
nicht ausreichend schützt, Opfer von Unfällen werden.
Wir wissen, dass in den beiden Brandunfällen, die im
Otto-Wagner-Spital der Fall waren, der Krankenanstaltenverbund versucht hat,
sich abzuputzen, zu keinerlei Eingeständnis bereit war, hier eigene Fehler
anzuerkennen, obwohl - und das wissen alle Beteiligten - State of the Art in
der Betreuung und Überwachung psychisch kranker Menschen, die fixiert sind, die
sediert sind oder in Netzbetten untergebracht sind, eine unabdingbare
Voraussetzung für gute Behandlung ist. Es tun in Wien Gott sei Dank in vielen
Spitälern Ärzte und Ärztinnen in dieser Hinsicht das Richtige. Im AKH und im
SMZ-Ost ist es klar Standard, dass Menschen, die fixiert sind oder im Netzbett
liegen, mit Hilfe von Eins-zu-eins-Überwachung oder Videomonitoring lückenlos
überwacht werden.
Im Otto-Wagner-Spital hat man sich nicht dazu
entschieden und entscheidet sich weiter nicht dazu, diese klaren Standards auch
für das Haus vorzugeben. Das müssen die Menschen wissen. Denn - und das kann
einem ja passieren, weil man regional zugeteilt ist - wenn man im
Otto-Wagner-Spital auf der Psychiatrie untergebracht wird, kann man nicht
sicher sein, dass man nicht Opfer derartiger katastrophaler Unfälle wird.
Wir haben das in der Untersuchungskommission hinauf
und herunter diskutiert. Offensichtlich ist es bis heute nicht gelungen, hier
politisch das nötige Problembewusstsein herzustellen. Man kann nur darauf
hoffen, dass das Gesetz die Gemeinde Wien, die Frau Stadträtin, den
Krankenanstaltenverbund zwingt, hier die Konsequenzen zu ziehen. Denn
offensichtlich meint man, in Bezug auf die psychisch Kranken nicht überall den
obersten Standard gewährleisten zu müssen.
Seit 2006 gibt es das
Verbandsverantwortlichkeitsgesetz - ein kompliziertes Wort - mit großen Folgen
für viele Unternehmungen, auch Unternehmungen der öffentlichen Hand. Das
Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, alltagssprachlich gesagt, dehnt schlicht und
einfach die strafrechtliche Verantwortung von Individuen auf Organisationen,
auf Verbände und auf Institutionen aus. Sie erinnern sich an das schreckliche
Unglück in Kaprun: Am Schluss war es keiner, niemand ist es gewesen, weil nicht
ein einzelner Mensch dafür zur Verantwortung gezogen werden konnte.
Dieses Gesetz, das
Verbandsverantwortlichkeitsgesetz, ist die Umsetzung von EU-Richtlinien in
Österreich, und es schafft Verhältnisse, bei denen sich künftig auch die Spitäler
rechtfertigen müssen und verantworten müssen für Schäden, für strafrechtlich
relevante Vorgänge in ihrem eigenen Bereich. Es gilt nicht rückwirkend, daher
sind die Brandunfälle, von denen ich spreche, nicht darunter zu subsumieren.
Aber es ist zu befürchten, wenn die Fehlerkultur in Wien weiter so ignorant
wahrgenommen wird, dass wir leider Fälle haben werden, in denen man
möglicherweise nach diesem Gesetz zur
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