Gemeinderat,
38. Sitzung vom 30.10.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 19 von 106
werden musste. Also da war schon eine Unruhe im Bankenwesen Österreichs zu spüren, und es hat entsprechende Gerüchte in diese Richtung gegeben, keine Frage.
Der Vorredner hat auf die massive Schieflage der Wirtschaft,
die uns drohen könnte und kann und wird, hingewiesen und auch darauf, dass uns
via Finanzkrise Millionverluste drohen. Er hat sie auch aufgeschlüsselt. Es ist
aber nicht nur die Gemeinde, die hier bedroht ist, sondern es ist schlicht und
einfach die Lage auch so, dass die Wienerinnen und Wiener selbst zutiefst
bedroht sind.
Gestern im Fernsehen war – durch Zufall habe ich es
gesehen – im Rahmen einer Sendung auch ein Bericht über den wirtschaftlichen
Zustand des so genannten Auto-Clusters in Graz, wo man gesehen hat, wie eine an
und für sich tolle Konstruktion, die sich durch Jahre hindurch gut bewährt hat,
in Schieflage gerät. Und wir werden sehen, wie es dort weitergeht.
Welche Wirkungen wird Wien in dieser Form, in dieser Art
und Weise und wo zu erleiden haben? Das ist sicherlich eine ganz klare Frage.
Die Finanzbeschaffung über die Fremdwährungskredite, vor allem in Bezug auf
Schweizer Franken, ist sicherlich etwas, was eine Zeit lang gut funktioniert
hat, aber jetzt eine deutliche Schwierigkeit für die Gemeinde Wien darstellen
wird. Die Frage wird sein: Wie wird Wien damit umgehen, und welche Folgen
werden daraus entstehen?
Ich selber glaube, dass die verantwortliche
Stadträtin hier viel deutlicher und klarer ihre Meinung über den Zustand der
Stadt Wien und der Stadtfinanzen endlich auf den Tisch legen sollte und nicht
alles so bedeckt halten sollte, dass niemand wirklich richtig informiert ist.
Ein ganz besonders großer und wichtiger Punkt für
mich und für uns ist die Bedrohung durch die diversen
Cross-Border-Leasing-Geschichten, die abgeschlossen wurden. Der Anfang der
ganzen Sache war ja der, dass uns gesagt wurde, mit der kurzfristigen
Abwicklung von so Cross-Border-Leasing-Verträgen sei Wien aus dem Schneider und
es könne nichts mehr passieren.
Ich glaube, diese Behauptung, die uns vor Jahren, zum
Beispiel im Zusammenhang mit der U-Bahn-Cross-Border-Leasing-Geschichte
übermittelt wurde, stimmt heute sicherlich nicht. Ich glaube, da werden wir
alle zur Kenntnis nehmen müssen, dass die rechtlichen Bindungen über
Jahrzehnte, die hier von Wien eingegangen wurden, selbstverständlich ihre
Auswirkungen haben werden, und zwar aus den Verträgen ganz alleine und
selbstständig.
Das heißt, die Cross-Border-Sache als solche ist eine
durchaus fragwürdige Angelegenheit wegen der Bindung bis zu 99 oder
100 Jahre auf der einen Seite und Rückkaufwert innerhalb von
30 Jahren. Wir wissen nicht, was in den 30 Jahren passieren kann und
passieren wird. Wir sehen ja auch bereits, was heute passiert. Das heißt, gibt
es in zehn Jahren – was heißt, in zehn Jahren – in drei Wochen, in fünf Wochen
überhaupt noch die Vertragspartner, mit denen in Amerika die diversen
Cross-Border-Leasing-Geschäfte abgeschlossen wurden? Gibt es die noch? Gibt es
die in 10 Jahren oder in 25 oder in 30 Jahren?
Das sind die Fragen, weil nämlich alles nach
amerikanischem Recht abgewickelt wird, alles wird mit dem Gerichtsstandort New
York abgewickelt, und es ist daher alles und jedes von dort zu beachten. Und so
gut unsere Juristen in Wien durchaus sind, keine Frage, ist es auch keine
Frage, dass sie die Zweiten sind auf amerikanischem Parkett, in New York, wo
Anwaltskanzleien von riesiger Größe über solche Verträge in dieser Höhe ihre
Meinung äußern werden.
Ich glaube daher, dass nicht nur die
Cross-Border-Leasing-Geschäfte als solche schon eine fragliche Konstruktion
sind, wo man nicht weiß, welche Probleme auf uns in Wien hier zukommen werden
in Zukunft – aber nicht nur auf Wien, sondern auch auf die ÖBB zum Beispiel,
genauso auf andere Bundesländer und quer durch die Gegend auf sämtliche
europäische Städte; das ist also etwas, was auf alle zukommen wird und das wird
die Frage sein –, und dazu kommt natürlich noch, dass durch die Finanzkrise
nunmehr die Bonität der diversen Finanzinstitute massiv in Frage gestellt ist.
Eine der wesentlichsten Vereinigungen, nämlich diese AEG-Versicherung, musste
ja bereits von der amerikanischen Regierung gerettet werden, und die ist ein
wesentlicher Faktor bei unseren Verträgen hier. Die Frage ist: Welche gibt es
noch? Welche Leichen sind im Keller? Wie schaut das in Zukunft aus?
Die Frau Finanzstadträtin ist aufgefordert, klar und
deutlich hier die Dinge offenzulegen. (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Als Nächster
zu Wort gelangt Herr GR Dkfm Dr Aichinger. – Bitte sehr.
GR Dkfm Dr Fritz Aichinger (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr
geehrten Damen und Herren!
Es ist, glaube ich, unwidersprochen beziehungsweise
klar, dass wir derzeit vor einer weltweiten Finanzkrise stehen, die sich mit
unheimlicher Geschwindigkeit fortentwickelt und über die wir täglich neue
Nachrichten hören. Die Gefahr ist natürlich auch – und das sehen wir immer
deutlicher –, dass diese Krise, meine Damen und Herren, auf die Realwirtschaft
überschwappt, und da muss natürlich alles geschehen, dass das hintangehalten
wird und die vielen kleinen Mittelbetriebe natürlich auch, so wie die Banken,
einen gewissen Schutz bekommen. (Beifall bei der ÖVP.)
Herr Kollege Margulies, es hat
aber keinen Sinn, wenn sich eine Partei herausstellt und einmal prinzipiell
sämtliche wirtschafts-, sozial- und finanzpolitischen Dinge ablehnt, um nachher
zu sagen, wir sind gescheitert. Wenn Sie prinzipiell die Osteuropageschäfte in
Frage stellen – egal, ob jetzt von der Finanzwirtschaft oder von der
Realwirtschaft, um das klarzulegen –, dann muss man Ihnen schon dazusagen, dass
es derzeit so ist, dass in Österreich 60 Prozent der Wertschöpfung mit
Exporten erwirtschaftet werden und davon ein sehr großer Teil in diese Richtung
ist, und dass der Wohlstand, die soziale Marktwirtschaft und die ökosoziale
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