Gemeinderat,
36. Sitzung vom 25.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 83 von 108
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als
Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Wagner. Ich erteile es ihm. (GR Dr Matthias Tschirf: Nein, Wolf! - GR Kurt Wagner: Herr Stiftner hat
gerade gesprochen! Zum zweiten Mal! - GR
Günter Kenesei: Was hat das damit zu tun? - GR Dipl-Ing Martin Margulies: Es hat ja Stiftner noch einmal
geredet, als erster Redner! - Weitere Zwischenrufe.)
Zum Wort gemeldet ist Herr
GR Wagner. Ich erteile es ihm.
GR Kurt Wagner
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtages und Gemeinderates): Meine Damen und Herren! Herr Vorsitzender!
Ich glaube, es ist auch ziemlich egal, wer vorher und
wer später redet. Es wird alles gehört, vom einen vielleicht ein bisschen
früher, dafür vom anderen dann etwas später.
Meine Damen und Herren! Ich muss ehrlich sagen, ich
bin formell über eine Oppositionspartei, von der ich einzelne der handelnden
Personen schon über einen längeren Zeitraum, noch von anderen Funktionen her,
kenne, etwas verwundert. Ich habe eigentlich immer geglaubt, Sie haben gerade
in der ÖVP - und Sie behaupten es ja in der Öffentlichkeit und in den Medien -
im Prinzip Wirtschaftskompetenz, Sie sind eine Wirtschaftspartei und verstehen
demzufolge natürlich auch etwas vom Wirtschaften. Ich habe eher diesen
Eindruck: Wenn ich mir heute Ihre Redebeiträge, gerade auch bei Ihrer
Dringlichen, mit den Begründungen anhöre, habe ich bei dem einen oder anderen -
und da gehören Sie leider auch dazu, obwohl ich Sie sonst von der Fachkompetenz
her sehr schätze, Herr Spartenobmann Dkfm Aichinger - den Eindruck, dass die
ÖVP bei der heutigen Sitzung ihre Wirtschaftskompetenz an der Garderobe des
Wiener Gemeinderates abgegeben hat. (Beifall bei der SPÖ.)
Denn wie wäre es sonst erklärbar, dass in der
Begründung Ihr Kollege Stiftner - wahrscheinlich mit Ihrem Wissen, nehme ich an
- sich hier herstellt, von Wien verlangt, dass die Gebührenautomatik
zurückgenommen wird, aber gleichzeitig wissen muss - und das weiß er auch, weil
wir das hier bei Gemeinderatsdebatten schon öfters thematisiert haben -, dass
es im Bund die gleiche Automatik gibt, die die Unterschrift des Herrn
Vizekanzlers und Finanzministers trägt?
Sie, meine Damen und Herren von der Österreichischen
Volkspartei, messen mit zweierlei Maß! Sie sagen: Was für einen Willi im Bund
gut ist, gönnen wir keinem anderen Bundesland, und das darf nicht so sein, weil
es nicht so sein kann. Das ist eine zwiespältige politische Polemik, und die
werden Sie Ihren Wählerinnen und Wählern im Prinzip erklären müssen. Entweder
ist man gegen eine Automatik, dann muss man gegen die Automatik überall
auftreten, auch im Bund; oder man kann sagen, man akzeptiert eine Automatik,
dann müssen Sie sie vernünftigerweise auch in Wien diesbezüglich akzeptieren. (Beifall
bei der SPÖ. - Zwischenruf von GR Dipl-Ing Martin Margulies.)
Herr Kollege, lieber Martin, jetzt sage ich dir
etwas. Wir sind ja nicht die, die die Automatik in Frage stellen, das sind die
Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei. (GR Christian Oxonitsch: Valorisierungsautomatik!)
Wir haben diesbezüglich bei den Preisen immer einen fairen Standpunkt
vertreten, und den kennst du ja, weil ich ihn gewerkschaftlich auch sehr oft
mit deinem Vater diskutiert habe; wir haben da öfters gestritten. Das ist
natürlich zu vertreten: Wenn Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter - das verlangen wir ja, und ihr genauso - jedes Jahr
einen gerechten Anteil an der Wertsteigerung, an der Produktivität des
Unternehmens bekommen sollen und müssen, dann müssen natürlich auch Preise sich
diesbezüglich verändern.
Aber, Herr Dkfm Aichinger, ich habe eine Frage. Wenn
Sie heute so vehement dafür eintreten, dass Gebühren zurückgenommen werden
müssen, dann darf ich Sie fragen: Haben Sie Ihren Kollegen in der
Wirtschaftskammer, Ihren Spartenkollegen, diesen Vorschlag auch schon
mitgeteilt? Die Preissteigerungsraten der letzten Monate sind gerade in Ihrem
Bereich, wie ich in der Statistik der Arbeiterkammer nachlesen kann, so, dass
einzelne Produkte vor der EURO um bis zu 20 Prozent teurer geworden sind.
Wenn ich mir vorigen Monat bei Ihnen Turnschuhe gekauft habe: Bekomme ich dann
auch 20 Prozent zurück? Denn eigentlich müssten Sie das Ihren Konsumenten
auch rückerstatten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sehen Sie, das ist ein
Messen mit zweierlei Maß, was Sie machen, und das muss man auf das Tiefste
ablehnen! (Beifall bei der SPÖ.)
Meine Damen und Herren! Wenn
hier auch immer von den Ertragsanteilen gesprochen wird und wenn die ÖVP in den
letzten beiden Tagen auch vom Geldsprudeln des Bundes spricht, dann vergisst
sie, dass das Steueraufkommen des Bundes zu einem ganz wesentlichen Teil in
Wien lukriert wird. Der Großteil der gemeinschaftlichen Bundesabgaben wird vom
Finanzminister in Wien lukriert, die entsprechenden Anteile sind nach dem
Finanzausgleichspaktum zu verteilen. Das sind aber keine Geschenke, meine Damen
und Herren, des Onkels aus Amerika oder des Willi aus der Himmelpfortgasse und
auch nicht des Bundes, das sind gerechtfertigterweise uns zustehende Einnahmen,
die wir für die Wiener Bürgerinnen und Bürger auch dementsprechend verwenden.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich dann noch
anschauen, wie sich diesbezüglich die Ertragssituation entwickelt hat, dann
kann man feststellen, dass in den letzten Jahren von den Bundesabgaben, die
wieder den Gemeinden und Ländern retourniert wurden, in Gesamt-Österreich ohne
Wien eine Steigerungsrate von kläglichen und mageren 0,4 Prozent zu
verzeichnen war. Ich darf Ihnen sagen, Wien hat keine Steigerung erfahren,
sondern die Bundesanteile haben um 3 Prozent abgenommen! Hier darüber zu
reden, dass wir Geldgeschenke bekommen, ist daher auch inhaltlich nicht
richtig.
Nun zu ein paar völlig nebulosen
Fakten von Ihnen: Beim Abwasser - das wurde heute ohnehin schon gesagt -
erfolgte 2006 die Gebührenanpassung; es war die erste nach sage und schreibe
elf Jahren. Die Inflation stieg in diesem Zeitraum um 26,8 Prozent. Bei
der
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