Gemeinderat,
32. Sitzung vom 27.03.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 75
Tagesordnung zur Verhandlung.
Sie betrifft eine Sachkreditgenehmigung für die Schule
in Wien 2, Leopoldsgasse 3.
Ich bitte die Berichterstatterin, Frau GRin Mag Kato,
die Verhandlung einzuleiten. (Es kommt
GRin Barbara Novak zum Berichterstatterplatz.) Ah, Entschuldigung
Berichterstatterwechsel, Frau GRin Novak leitet die Verhandlung ein.
Berichterstatterin GRin Barbara Nowak: Ich bitte um Zustimmung.
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Ich eröffne die Debatte. - Zum
Wort gemeldet ist Frau GRin Jerusalem. Sie ist schon unterwegs, ich erteile es
ihr.
GRin Susanne Jerusalem
(Grüner Klub im Rathaus): Meine sehr
verehrten Damen und Herren!
Die Volksschule Leopoldsgasse gibt es ja nicht mehr.
Trotzdem denke ich mir, ist es sinnvoll, anlässlich des heutigen
Geschäftsstückes - das wir ablehnen, weil wir ja dafür waren, dass an diesem
Standort eine Volksschule eingerichtet bleibt - dass ich mich diesbezüglich
noch einmal zum Wort melde. Ich möchte daran erinnern, dass unserer Meinung
nach die Schule zu Unrecht geschlossen wurde, und dass es damals für das
nächste Schuljahr, entgegen den Aussagen des Stadtschulrates,
32 Anmeldungen gegeben hat. Ich sage das mit dieser großen Sicherheit,
weil ich die Kopien dieser Anmeldungen in der Hand gehabt habe.
Es waren 32, und man hätte, wenn man zwei
Integrationsklassen eingerichtet hätte, diese Schule weiterführen können. Das
wurde auch in dieser Art und Weise den Eltern kommuniziert, und trotzdem wurde
aber gleichzeitig von Seiten des Stadtschulrates dafür gesorgt, dass es zum
richtigen Zeitpunkt dann einfach so ausgesehen hat, als wären es zu wenige
Eltern. Wir haben diese Entscheidung für falsch gefunden und halten sie auch
heute noch für falsch, denn auf Grund der Wohnstruktur des Gebietes wäre es ein
Leichtes gewesen, diese Schule auch in den nachfolgenden Jahren zu füllen.
Was ist jetzt das Problem bei der ganzen Sache, und
warum ärgert uns diese Schließung so ganz besonders:
Erster Punkt, es gibt für viele Kinder statt der
Schule ums Eck, also eine Schule, die ganz nah und fußläufig erreichbar ist,
einen langen Schulweg. Das ist schon einmal im Volksschulbereich etwas, was wir
kritisieren, denn zumindest im Volksschulbereich sollte in einem Ballungsraum
wie Wien der Schulweg jedenfalls ein kurzer sein, und sollte der Schulweg für
Kinder im Alter von zumindest sieben Jahren alleine und fußläufig bewältigbar
sein. Das ist jetzt nicht mehr gegeben, es gibt viele Kinder, die einen
wesentlich weiteren Schulweg zu bewältigen haben. Und es gibt natürlich auch
das, dass mehr Kinder als bisher von ihren Eltern mit dem Auto in die Schule
gebracht werden, was ja auch nicht sinnvoll ist. Das heißt, es wurde gegen die
Interessen dieser Kinder gehandelt und gegen die Interessen der Eltern dieser
Kinder. Das ist einmal der erste große Vorwurf.
Der zweite große Vorwurf ist folgender: Weil es diese
Schule nicht mehr gibt, wurden ja andere Schulen aufgefüllt bis zum
Gehtnichtmehr. Ich sage es jetzt einmal salopp, sie wurden einfach
vollgestopft. Dort mussten sehr viele Klassen eingerichtet werden, dort picken
die Kinder aufeinander. Das heißt, es wurde ein Zustand hergestellt, der für
keine einzige Schule erstrebenswert ist, vor allem dann nicht, wenn man doch
eigentlich die Absicht hat, mehr ganztägig geführte Schulen zu betreiben.
Und jetzt bin ich eigentlich
bei dem Punkt, der meiner Meinung nach an dieser Sache am interessantesten ist.
Wenn man etwas gegen die Benachteiligung von Kindern tun will, die aus
sozioökonomisch schwachen Familien kommen, dann muss ich dafür sorgen, dass es
so viele Schulen wie möglich gibt, die ganztägig geführt sind und muss am
Nachmittag Hausübungshilfe und Hausübungsunterstützung anbieten können, denn
gerade diese Kinder brauchen das, denn gerade die Eltern dieser Kinder können
es sich nicht leisten, die Nachhilfen, Hilfen und Hausübungshilfen ihrer Kinder
aus der eigenen Tasche zu bezahlen. Sie werden es nicht bezahlen, und diese
Kinder werden diese Unterstützung nicht bekommen. Und wie wir alle wissen, ist
das oberste Kriterium dafür, dass man einen Platz in einer ganztägigen Schule
bekommt, die doppelte Berufstätigkeit der Eltern. Das heißt, man muss
nachweisen, dass man berufstätig ist, dann kriegt man für seine Kinder einen
Platz an einer ganztägigen Schule. Und wir wissen auch, dass das einfach bei
vielen der am meisten benachteiligten Kinder, zum Beispiel aus türkischen
Familien wo die „anne“ zu Hause ist und die Kinder am Nachmittag von ihrer
Mutter betreut werden können, eben nicht der Fall ist.
Damit wir uns jetzt nicht missverstehen:
Selbstverständlich sagen auch die Grünen,
wer berufstätig ist, braucht einen ganztägigen Schulplatz. Aber um aus dieser
Zwickmühle herauszukommen und um dieses Problem zu bewältigen, brauche ich
einfach mehr Plätze an einer ganztägigen Schule, und das muss auch das Ziel
dieser Stadt sein. Und wenn ich mir dieses Ziel setze, dann kann ich nicht
einfach eine Schule wie die Leopoldsgasse zusperren, sondern da muss ich ganz
im Gegenteil dafür sorgen, dass ich mehr Schulraum bekomme, dass ich mehr Platz
für die Kinder bekomme, denn Platzmangel ist natürlich für die Kinder eine
Katastrophe. Kinder, die den ganzen Tag nicht mehr Raum haben als zweieinhalb
Quadratmeter, und auf denen steht auch noch der Tisch und auch noch der Sessel,
Kinder, die den ganzen Tag immer im selben Schulraum drinnen sind, das hat mit
einer guten Lebensqualität und dem, was Kinder tatsächlich brauchen, überhaupt
nichts zu tun.
Kinder haben einen unendlichen Bewegungsdrang auf der
einen Seite, sie müssen sich bewegen können, sie brauchen ein lebendiges,
vielfältiges Angebot - da geht es nicht, wenn man nur in einem Raum sich die
ganze Zeit aufhält - und Kinder brauchen, wenn sie den ganzen Tag in der Schule
sind, auch die Möglichkeit, sich zurückzuziehen und sozusagen privat zu sein,
in kleinen Gruppen spielen zu können und so weiter und so fort. Daher, ich
wiederhole es: Ich halte es für falsch, wenn man den Raum kleiner macht statt
größer.
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