Gemeinderat,
35. Sitzung vom 23.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 60 von 126
wird vollkommen ignoriert, dass Kunst eigentlich mit dem Herzen aufgenommen wird und in Wirklichkeit keiner Vorbildung bedarf. Wenn man nämlich allzu viel erklären muss, dann ist natürlich auch der Manipulation Tür und Tor geöffnet.
Ich meine, Qualität muss man irgendwie messen können,
beziehungsweise müsste man zumindest Kriterien anlegen, nach welchen man
Qualität misst. Und wenn diese überhaupt nicht auf Grund von
Publikumsbefragungen oder über Besucherzahlen gemessen wird, dann ist das Ganze
der freien Willkür jener überlassen, die vorschreiben, was Qualität ist. Und
das sind, wenn man die Förderungen betrachtet, bei uns jedenfalls Beamte. Und
ob das der richtige Weg ist, ist sehr fraglich!
Kunst ist für die Gesellschaft wichtig und soll an
möglichst viele Menschen herangetragen werden. Wenn aber Letzteres kein
Kriterium ist und man lieber im Elfenbeinturm bleibt, dann steht es schlecht um
die Vermittlung der Kunst! Es ist, wie gesagt, wichtig, dass man mit der Kunst
an die Menschen herankommt, und wenn alles ungesehen bleibt, dann ist das Ganze
irrelevant! Es sollte also endlich einmal dieser Gradmesser eingeführt und als
echtes Kriterium herangezogen werden.
Auf Grund dessen, dass dieser Aspekt dermaßen
ignoriert wird, ist auch die Erhöhung des Budgets nur sehr relativ. Man kann
nämlich nicht das Budget für Kultur als absoluten Wert erhöhen, sondern es
kommt dabei darauf an, was damit erreicht wird und wie die Menschen damit
erreicht werden.
Zur Geldverschwendung nur ein Beispiel: Wir werden am
nächsten Montag die Eröffnung des Ronacher sehen. Ich bin sicher, es wird
wunderbar und ganz toll sein, was allerdings bei diesem Preis auch keine Kunst
ist! Und es wird sich noch herausstellen, was hier alles kreativ
hineininterpretiert beziehungsweise, was an Subventionen und Zahlungen
ausgegliedert wurde, und dann werden wir sehen, was der Ronacher-Umbau
tatsächlich gekostet hat.
Ein Zeichen für den Zustand der Kultur sind auch die
Ehrungen, die es immer wieder gibt. – Da gibt es einen besonders sensiblen
Bereich: Wenn man die Pensionsdiskussionen verfolgt, dann kann man feststellen,
dass die Bevölkerung auf die Pensionen besonders achtet. Bei uns in Wien gibt
es bekanntlich Ehrenpensionen, und so bekommt etwa auch ein Oswald Wiener eine
Ehrenpension. Vielleicht kann sich der eine oder andere noch an seinen Beitrag
zur Biennale in Venedig erinnern: Da wird ein Kleinkind gezeigt, das wie zum
Wickeln die Beine hoch streckt, und dahinter sieht man einen erigierten Penis,
der einzudringen droht. – Das ist offenbar ein wesentlicher Beitrag, der
dazu führt, dass man 14 Mal pro Jahr 1 000 EUR als Ehrenpension bekommt!
Ich meine, das ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Pensionisten, die für
solche Beträge ein Leben lang arbeiten mussten, sondern auch ein Zeichen dafür,
wie man in der Stadt Wien Ehre versteht.
Für interkulturelle Aktivitäten gab es allein in
diesem Bereich 730 000 EUR, und wir wissen, das zieht sich durch alle
Bereiche. Hier wird offenbar Klientenpolitik betrieben. Man will sich eine neue
Wählerstruktur schaffen, nachdem die alte zusehends wegbricht. Die Talfahrt
wird man damit allerdings nicht aufhalten können, das ist klar. Das Gegenteil
wird der Fall sein: Man wird damit in Wirklichkeit nur die
Parallelgesellschaften verstärken und fördern, und in nicht allzu ferner
Zukunft – das hat es ja schon gegeben – wird es dann ethnische
Parteien geben, und dann werden Ihnen diese Leute wegbrechen, auf die Sie jetzt
so bauen und von denen Sie glauben, dass Sie damit Ihre Wahlen retten können!
Zu den Wiener Festwochen: Auch das ist ein Bereich,
in den sehr viel Geld fließt. Im Kulturbericht werden nur die am besten
besuchten Veranstaltungen angeführt, jeweils mit 100 Prozent Auslastung. Mich
hätte aber auch interessiert, welche Auslastung die am schlechtesten besuchten
Veranstaltungen haben. Wir werden dann aber wahrscheinlich erst wieder im
nächsten Kontrollamtsbericht lesen dürfen, dass es bis zu 1 000 EUR an
Förderung pro Sitzplatz gibt!
Wir wissen, dass das eben ganz besonders
anspruchsvolle Produktionen sind! Ich habe vorher schon davon gesprochen. Das
sind die Produktionen, bei denen das Publikum einfach nicht versteht, wie gut
sie sind. Dafür sind wir offenbar noch nicht aufgeklärt genug! – Ich
meine, es wäre ganz schön, wenn man auch da ein bisschen Offenheit zeigen und
ein bisschen Selbstkritik hineinbringen könnte! Immerhin hatten wir 41
Produktionen aus 24 Ländern, was beim Sprechtheater durchaus als Nischenpolitik
zu bezeichnen ist.
Das Dokumentationsarchiv des österreichischen
Widerstandes erwähne ich hier auch immer sehr gerne. Es ist wirklich
interessant, dass dieses jetzt, also mehr als 60 Jahre nach Ende des
Krieges und nach Ende dessen, was österreichischer Widerstand bedeutet hat,
immer mehr an Bedeutung gewinnt. Es wird ja jetzt schon jedes
Straßenbenennungs-Vorhaben dem Dokumentationsarchiv vorgelegt, und es werden
jetzt nicht nur neue Vorhaben, sondern auch die alten Benennungen überprüft. Es
ist doch wirklich toll für einen privaten Verein, dass er letztendlich darüber
entscheiden darf, wie bei uns Straßen benannt werden! Alle Achtung!
Die Theaterreform ist eine Dauerbaustelle. Damit
haben Sie aber sicherlich selbst genug zu tun, in dieser Wunde brauche ich wohl
gar nicht weiter zu wühlen! Ich sage nur: Viel Spaß!
Zum Frauenkulturbericht: Es ist natürlich immer
schwer für mich als Mann, über den Frauenkulturbericht zu sprechen. – Ich
muss gestehen, ich halte ihn tatsächlich für eine Augenauswischerei. So wird
zum Beispiel festgehalten, dass bei einem Theater bei geteilter Leitung der
Förderungsbetrag nicht geteilt, sondern zu 100 Prozent dem Frauenanteil
zugeschlagen wird. Da relativiert sich schon sehr, was unter einem
Frauenkulturbericht zu verstehen ist!
Weiters finden sich immer wieder
diese wunderbaren Kuchendiagramme, etwa wenn es darum geht, dass eine Jury aus
vier Mitgliedern besteht und zwei davon Frauen und zwei Männer sind. Dieses
50-Prozent-Verhältnis wird dann in einem großen Kuchendiagramm dargestellt.
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