Gemeinderat,
35. Sitzung vom 23.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 126
anschaut, kommt man einfach drauf, dass, nimmt man einen Basisstichtag 1999, die Bezirksbudgets geringer gewachsen sind als die Inflation, geringer gewachsen sind als die Ertragsanteile, gut und schön, und die Aufgaben gestiegen sind. So kann es nicht weitergehen! Ich glaube, das hat auch die Sozialdemokratie mittlerweile eingesehen.
Wo wir allerdings stehen - und das ist das
Entscheidende, auch schon für das Budget 2009 -: Wollen wir die Bezirke im
Rahmen ihres Aufgabenbereiches zu Almosenempfängern machen, die sich, weil sie
mit dem Geld nicht auskommen, regelmäßig beim Zentralbudget anstellen müssen?
Oder wollen wir tatsächlich den Bezirken im Rahmen ihrer Kompetenz eine
sinnvolle und wirklich gestaltbare Aufgabenerfüllung zumuten?
Die GRÜNEN stehen seit Jahren für Zweiteres, und ich
hoffe, dass das Ergebnis Ihrer gemeinsamen Evaluierung ein gemeinsamer
Beschluss im Gemeinderat sein wird, dass wir alle miteinander dafür stehen,
dass den Bezirken die Möglichkeit eingeräumt wird, in ihrem Kompetenzbereich
sinnvoll zu agieren. Das geht nur dann, wenn für jeden einzelnen Bezirk auch
eine freie Finanzspritze da ist, mit der man tatsächlich hantieren kann, wobei
nicht jede einzelne Summe, jeder einzelne Euro von vornherein de facto in
Fixkosten verplant ist.
Das ist auch das zentrale Problem, das wir im Rahmen
des Pflichtschulbereiches haben. Mit der jetzigen Umgestaltung auf den
10-Jahres-Plan zur Pflichtschulsanierung - es wurde schon gesagt - treibt man
entweder die Bezirke in den Bankrott oder aber man lässt sie als
Almosenempfänger sich anstellen. Ich glaube nicht, dass das unser zukünftiger
Weg sein sollte.
Ein letzter Punkt, den ich in diesem Rahmen noch
einmal ansprechen möchte, betrifft die Frage der Wirtschaftsförderung, weil das
immer wieder kommt. Ich sage ganz ehrlich, die 17. Gebührendebatte möchte
ich nicht mehr hören, und in der jetzigen Situation hört außer uns selbst
sowieso niemand zu. Aber bei der Wirtschaftsförderung gibt es natürlich einen
Punkt, der schon ganz entscheidend ist.
Wenn rund 95 Millionen EUR für
Wirtschaftsförderung ausgegeben werden, werden davon allein
33 Millionen EUR der Rücklage zugeführt, und zwar der Rücklage aus der
Parkraumbewirtschaftung. Mit Stichtag 31. Dezember 2007 liegen
84 Millionen EUR aus der Parkraumbewirtschaftung in der Rücklage -
und gleichzeitig heißt es, wir haben kein Geld, um den 21er zu erhalten;
gleichzeitig heißt es, wir haben kein Geld, um andere Sachen im
wirtschaftlichen Bereich zu forcieren.
Also bitte, ändern wir diese restriktive Zweckbindung
für die Parkraumbewirtschaftung! Schaffen wir einen verstärkten Anteil für
Ausbaumaßnahmen im Bereich des öffentlichen Verkehrs. Versuchen wir wirklich
gemeinsam, diese Impulse zu geben - das Geld ist da -, versuchen wir, dieses
Geld für Wien nutzbar zu machen, und verwenden wir es nicht regelmäßig als
Rücklage nach einem überkommenen Vorstellungsprinzip, wonach vielleicht
irgendwann einmal wieder eine Volksgarage gebaut wird und vielleicht irgendwann
wieder eine Park-and-ride-Anlage im Bereich einer U-Bahn-Endstelle gebaut wird,
die, wenn wir die Umgestaltung des öffentlichen Verkehrs ernst nehmen, über
kurz oder lang wirklich überflüssig wird.
Unser Ziel ist es doch - zumindest habe ich diese
Absichtserklärung nicht nur von den GRÜNEN, sondern auch von den anderen
Fraktionen gehört -, dass die Menschen, insbesondere viele Pendler und
Pendlerinnen, auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Ja, dann investieren
wir endlich in die öffentlichen Verkehrsmittel! Dann soll auch insbesondere
Niederösterreich noch stärker in Park-and-ride-Anlagen an den Strecken seiner
öffentlichen Verkehrsmittel investieren. Dann braucht es natürlich auch eine
verstärkte Taktfrequenz bei Buslinien rund um Wien, und so weiter. Aber das
Konzept der Park-and-ride-Anlagen in Wien, an den Stadträndern, sollte
eigentlich ein überholtes Konzept sein.
In diesem Sinne ist es meines Erachtens wirklich
notwendig, diese Rücklage für einen sinnvollen Gestaltungsspielraum herzunehmen
und in den öffentlichen Verkehr und in Umstiegsmaßnahmen auf den öffentlichen
Verkehr zu investieren.
Abschließend noch der Punkt zurück zur Europäischen
Union: Wie Sie mitbekommen haben, hat der europäische Ministerrat eine
Arbeitszeitrichtlinie beschlossen, eine Arbeitszeitrichtlinie, die maßgebliche
Verschlechterungen im Vergleich zum österreichischen Arbeitsrecht beinhaltet.
Dieser Beschluss geht somit in eine vollkommen falsche Richtung. Er ermöglicht als
Norm-Beschäftigungsverhältnis die 48 Stunden-Woche, zum Teil sogar einen
Ausbau auf 65 Stunden pro Woche! Glauben Sie mir, die Wirtschaft wird sich
freuen. Sie wird dann sagen: 65 Stunden-Woche ohne vollen Lohnausgleich,
arbeiten Sie einfach länger! Denn noch gibt es Arbeitslose genug.
Daher bringen wir einen Beschluss- und
Resolutionsantrag ein, in dem der Wiener Gemeinderat an die Mitglieder des
Europäischen Parlaments appelliert, der EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht
zuzustimmen.
Des Weiteren bringen wir einen Antrag für ein
arbeitsmarktpolitisches Aktionsprogramm für Frauen ein, in dem es insbesondere
darum geht, dass die Fördermittel der Stadt Wien aufgestockt werden, dass es
einen Ausbau und eine Förderung von Vollzeitarbeitsplätzen für Frauen gibt,
sowie um einige weitere Punkte, die ich jetzt nicht vorwegnehmen möchte, weil
meine Kollegin StRin Monika Vana dazu ausführlich Stellung nehmen wird. - Danke
sehr. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zum
Wort gemeldet ist nunmehr Herr GR Dkfm Dr Aichinger. - Bitte.
GR Dkfm Dr Fritz Aichinger (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr
Berichterstatter! Meine Damen und Herren!
Ich habe nicht vorgehabt, noch
einmal die Idee unseres Klubobmanns Matthias Tschirf aufzugreifen, mehr in den
Ausschüssen über die Budgets und Voranschläge beziehungsweise
Rechnungsabschlüsse zu debattieren. Aber man sieht jetzt an der Präsenz nach
vierdreiviertel Stunden: Es ist wirklich schon die Luft draußen!
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