Gemeinderat,
35. Sitzung vom 24.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 47 von 118
Man sieht, was Integrationspolitik nach Wiener Art bedeutet, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPÖ macht einen Alleingang nach dem anderen und gibt sich gekränkt, wenn die Opposition diesem Schauspiel die Zustimmung verweigert.
Wir sagen: Schluss mit dieser beliebigen
Subventionspolitik! Subventioniert wird heute, wer gute Kontakte im Rathaus
vorzuweisen hat. Freunderlwirtschaft als Subventionsgrund ist in Wien leider
keine Seltenheit, doch damit muss endlich Schluss sein. So, meine Damen und
Herren, kann Integration nicht funktionieren!
Es ist hinlänglich bekannt, dass Integration eine
Querschnittsmaterie ist und alle Bereiche des Lebens umfasst, und deswegen ist
es uns auch ein Anliegen, dass endlich eine ressortübergreifende Schnittstelle
geschaffen wird und wir im Integrationsausschuss dann auch wissen, was etwa in
den Ausschüssen Soziales, Gesundheit und auch Kultur im Zusammenhang mit dem
Integrationsbereich beschlossen wird.
Ich habe noch einiges zu sagen, aber meine Zeit geht,
wie ich sehe, langsam zu Ende.
Ich komme zum Schluss: Nicht nur wir üben Kritik,
sondern auch viele Zeitungs-Kolumnisten kritisieren das, worauf auch ich vorhin
eingegangen bin: Diese Stadt arbeitet im Integrationsbereich sehr langsam, die
Integrationsmaßnahmen sind nicht messbar, und es gibt keine Indikatoren. Wir
hoffen, dass endlich eine Kehrtwendung in dieser Richtung einsetzt und der Satz
„Nicht nur verwalten, sondern gestalten“ mehr in den Vordergrund der Politik
dieser Stadt tritt und zum Leitthema wird. – Herzlichen Dank. (Beifall
bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zu
Wort gemeldet ist Frau GRin Yilmaz. Ich erteile es ihr.
GRin Nurten Yilmaz (Sozialdemokratische
Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr
Vorsitzender! Frau Stadträtin! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich
probiere einmal, das Thema Integration auch von einer anderen Seite zu
diskutieren.
Zuerst begrüße ich aber unsere jungen Freunde und
Freundinnen auf der Tribüne! Herzlich willkommen! Es wird gerade ein sehr
wichtiges Thema diskutiert!
Sehr geehrte Damen und
Herren! Das Hamburger Wirtschaftsinstitut hat vor einer Woche eine Studie vorgelegt.
In dieser wurde untersucht, welchen Einfluss die Verleihung der deutschen
Staatsbürgerschaft auf das Einkommen von MigrantInnen und auf das
Wirtschaftsleben hat. – Das Ergebnis ist, dass ausländische Beschäftigte,
die sich einbürgern lassen, ein höheres Lohnniveau haben als nicht
eingebürgerte ausländische Beschäftigte. Eingebürgerte verdienen im Jahr nach
der Einbürgerung um zirka 2 Prozent mehr als im Jahr zuvor. In den
Folgejahren wachsen die Einkommen vergleichsweise stärker. Die Löhne der eingebürgerten
Beschäftigten steigen bei identischem Bildungsniveau, bei gleicher
Berufserfahrung und bei Beschäftigung im gleichen Wirtschaftssektor schneller
als die der nicht eingebürgerten Ausländer. Der positive Wachstumseffekt der
Einbürgerung auf das Lohnniveau ist dabei überdurchschnittlich stark ausgeprägt
für jene Gruppe von Ausländern, die von außerhalb der Europäischen Union
zugewandert sind, und er tritt bereits unmittelbar nach der Einbürgerung auf.
Was bedeutet das? Der
deutsche Pass hebt funktionale und rechtliche Arbeitsmarktbeschränkungen
auf. – Ich zitierte aus der Studie: „Der uneingeschränkte Zugang von
Eingebürgerten zum Arbeitsmarkt ermöglicht eine bessere Ausschöpfung von
Fähigkeiten und reduziert zugleich die Integrationskosten. Einbürgerung fördert
ab dem Zeitpunkt der Entscheidung, sich einbürgern zu lassen, Investitionen in
Humankapital, was sich im Zeitablauf positiv auf die Produktivität auswirkt.
Von den Arbeitgebern wird Einbürgerung als positives Signal gewertet.“
Sehr geehrte Damen und
Herren! Das sind ganz klare Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie. Und das
ist übrigens keine 08/15-Untersuchung, sondern die Auswertung einer Befragung
von 60 000 Beschäftigten in Deutschland. Einbürgerung lohnt sich also. Zu
dieser Erkenntnis kam auch die Integrationsbeauftragte Deutschlands, Maria
Böhmer.
In einer zweiten Studie wurde der Einfluss von
Diversität auf die Wirtschaft untersucht, und siehe da! Auch hier kommen die
Studienautoren zum Schluss, dass kulturelle Vielfalt in den Betrieben den
Betrieben nutzt. „No na!“ sagen wir, denn diese Ergebnisse bestätigen unseren
Zugang zum Thema Integration und Diversität. Diese Studie zeigt aber noch zwei
andere Besonderheiten auf, nämlich dass es erstens derartige Studien in
Österreich nicht beziehungsweise viel zu wenig gibt. Das Thema Integration und
Diversität wird auf Bundesebene sehr stiefmütterlich behandelt. Es gibt keine
Anreize für WissenschafterInnen, sich diesem Thema zu widmen. Und zweitens
haben wir in Österreich keine Integrationsbeauftragte in der Bundesregierung,
wie es Frau Böhmer in Deutschland ist. Das ist übrigens auch eine jahrelange
Forderung der SPÖ.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist fachlich nicht
nachvollziehbar, dass der Innenminister für Integration zuständig ist. Bekanntlich
findet Integration in der Arbeit, in der Schule, im Kindergarten, in der
Freizeit und im öffentlichen Raum statt. All das sind Orte und Gegebenheiten,
die nichts – aber auch gar nichts! – mit einem Polizeikommissariat zu
tun haben.
Wir sehen auch die Auswirkungen dieser Kompetenz am
falschen Platz: Der Herr Innenminister präsentierte im Jänner einen
Integrationsbericht, den er übrigens ohne Kooperation mit Ländern, dem
Parlament oder fachkundigen Organisationen verfassen ließ. – In diesem
Bericht wird von ZuwanderInnen Folgendes gefordert – ich zitiere: „Wohl
aber muss der Zuwanderer die prägenden Wertvorstellungen anerkennen, sein Leben
danach ausrichten und die entsprechenden Rechtsvorschriften des Aufnahmelandes
beachten.“
Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Alle müssen entsprechende Rechtsvorschriften beachten! Das müssen wir,
das müssen Sie, das müssen auch die Zuwanderinnen und Zuwanderer. Was mich
dabei wirklich irritiert, ist der Begriff „prägende Wertvorstellungen“,
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