Gemeinderat,
34. Sitzung vom 04.06.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 56 von 91
nebenbei, weitergegeben wurden. Dieses Schreiben
blieb unbeantwortet.
Nunmehr wurden all diese Vorgänge auch der
Staatsanwaltschaft übermittelt und wie schon gesagt, liegen mir alle diese
Unterlagen im Detail vor. Alles, was sie jetzt von dem, was ich gesagt habe,
nicht glauben, kann ich Ihnen inklusive der Fotos und mehr zeigen. Ich kann mir
schon vorstellen, was jetzt als Argument kommen wird. Es wird jetzt heißen: Na
ja, es wird ein laufendes Verfahren, das muss man erst abwarten, es gilt die
Unschuldsvermutung, es ist nur die Anzeige eines Einzelnen und die Bildung
einer Arbeitsgemeinschaft ist durchaus üblich. Aber um das geht’s nicht:
1. geht es mir hier nicht um ein straffreies
Verhalten, sondern es geht darum, welches System im Rathaus herrscht, dass das
möglich ist, was ich Ihnen hier geschildert habe.
2. Es gab immer wieder Hinweise auf Preisabsprachen
und Malversationen im Zusammenhang mit Bauvorhaben der Gemeinde Wien und Wiener
Wohnen. Aber noch nie haben wir so konkrete Informationen gehabt, so konkrete
Unterlagen, weil offenbar letztlich doch immer wieder die Angst regiert hat.
Aber wir haben immer wieder Informationen bekommen und dann aber immer wieder
letzlich hören müssen: Nein, also ich trau’ mich das aber nicht herzugeben. Ich
kann Ihnen das nicht geben, weil ich dann Schwierigkeiten bekomme.
3. Ja, es ist richtig, Arbeitsgemeinschaften sind
durchaus üblich. Aber in einer derartigen Weise, dass es neun
Arbeitsgemeinschaften für neun Kundendienstzentren gibt, wo genau jene Personen
dann zum Zug kommen, die sich bei der Informationsveranstaltung am 5. März 2007
getroffen haben und dann hier abgestimmte Preise abgeben können - das können
Sie mir nicht erzählen, dass das üblich ist.
Das Ergebnis: Die Mieter im so genannten sozialen
Wohnbau müssen die überhöhten Preise bezahlen, wie gesagt, vorsichtig geschätzt
105 Millionen EUR in 3 Jahren. Und wenn ein derartiges
Zusammenspiel bei dieser Ausschreibung möglich ist, dann fragt man sich, was
ist in dieser Stadt sonst noch möglich? Haben wir es nur mit der Spitze des
Eisbergs zu tun? Haben wir nur das Glück, einmal hier wirklich Informationen zu
bekommen, weil sich einer traut, die Unterlagen weiterzugeben?
So darf es jedenfalls nicht weitergehen, Herr
Bürgermeister! Ich hoffe, Sie nehmen die Vorwürfe und Informationen, die wir
Ihnen geben, ernst und stellen sicher, dass nicht in Zukunft die Mieter von
Wiener Wohnen und letztlich damit natürlich auch der Wiener Steuerzahler
derartig überhöhte Preise zahlen müssen und damit den Gewinn Einzelner
finanzieren! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm:
Zur Beantwortung der Dringlichen Anfrage hat sich der Herr Bürgermeister zum
Wort gemeldet. Bitte schön.
Bgm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Gemeinderat!
Zur 1. Frage, ob mir die Ungereimtheiten - und
ich verkürze diese Fragen - bei der Ausschreibung vom 15.02.2007 für einen
laufenden Rahmenvertrag über laufende Adaptierungs- und Instandsetzungsarbeiten
sowie für Neuarbeiten kleinen Umfangs bekannt sind, darf ich Ihnen antworten:
Der angesprochene Vergabevorgang, also ein offenes
Verfahren, Rahmenvertrag Gas-, Wasser-, Heizungsinstallationen - Sie haben das
dargestellt - war bereits mehrfach Gegenstand von Vergabekontrollverfahren -
das haben Sie vergessen zu erwähnen - vor dem Vergabekontrollsenat - das haben
Sie auch vergessen zu erwähnen. Keines dieser behördlichen Verfahren hat
Hinweise auf jene Ungereimtheiten ergeben, die Gegenstand der wahrscheinlich
von Ihnen inszenierten medialen Berichterstattung, aber auch der Gegenstand
dieser Dringlichen Anfrage sind.
Ich möchte daher festhalten, dass auch Wiener Wohnen
in diesem Zusammenhang eine Anzeige gegen unbekannte Täter wegen Nötigung,
schwerer Erpressung, Verleumdung und Kreditschädigung an die Staatsanwaltschaft
Wien übermittelt hat.
Zum Zweiten kommt es öfter vor, dass Entwürfe von
Ausschreibungen zur Kontrolle an potenzielle Anbieter übergeben werden. Es
versteht sich von selbst, dass die Mitarbeiter von Wiener Wohnen alle
kalkulationsrelevanten Informationen geheim zu halten haben. Eine Kontrolle
„von Ausschreibungsentwürfen durch potenzielle Bieter“ ist schon deshalb nicht
erforderlich, weil die Leistungsverzeichnisse durch externe Sachverständige
erstellt und kalkuliert werden. Wiener Wohnen bedarf daher bei der Erstellung
der Ausschreibungsunterlagen nicht der Mithilfe der Bieter.
3. Wie erklären Sie sich die Erhöhung der Grundpreise
vom Entwurf der Ausschreibungen aus dem Jahr 2005 zur tatsächlichen
Ausschreibung vom 15.02.2007?
Bei dem hier in Rede stehenden Entwurf der
Ausschreibung handelt es sich lediglich um ein internes Arbeitspapier, das
weder vollständig noch preisevaluiert war. Dieses interne Arbeitspapier ist mit
keiner kostenrechnerischen Preisermittlung hinterlegt gewesen. Das
Leistungsverzeichnis, welches von einem Sachverständigen kalkuliert wurde,
verfügt insgesamt über 1 214 Positionen. Die in den Medien kolportierte
300-prozentige Abweichung gegenüber dem internen Arbeitspapier betraf lediglich
2 Positionen von 1 214 und ist mit Sicherheit sachlich
erklärbar. Auch ein beigezogener externer Sachverständiger hat nach einer
nochmaligen Prüfung bestätigt, dass diese der Ausschreibung zu Grunde gelegte
Kalkulation richtig ist.
4. Halten Sie es in Anbetracht der auch Wiener Wohnen
vorliegenden Informationen für richtig, die Vergabe auf Grund der bedenklichen
Ausschreibung mit den kritisierten Preisen durchzuführen? Wäre es nicht
sinnvoll, bis zur vollständigen Klärung die Ausschreibung auszusetzen?
Das Bundesvergabegesetz 2006
kennt kein Aussetzen der Vergabe. Die Bieter haben einen Rechtsanspruch darauf,
dass die Auftraggeber das
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