Gemeinderat,
31. Sitzung vom 29.02.2008, Wörtliches Protokoll - Seite 61 von 95
meine Wenigkeit einen Antrag betreffend
Gebührenerhöhungsstopp der Stadt Wien ein:
„Der Wiener Gemeinderat spricht sich gegen jede
weitere Erhöhung der wichtigsten tarifmäßigen Entgelte für Leistungen der
Gemeinde bis zum Ende der Legislaturperiode aus, um ein weiteres Anheizen der
Inflationsrate möglichst hintanzuhalten und die Abgabenlast der Wienerinnen und
Wiener zu mindern.
In formeller Hinsicht wird die sofortige Abstimmung
des Antrags verlangt." (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren! Sie sollten wenigstens jetzt
die Größe haben, vor die Wienerinnen und Wiener hinzutreten und zu sagen: Das
ist unser Wiener Beitrag zur Inflationsbekämpfung. Leisten Sie diesen Beitrag!
Aber Sie gehen eigentlich in manchen Bereichen sogar
in die Gegenrichtung. Jetzt werden schon die Gebühren für die Wiener Linien in
Zeiten des Klimawandels und der Diskussion um CO2-Verminderung
besonders drastisch erhöht. Sie bekämen mehr Geld, und was wollen Sie? Mit Müh
und Not jetzt abgesagt: die Intervalle verlängern!
Ich kann mich noch an eine durchaus nette Kampagne
erinnern, als mit einer schwangeren Frau sozusagen von den Wiener Linien
herabgezählt wurde: Die Intervalle werden kürzer. Sie sind aber nicht kürzer
geworden. Dafür sind die Gebühren höher geworden, und zum Dank dafür, dass die
Gebühren höher werden, sollen jetzt auch die Intervalle länger werden. Also
nicht nur, dass Sie den Inflationseffekt in Kauf nehmen: Sie verschlechtern
noch ganz bewusst das öffentliche Angebot! Das passt einfach hinten und vorne
nicht zusammen.
Ihr Landesparteiobmann, unser Bürgermeister - er ist
ja auch unser aller Bürgermeister -, soll sich in erster Linie um die Wiener
Probleme kümmern: einen Wiener Gebührenstopp durchführen, eine Wiener
Steuerreform durchführen, eine ordentliche Wiener Wirtschaftspolitik leisten,
dass Wien ein Zugpferd wird. Dann würde es auch unserer Gebietskrankenkasse
viel besser gehen. Machen Sie Ihre Wiener Hausaufgaben, und warten Sie nicht
immer darauf, dass eine andere Ebene für Sie handelt! (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Godwin Schuster: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Ekkamp.
Ich erteile es ihm.
GR Franz Ekkamp
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Herr
Vorsitzender! Herr Berichterstatter! Geschätzte Damen und Herren!
Ich denke, der Debattenbeitrag hat ja gezeigt, wie
man an einem wirklich heiklen, sensiblen Thema vorbeireden kann. Ich habe jetzt
bewusst nicht gesagt, dass man so ein Thema ignoriert. Es geht nämlich in
Wahrheit um die Teuerung, und ich glaube, hier ist man wirklich an dem Thema
vorbeigegangen.
Wenn man hier einige Punkte herausgreift und wieder
einmal den Gebührenstopp in Wien verlangt, dann kann ich nur sagen, wir haben hier
in diesem Hause schon oft über die Gebührenanpassungen debattiert. Wir haben
schon mehrfach bewiesen - wenn Sie ehrlich zu sich sind, mehrfach bewiesen! -,
dass sich die Gebühren mit denen in anderen Landeshauptstädten, in anderen
Ländern durchaus messen können und durchaus als günstig empfunden werden
können. Es ist ja auch in der Vergangenheit so gewesen, dass ... (GR Mag
Wolfgang Gerstl: Aber nicht Teuerungsraten von 25 Prozent!) Ich komme
schon dazu - ganz ruhig sein, Kollege Gerstl, ganz ruhig sein. (GR Günter
Kenesei: Unerhört!)
Es ist ja schon oft diskutiert worden, und wir haben
es auch bewiesen, dass hier oft mit sehr falschen Zahlen jongliert und agiert
wird. So ist es auch zum Beispiel mit dem Thema Steuerreform; dazu komme ich noch,
meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist nicht leistbar, wird hier
gesagt; direkt oder indirekt wird das gesagt. Ich erinnere, bitte, nur an die
Steuerreform 2005. Da hatten wir ein anderes Budgetdefizit - weil immer die
Schulden so hervorgestrichen werden -, nämlich ein Budgetdefizit von
1,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Mit Ende Dezember 2007 sind wir
auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts heruntergegangen, eben durch
gewisse Maßnahmen der jetzigen Bundesregierung, das muss ich zugeben.
Aber dass man sich eine Steuerreform nicht leisten
kann? Damals hat man sich eine Steuerreform geleistet. Aber die
Verteilungsgerechtigkeit der Steuerreform von 2005 muss man natürlich auch
hinterfragen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass es heute oder de
facto in kürzerer Zeit, sprich 2009, nicht leistbar wäre und die Schulden hier
so in den Vordergrund gestellt werden, das nimmt Ihnen in Wahrheit niemand ab,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich möchte auf noch etwas verweisen, weil Sie immer
so sehr gegen die Gebührenanpassungen in Wien agieren. Ich habe seit dem Jahr
2000 sehr genau aufgepasst, wie Sie in der Bundesregierung agiert haben. Das
dürfte Ihnen doch nicht entgangen sein, auch hier im Hohen Haus, lesen Sie nur
die Protokolle nach! Ich möchte zwar nicht sagen, dass da gejubelt worden ist,
aber: frenetischer Beifall, und da ist kein einziges Wort der Kritik gekommen.
Ich möchte Ihnen das heute ersparen, ich habe es Ihnen auch schon ein paar Mal
erspart, denn einige Male haben wir hier schon dargestellt, wie viele Maßnahmen
es da gab - da ist es nicht um 15 oder 20 Prozent gegangen, da ist es
teilweise um 100 Prozent an Erhöhungen gegangen! -, wie das ein Griff in
die Geldbörsen der Menschen war. Aber da habe ich den Aufschrei der ÖVP
vermisst.
In Wahrheit stehen wir vor dem Thema sinkende
Kaufkraft und steigende Verarmung! Das ist das Resultat der sieben Jahre
Regierung unter ÖVP-Dominanz. Man kann feststellen, dass diese Politik sich
gegen eine Gesellschaftsgruppe gerichtet hat, die aber de facto auf die
Unterstützung der Politik angewiesen ist. Jetzt kommt man wieder so heraus:
schwupp, eine Idee, Gebührenstopp, und schon ist das Problem der Inflation
wieder gelöst! Meine Damen und Herren, so einfach ist das bei der ÖVP: Es schnippt
einer mit dem Finger, und so leicht geht das. (GR Günter Kenesei: So ähnlich
wie: Schwupp, und der Hunderter ist da!)
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