Gemeinderat,
33. Sitzung vom 08.05.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 43 von 89
eingehalten und geahndet werden. (Beifall bei der SPÖ.) Das heißt, ich möchte kriminelle jungen
Menschen nicht in Schutz nehmen, sondern vielmehr möchte ich den Fokus darauf legen,
dass es wichtig ist, ein realistisches Bild unserer Jugend zu zeichnen. Junge
Menschen sind nämlich sehr wohl solidarisch. Sie kümmern sich um ihr Umfeld, um
ihre Umwelt, um die globale Situation. Die Ungerechtigkeit ist vielen ein Dorn
im Auge, und die Ehrenamtlichkeit in NGOs ist ungebrochen hoch. Sie meistern
die Situation sehr gut, wenn man sich vor Augen hält, wie brutal die Welt sein
kann. Ich glaube, wir können das auch alle sagen, und ich sage das für mich
persönlich und für meine Fraktion: Wir sind stolz auf die Wiener Jugend. (Beifall bei der SPÖ.)
Zur aktuellen Diskussion um passende Maßnahmen, um
die angeblich gestiegene Jugendkriminalität einzudämmen, möchte ich behaupten –
und das ist meiner Meinung nach eines der wichtigsten Themenfelder –, dass die
Armutsursachen vorschnell ausgeblendet werden, wenn man sich um das Thema der
Jugendkriminalität annimmt. Da möchte ich wen zitieren, der meiner Meinung nach
etwas sehr Wichtiges gesagt hat. Er spricht nämlich von einer
Verniedlichungstendenz. Die Gesellschaft sei beim Schicksal armer Kinder zu
Recht betroffen und fordert zu Recht Veränderung. Wenn aus dem armen hungrigen
5-jährigen Kind ein zorniger 15-Jähriger geworden ist, spielt soziale Politik
plötzlich keine Rolle mehr, sondern nur mehr Ordnungspolitik, harte Strafen,
Restriktion, Bootcamps und so weiter und so fort. Das hat kein Sozialdemokrat
gesagt, sondern das hat der deutsche Jugendbischof Franz Josef Bodner gesagt.
Ich denke, er hat vollkommen recht.
Das heißt, wenn es um Lösungsansätze geht, glaube
ich, geht es vor allem einmal um die Armutsbekämpfung.
Es geht darum, den jungen Menschen wieder
Perspektiven zu geben und Hoffnung zu geben auf eine Zukunft, wo sie keine
Angst haben müssen.
Es geht darum, ihnen Bildung zu geben, Ausbildung zu
geben, Arbeitsplätze zu sichern und ihnen jene Arbeitsplätze zur Verfügung zu
stellen, die sie auch wirklich einnehmen wollen.
Es geht auch darum, ihnen eine Stimme zu geben und
sie ernst zu nehmen, das heißt, sie an Gesetzeswerdung und an demokratischer
Mitbestimmung teilhaben zu lassen.
Es geht darum, Integration und den richtigen
Spracherwerb möglich zu machen.
Und das alles passiert in Wien. Wir ruhen uns auf
keinen Fall aus, sondern arbeiten gemeinsam mit vielen MitarbeiterInnen, JugendarbeiterInnen,
SozialarbeiterInnen und den Jugendlichen selbst an der ständigen Verbesserung
der Lebensverhältnisse der Betroffenen und weit darüber hinaus.
Unser Anliegen ist es also, durch vielfältige
Präventionsmaßnahmen Gewalt im Keim zu ersticken und erst gar nicht entstehen
zu lassen. Härtere Strafen – da möchte ich zum Beispiel auf die Vereinigten
Staaten von Amerika hinweisen – haben noch kein einziges Gewaltverbrechen
verhindert.
Das heißt, wir haben eine tolle Jugend, die die
Komplexität und die Schwierigkeit ihrer Lebensumstände gut meistert. Der
tragische Fall von Währing gebietet es, mit ruhigem Geist zu analysieren und
nicht vorschnell eine ganze Generation ins schiefe Licht zu rücken. – Danke
sehr. (Beifall bei der SPÖ.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Zu
Wort gemeldet ist Herr GR Mag Gudenus.
GR Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub
der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte
Frau Berichterstatterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zu meinem Vorredner, Kollegen Baxant, möchte ich
sagen, ich stimme mit großen Teilen seiner Ausführungen überein. Ich bin auch
der Meinung, man braucht diesen Fall Natschläger nicht politisch zu
instrumentalisieren, ich glaube, das hat auch keine Fraktion hier im Haus
getan, weil es gar nicht notwendig ist, diesen Fall Natschläger politisch zu
instrumentalisieren. Es ist schon besorgniserregend genug, auch ohne Fall
Natschläger. Man muss das Thema Jugendgewalt und Jugendkriminalität
thematisieren, und wir als Politiker sind aufgerufen, auch Antworten zu finden.
Wenn der Herr Kollege Baxant sagt, die
Jugendkriminalität oder die Jugendgewalt sei „angeblich" gestiegen, so
kann ich ihm nur die Zahlen entgegenhalten, dass der Anstieg der Gewalt unter
Jugendlichen in den letzten sechs Jahren 150 Prozent betragen hat, dass
Raub zum Beispiel um 305 Prozent gestiegen, schwerer Raub um
228 Prozent, Körperverletzung um 70 Prozent. Allein diese Zahlen sind
schon sehr besorgniserregend.
Die jüngsten Zeitungsberichte allein in den letzten zwei
Tagen informieren über Raubattacken mit Messern in Ottakring, wo 13-Jährige auf
Raubzug sind und mit Notfallhämmern und Messern auf Gleichaltrige losgegangen
sind und ausgeraubt haben. Oder es ist gestanden, dass in der Johnstraße Täter
ausfindig gemacht wurden, eben über Videoüberwachung, die um 21 Uhr in der
U-Bahn-Station mit einer Gaspistole Geld und Handy gestohlen haben, vier Leute
gegen einen, drei davon waren Schüler. Deswegen ist das Konzept der
Videoüberwachung nicht schlecht, weil man eben schon allein daran sieht – wie
auch im Fall Natschläger –, dass damit Täter durchaus auch ausfindig gemacht
werden können.
Man sieht hier die Berichte aus den Medien, weiß
vieles aber auch aus erster Hand. Das erfordert eine tabulose Analyse sowie
auch eine Motivforschung, um hier schnell entgegenwirkende Maßnahmen setzen zu
können. Wir glauben, hier ist ein Bündel an Maßnahmen notwendig. Es ist nicht
so, wie es uns die GRÜNEN vorwerfen, dass wir nur für brutale Bestrafung und
Sanktionen sind, nein, es müssen natürlich Maßnahmen überlegt werden im
Präventivbereich und auch im Sanktionsbereich. Natürlich sind Sanktionen auch
Präventivmaßnahmen, aber meistens im Nachhinein. Das gilt dann für die Zukunft.
Der Führerscheinentzug ist da, wie es der Klubobmann Schock gesagt hat, ein
sehr probates Mittel, vor allem für Jugendliche, weil der Führerschein bei
Jugendlichen ja sehr im Zentrum des Interesses steht.
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