Gemeinderat,
33. Sitzung vom 08.05.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 89
GRin Mag Alev Korun
(Grüner Klub im Rathaus): Sehr
geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich wollte mich ursprünglich nicht zum Wort melden,
aber die Hartnäckigkeit, mit der die ÖVP die Tatsache verleugnet, dass
entsprechende rechtliche Bestimmungen, die Sie in Ihrem Antrag oder mit Ihrem
Antrag verlangen, schon seit fast zwei Jahren Gesetzesmaterie sind, nämlich
Teil des Österreichischen Strafgesetzbuches, hat mich dazu veranlasst, mich
doch kurz zum Wort zu melden, um das richtigzustellen, damit es auch ins
Protokoll hineinkommt: § 106 Abs 3 des Österreichischen
Strafgesetzbuches lautet unter dem Titel „Schwere Nötigung: Wer eine Nötigung
begeht, indem er die genötigte Person zur Eheschließung, zur Prostitution oder
zur Mitwirkung an einer pornographischen Darbietung – Klammer: § 315a
Abs 3 - oder sonst zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung
veranlasst, die besonders wichtige Interessen der genötigten oder einer dritten
Person verletzt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren
zu bestrafen.“ Zitat Ende.
Ich möchte auch (GRin Mag Barbara Feldmann: Und
das scheint Ihnen nicht wichtig!) noch einmal betonen, dass das, wie es
hier formuliert ist, sogar weit über das hinaus geht, was Sie verlangen. Sie
wollen nämlich im Gesetz eine Nennung von Zwangsehe oder Zwangsverheiratung.
Hier ist nicht nur von Zwang, sondern eben viel weitergehender auch von
Veranlassung die Rede. Also nicht nur das direkte Erzwingen einer Ehe, sondern
auch die Veranlassung. Mit dieser Bestimmung wurde nämlich nicht nur, wenn Sie
so wollen, ganz konkret der Vater oder ein allfälliger Vater, der seine Tochter
zu einer Ehe zwingt, betroffen oder ist nicht nur der betroffen, sondern auch
andere Familienmitglieder und andere Personen, die das dulden, unterstützen
oder aktiv betreiben oder nichts dagegen tun. Da ist die Rechtslage. Die ist
übrigens seit 1.7.2006, also bald seit zwei Jahren, in Kraft.
Unter anderem deshalb werden wir Ihrem Antrag nicht
zustimmen, weil es in Ihrem Antrag eigentlich um bloßen Populismus und um
Stimmungsmache geht (GRin Mag Barbara Feldmann: Sie trauen sich nicht!) und
weil Sie angeblich etwas haben wollen, was es im Österreichischen
Strafgesetzbuch seit zwei Jahren schon gibt. – Danke schön. (GRin Mag Barbara Feldmann: Sie trauen sich
nicht! Sie trauen sich nicht! – Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzender GR Dr
Wolfgang Ulm: Eine weitere Wortmeldung liegt mir nicht vor. Die
Frau Berichterstatterin hat das Schlusswort.
Berichterstatterin GRin Mag Nicole Krotsch:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wie uns im Speziellen
dieser traurige Anlassfall wieder vor Augen geführt hat, ist Gewalt
allgegenwärtig und wie wir schon oft von dieser Stelle aus festgestellt haben,
ist Gewalt nicht auf eine Zielgruppe, auf eine Religionsgemeinschaft
beschränkt, denn Gewalt zieht sich durch soziale Schichten und ist unabhängig
von Religion und Staatszugehörigkeit. Wien kämpft engagiert gegen Gewalt. Wir
übernehmen Verantwortung. Wir setzen viel auf Prävention, Information und
Sensibilisierung und natürlich auch viel auf schnelle und unbürokratische Hilfe
für Opfer, wie der heutige Akt beweist.
Ich stimme auch Kollegin
Maria Vassilakou zu, als sie die ehemalige Bundesministerin der ÖVP erwähnt
hat, denn die ÖVP hier in diesem Haus vergisst immer wieder gerne, was
Rauch-Kallat damals in ihrer Amtszeit getan hat: Die Finanzierung und die
Unterstützung der Interventionsstellen kürzen und wie viele Bezirke in Wien,
wie viele Frauen in den Bezirken unversorgt waren, vergisst sie auch immer
wieder gerne. Wir vergessen das aber nicht. Wir haben die Opfer nicht im Stich
gelassen, denn die Opfer und die Beratungsstellen sind damals vor unserer Tür
gestanden. Wir haben sie nicht im Stich gelassen und das werden wir auch weiter
nicht tun!
Ich möchte ganz kurz noch
auf das Thema Zwangsheirat zu sprechen kommen, da ein Antrag von Kollegin
Feldmann eingebracht wird. Auch hier haben wir ein großes Maßnahmenpaket zur
Bekämpfung von Zwangsheirat geschnürt. Wir haben Handlungsleitfäden für Magistratsdienststellen erstellt, für Beratungseinrichtungen. Wir haben ein
dichtes Unterbringungsnetz und auch da kann ich nochmals sagen, dass wir hier
mit den Frauenhäusern sehr gut aufgestellt sind und auch vielfältige
Unterbringungsmöglichkeiten für betroffene Frauen und Mädchen haben, eben mit
den Frauenhäusern, aber auch mit der multikulturellen Wohngemeinschaft von
Kolping Österreich und auch neu mit den Einrichtungen des Amtes für Jugend und
Familie, wo spezialisiert Mädchen, die betroffen und bedroht von Zwangsheirat
sind, aufgenommen werden können.
Der
Ausbau ist uns wichtig. Die Erweiterung ist uns wichtig. Der Kampf gegen Gewalt
ist uns wichtig. Wir machen das. Wir haben mit Sandra Frauenberger, mit unserer
Frauenstadträtin, eine engagierte Kämpferin gegen Gewalt. Unser Ziel ist es,
dass jede Frau in dieser Stadt sicher, unabhängig und selbstbestimmt leben
kann. In diesem Sinne bitte ich Sie deshalb um Zustimmung zu diesem
vorliegenden Akt. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender
GR Dr Wolfgang Ulm: Wir kommen zur Abstimmung.
Ich
bitte jene Damen und Herren des Gemeinderats, die für den Antrag der
Berichterstatterin sind, um ein Zeichen mit der Hand. - Ich stelle die
Zustimmung bei allen Fraktionen fest. Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Mir
liegen sechs Beschluss- und Resolutionsanträge der ÖVP vor. Ich lasse zunächst
jenen über Optimierung des Notfallmanagements der Wiener Rettung abstimmen. In
formeller Hinsicht ist die sofortige Abstimmung verlangt.
Wer
für diesen Antrag ist, bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Ich stelle die
Zustimmung bei ÖVP, FPÖ und den GRÜNEN fest. Der Antrag hat nicht die
erforderliche Mehrheit.
Antrag betreffend zunehmende Gewaltausbrüche von
Jugendlichen in Wien, Konsequenzen für die Wiener
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