Gemeinderat,
35. Sitzung vom 23.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 61 von 126
Beim DramatikerInnen-Stipendium sind von fünf Personen drei Frauen, und auch dieses Verhältnis von 60 Prozent zu 40 Prozent wird in einem großen Kuchendiagramm veranschaulicht. Auch so kann man natürlich Seiten füllen! Auch das Verhältnis der Jurymitglieder für Preise und Stipendien für literarische Übersetzende – drei Jurymitglieder, eine Frau, 33,3 Prozent – wird Gott sei Dank graphisch dargestellt. Sonst hätten wir uns das nicht vorstellen können! Beim ÜbersetzerInnenpreis haben wir die umgekehrte Situation: vier Stipendien, drei Frauen, 75 Prozent. Danke, dass wir auch dafür ein großes Diagramm anschauen dürfen!
Das ist dann eben dieser Frauenkulturbericht. Man hat
damit wahrscheinlich dem Gender Budgeting – oder wie auch immer man das
jetzt nennt – Genüge getan! Man hat wieder die VorreiterInnenrolle
hervorgekehrt und gezeigt, dass man am Puls der Zeit ist. In Wirklichkeit ist
das eine Augenauswischerei, und Sie alle wissen das selbst ganz genau!
Mehr braucht man gar nicht zu sagen, um
festzustellen, dass die Art und Weise, wie die Kulturpolitik in Wien läuft,
nicht unsere Sache ist. Das ist im Wesentlichen eine Politik, die am Bürger und
am Publikum vorbei geht und den Bürger und das Publikum nicht in den
Mittelpunkt stellt. Sehr oft ist es eine Sparten- und Nischenpolitik für
Günstlinge. Und das spiegelt sich, wie ich schon gesagt habe, im Kulturbericht
wider.
In Hinblick darauf halte ich fest: Eine derart
korrupte Kulturpolitik findet nicht mit uns statt! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzende GRin Inge Zankl:
Als Nächste zu Wort gelangt Frau GRin Mag Ringler.
GRin
Mag Marie Ringler (Grüner Klub im Rathaus): Sehr geehrte Damen und Herren!
Ein
Wort zu meinem Vorredner. Es ist einigermaßen schäbig, lieber Herr Stefan, wie
Sie verdienten, international anerkannten Künstlerinnen und Künstlern in diesem
Land ihre Ehrenpension madig machen! (GR Mag Harald Stefan: Darauf bin
ich aber stolz!) Seien Sie nur stolz darauf! Ich finde, Sie sollten sich
dafür genieren. (Beifall bei den GRÜNEN. – GR Kurth-Bodo Blind:
Überhaupt nicht!)
Der
Rechnungsabschluss 2007 ist immer ein guter Anlass, um einen Rückblick auf das
letzte Jahr zu machen und die Frage zu stellen: Hat sich etwas geändert? (GR
Kurth-Bodo Blind: Ja! Die GRÜNEN sind heruntergekommen!) Ist etwas anders
geworden in dieser Stadt? Hat die Selbstbeweihräucherungstaktik der SPÖ etwas
zum Guten gebracht? Frau StRin Brauner hat ja heute die Taktik von
George W Bush verfolgt, nämlich: „Either you are with us
or you are with them!“ – Ich meine, das ist wohl ein etwas seltsames Demokratieverständnis, wenn die
Kontrolle und die Kritik der Opposition in dieser Form abgelehnt werden!
Hat
sich etwas geändert? – Leider nein! Das Kulturbudget ist allerdings auch
dieses Jahr wieder gestiegen, was uns grundsätzlich freut. Bei
einem genaueren Blick darauf, wohin es hingeflossen ist, müssen wir aber auch
dieses Jahr wieder konstatieren, dass große Brocken Geldes in einige wenige
große Kulturtanker geflossen sind und dass die vielen kleineren Institutionen
dieser Stadt über nur unwesentlich mehr beziehungsweise in den meisten Fällen
gar nicht mehr Geld verfügen.
Das Budget zeigt zum Beispiel, dass der Budgetansatz
für das Personal der MA 7 und der MA 8, für Aufwendungen,
Betriebskosten und Ähnliches mehr gestiegen ist. Das ist auch gut und richtig,
denn wir gönnen den verdienten und hart arbeitenden Beamten in diesen
Abteilungen ihre Biennalsprünge und ihre Inflationsabgeltungen, denn wir alle
wissen, dass das Leben teurer geworden ist.
Es erhebt sich nur die Frage: Wieso bekommen das die
kleinen Institutionen nicht auch? Wieso bekommen das Volkstheater, die
Josefstadt oder die Vereinigten Bühnen mehr Geld, wenn sie mehr Geld brauchen,
weil alles teurer geworden ist, nicht hingegen die Kleineren? Wieso bekommen
sehr viele Institutionen in dieser Stadt seit vielen Jahren die exakt gleiche
Subventionsmenge und damit real jedes Jahr weniger Geld? – Wir halten das
für eine ganz problematische Entwicklung, die zwar vielleicht aus den Zwängen
der Realität heraus erklärt werden kann. Wir meinen allerdings schon, dass es
Aufgabe sozialdemokratischer Kulturpolitik wäre, darüber nachzudenken, ob es
hier nicht auch Veränderungsbedarf und Auswege gibt.
Wer hat in den letzten Monaten in dieser Stadt mehr
Geld bekommen? – Die Parteivereine der ÖVP, die Parteivereine der SPÖ, die
Parteivereine der FPÖ! Im letzten Kulturausschuss wurden
2,28 Millionen EUR für SPÖ-nahe Kulturvereine beschlossen. Die GRÜNEN
haben wohlweislich nicht mitgestimmt, alle anderen Parteien tun sich aber am
Kulturbudget gütlich. Sehr geehrte Damen und Herren von der SPÖ! Wenn Sie
glauben, dass das die Taktik ist, mit der Sie Stimmen in dieser Stadt gewinnen,
dann meine ich, dass Sie sich zunehmend irren!
Sehr geehrte Damen und Herren von der Anstandspartei
FPÖ! Auch Ihre Wählerinnen und Wähler finden es gar nicht toll, dass Sie jetzt
mit an Bord sind! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich höre nur sehr
interessiert Ihre Zwischenrufe, aber sie führen zu nichts! Sie sind alle nur
etwas betropezt, wie man so schön sagt!
Wir GRÜNE sind ein hervorragendes Beispiel dafür, wie
man mit einer Politik, die sich von Parteifinanzierungen der besonders
unsympathischen Sorte fernhält, Sympathien in der Bevölkerung gewinnen kann! (GR Mag Harald Stefan: Quod erat
demonstrandum!)
Transparenz ist immer das ganz große Thema bei der
Budgetdebatte, sowohl beim Rechnungsabschluss als auch beim Voranschlag. Auch
dieses Jahr ärgern wir uns darüber, dass wir den Kulturbericht um 9.25 Uhr in
der Früh bekommen und nicht ein paar Tage vorher. Ich gehe davon aus, dass er
seit vielen Tagen fertig ist und der Herr Stadtrat ihn bereits gelesen hat.
Möglicherweise hat ihn auch Herr Woller schon vorige Woche gesehen. Wir als
grüne Altopposition und diejenigen, die kontrollieren sollen und wollen und es
auch tun, bekommen ihn jedoch erst wenige Stunden vor der Debatte!
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