Gemeinderat,
29. Sitzung vom 14.12.2007, Wörtliches Protokoll - Seite 77 von 117
hier im Rahmen dieses Hauses darüber zu diskutieren.
Zweitens: Niemand, glaube ich, hat ein Interesse daran,
die Leistungen der Jugendwohlfahrt schlechtzureden oder das gesamte System
schlechtzureden. Nichtsdestoweniger ist klar, dass dieses System auch seine
Schwächen hat, dass dieses System auch seine Lücken hat und dass, allem voran,
in diesem System ein eklatanter Personalmangel vorhanden ist.
Das sagen sehr wohl angesehene Expertinnen und
Experten, nicht zuletzt auch Prof Friedrich, von dem ich nicht meine, dass
er jemand ist, dessen Meinung wir ganz einfach wegwischen können. Da können wir
auch nicht meinen, er verstehe das System nicht. Das sagen aber darüber hinaus
auch Menschen, die selbst in der Jugendwohlfahrt tätig sind. Wenn hier gesagt
wird, dass 36 Dienstposten fehlen, dann ist das ernst zu nehmen!
Es tut mir leid, es nützt überhaupt nichts, es nützt
wirklich überhaupt nichts, sich auf das System auszureden und das einfach so
abzutun, dass all diejenigen, die jetzt meinen, dass diese 36 Dienstposten
fehlen, das System nicht verstanden hätten. Denn diese Forderung kommt, wie
gesagt, von innerhalb dieses Systems, und ich gehe davon aus, dass diejenigen,
die tagtäglich diese lobenswerte Arbeit leisten, von der Sie selbst gesprochen
haben, sehr wohl wissen werden, ob sie ausreichen oder nicht.
Ein Drittes noch: Ich kaufe es dem Herrn Bürgermeister
leider nicht ab, ich glaube es ihm schlicht nicht, wenn er sagt, dass keine
Statistik über angekündigte und unangekündigte Besuche geführt wird. Das glaube
ich nicht; es ist undenkbar, es ist schlicht undenkbar! Selbstverständlich,
wenn jemand seitens der Jugendwohlfahrt einen Besuch abstattet, wird er oder
sie einen Aktenvermerk anlegen, und so wird es möglich sein, ganz genau zu
erheben, ob es Besuche gegeben hat, wie viele es gegeben und in welchem
Zeitraum es diese gegeben hat. (StRin Mag Katharina Cortolezis-Schlager: Ganz
genau!)
Dass er sagt, es wird nicht erhoben, weil es nicht
erheblich ist - ich kann mich nicht mehr erinnern, wie er es genau gesagt hat,
er hat einfach gesagt: Es tut nichts zur Sache, es ist irrelevant. Nein, es tut
mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPÖ, das glaubt Ihnen niemand!
Es ist nicht irrelevant, es spielt sehr wohl eine Rolle, und es hat sehr wohl
etwas zu tun mit dem Personalmangel, von dem die Rede ist. Denn: Ja, mehr
Personal würde bedeuten, selbstverständlich mehr angekündigte sowie auch
unangekündigte Besuche abstatten zu können und vielleicht in manchen Fällen
sehr schwierige, sehr tragische und auch sehr gefährliche Situationen für
Kinder rechtzeitig zu erkennen.
Insofern kann ich nur sagen: Bitte sparen Sie sich
das mit dem System! Ich verstehe nicht - und ich will es auch nicht verstehen
-, von welchem tollen System die Rede ist, das unangekündigte und angekündigte
Besuche nicht erforderlich macht, das auch 36 fehlende Dienstposten nicht
erforderlich macht und das angeblich so funktionieren soll: Wir sollen uns
keine Sorgen machen, und all diejenigen, die jetzt an dieser Stelle Kritik
anbringen, versuchen Ihrer Meinung nach, politisches Kleingeld aus einem
tragischen Fall zu schlagen. Nein! Wie gesagt, mit dieser Strategie werden Sie
ganz sicher nicht durchkommen, und das versteht auch niemand in der
Bevölkerung. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Nun wollen wir uns nichtsdestoweniger kurz dem
Bereich widmen, wo Kindern Gefahr droht, wo Kindern Gewalt droht, wo Kinder
tatsächlich mit größeren Sicherheitsrisiken und auch Misshandlungen zu rechnen
haben. Statistisch betrachtet, sind es bedauerlicherweise in der Tat zwei Orte:
Ein Ort ist die Familie, die eigenen vier Wände; der zweite Ort ist die Schule.
Ich möchte bei der Familie beginnen. Meine
Vorrednerinnen und Vorredner haben teilweise ziemlich lang darüber geredet,
welche Faktoren es gibt, die innerhalb von Familien, vor allem jungen Familien,
offenbar vermehrt dazu führen, dass es zu Überforderungssituationen kommt, die
am Ende leider zu Misshandlungen führen, wobei die Kinder die Leidtragenden
sind.
Ich kann an dieser Stelle nur sagen: In Wien sind wir
von Stockholm, von den skandinavischen Ländern sehr, sehr weit entfernt. Denn
eines ist klar: Wenn wir eine Kinderbetreuung hätten, die tatsächlich jedem
Kind ab dem ersten Lebensjahr zur Verfügung stünde, die kostenlos oder sehr
günstig wäre, hätten wir hier die Möglichkeit, einerseits sehr viele arbeitende
Mütter und Väter zu entlasten, die zwei und drei Jobs haben, die teilweise
nicht in der Lage sind, sich eine Kinderbetreuung zu organisieren, die
improvisieren müssen, wo es nicht funktioniert.
Denn wie wir alle wissen, ist in Wien derzeit eines
von vier Kindern unter drei Jahren in Betreuung. Selbstverständlich wissen
Gebildete und Wohlhabende wie wir sehr gut, sich diese Betreuungsangebote zu
organisieren. Aber diejenigen, die so viel Glück im Leben nicht hatten, wissen
es nicht, sie kommen auch nicht dran und können es sich teilweise nicht leisten,
weil es teuer ist.
Das alles führt dazu, dass keine Kinderbetreuung in
Anspruch genommen werden kann, dass wir es dann hier zu tun haben mit jungen
Familien, die eben zwei und drei Jobs haben und die ein Baby haben. Sie alle,
die schon Kinder bekommen haben, wissen, dass Kinder die Angewohnheit haben,
vor allem in den ersten Monaten ihres Lebens nicht zu schlafen und auch sehr
lange zu weinen und zu schreien. Das heißt, die Familie kann auch nicht
schlafen, das heißt, Schlaflosigkeit über Monate hinweg, extreme Aggressionen
und am Ende leider tragische Übergriffe gegen die Kinder.
Das heißt, wenn wir in dieser Stadt zunächst einmal
diskutieren möchten über Lösungen, die abseits der Ausstattung der
Jugendwohlfahrt entwickelt werden können, so kann ich nur einmal mehr sagen:
Investieren Sie endlich in flächendeckende Kinderbetreuungsangebote für jedes
Kind ab dem ersten Lebensjahr! (Beifall bei den GRÜNEN.)
Das würde einerseits eine Entlastung für diese Familien
mit sich bringen, und zweitens auch hervorragende, natürlich erworbene
Deutschkenntnisse für alle Kinder in dieser Stadt. Das sollten wir in diesen
Debatten auch nicht vergessen und aus den Augen verlieren. Drittens würde es
bedeuten, dass Kinder, die misshandelt
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