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Gemeinderat, 20. Sitzung vom 27.04.2007, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 108

 

unterschiedlichsten Begriffe und Verwendungen. Allein in Deutschland haben wir ein differenziertes Schulsystem von drei Schularten in verschiedenen Bundesländern, wobei eine dieser drei Schulen Gesamtschule heißt. Also wenn wir über Begriffe reden, Frau Gemeinderätin, dann sollten wir etwas schärfen und uns im politischen Diskurs nicht gegenseitig belehren. Denn letztendlich geht es um einen besonders wichtigen gesellschaftspolitischen Prozess. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Uns geht es darum, dass die GRÜNEN und die SPÖ im 21. Jahrhundert ankommen und sich endlich zu Bildungsstandards, zur Leistung und zur Schulqualität bekennen. (GR Christian Oxonitsch: Wir sind schon lange dort! Nach dem Verschlafen der letzten sieben Jahre in der Bundespolitik ...! - Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ und den GRÜNEN.) Das 21. Jahrhundert verlangt Leistung. Das 21. Jahrhundert verlangt, dass Schülerinnen und Schüler, wenn sie eine Klasse erfolgreich absolvieren, auch tatsächlich die Kenntnisse haben, die im Lehrplan stehen.

 

Wenn Sie daher in der Vergangenheit ein Schulsystem bevorzugt haben, in dem nicht der Lehrplan beurteilt wurde, sondern Noten geschenkt wurden, dann haben Sie jene hohe Jugendarbeitslosigkeit, die Wien deutlich von allen anderen Bundesländern unterscheidet. Die Abschaffung von Noten ist kein geeignetes Mittel! (Beifall bei der ÖVP. - Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie sollen es nicht kommentieren, sondern ändern! Sie sollen die Zeugnisse wieder ernst nehmen. (GR Kurt Wagner: Was haben Sie gemacht die letzten sieben Jahre?) Sie sollen Bildungsstandards wieder ernst nehmen. Frau Bundesministerin Gehrer musste damals Wien auffordern, die Bundesgesetze auch in Wien einzuhalten!

 

Denken wir nur ein paar Monate zurück: Im Zuge des Schulversuchs Kooperative Mittelschule hat es die Intervention der Frau Bundesministerin noch vor dem Sommer gebraucht, um zur Leistungsbeurteilung, wie sie das Gesetz vorsieht, zurückzukehren. Also bekennen Sie sich zur Leistungsbeurteilung, bekennen Sie sich zu Qualitätsstandards, bekennen Sie sich zu Bildungsstandards, bekennen Sie sich zu Kompetenzbegriffen, dann werden wir zueinander finden und Brücken bauen können, statt Brücken abzubauen! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Der heutige Vorstoß der Präsidentin des Stadtschulrates, die AHS abzuschaffen, ist nicht gerade eine vertrauensbildende Maßnahme für einen gesellschaftspolitischen Diskurs im Bildungsbereich. Mutwillig etwas abzuschaffen, bevor neue Konzepte da sind, zeugt von einer schlechten, ideologisierten Bildungspolitik, die nicht auf breitem gesellschaftlichen Konsens aufbaut.

 

Uns geht es darum, Differenzierung möglich zu machen, unterschiedliche Begabungen und Leistungen zu fördern. Uns geht es darum, dass Kinder ausreichend Deutsch können, um nicht durch mangelnde Deutschkenntnisse selektiert zu werden. Wir haben in den letzten Monaten, Wochen und Tagen immer wieder Gesprächsbereitschaft signalisiert - aber Gesprächsbereitschaft zu einem ehrlichen Diskurs, der auch aufzeigt, dass in der Integrationspolitik dieser Stadt vieles zu verbessern ist. Wir brauchen einen ehrlichen Dialog darüber, dass derzeit in fünf Bezirken fast alle Kinder mit Migrationshintergrund die Schule besuchen. Wir brauchen einen ehrlichen Diskurs darüber, dass Stadtentwicklung und Schulentwicklung miteinander gekoppelt werden müssen.

 

Daher ist der heutige Antrag zum Schulbau auch eng im Zusammenhang mit einer veränderten Schulentwicklungs- und Stadtentwicklungspolitik zu sehen. Nur wenn Integration in allen Bezirken gleichermaßen mitgedacht und mitgeplant wird, ist es möglich, das, was wir gemeinsam verhindern möchten, abzubauen, nämlich zu frühe Selektion auf Grund sprachlicher Probleme, kultureller Probleme und sozialer Probleme. Daher ist es uns wichtig, weiterzuarbeiten an einem Schulprojekt der Individualisierung, der Differenzierung und der Leistungsorientierung. Nicht die Etikette löst die Schulprobleme, sondern nur ein inhaltlicher Diskurs über die Ziele.

 

Der vorliegende Resolutionsantrag zeigt auf, dass wir vor allem über die Ziele verstärkt reden müssen. Ich begrüße daher, dass es uns gelingt, gemeinsam einen Diskurs zu führen, der sich nicht nur über die Organisation unterhält, sondern über das, was in den Schulen tatsächlich erreicht und erzielt werden soll. Wir brauchen dazu aber nicht nur die Bundesministerin, sondern vor allem eine Umsetzung hier und jetzt. Denn viele Punkte, die heute in diesem Resolutionsantrag drinstehen, sind schon in der heutigen gesetzlichen Lage umsetzbar. Ich gehe daher davon aus, dass Sie nicht darauf warten, dass Frau Bundesministerin Schmied Sie neuerlich auffordern muss, das umzusetzen, sondern dass Sie ab morgen bereits den Stadtschulrat anweisen, die Punkte im Rahmen der bestehenden Gesetze ernster zu nehmen und umzusetzen.

 

Denn zum Beispiel die Berufsorientierung ist auch heute schon ein Mangel im bestehenden regionalen Bildungssystem. Die Individualisierung des Unterrichts wäre heute schon möglich, denn vor allem im Klassenzimmer ist es notwendig, auf unterschiedliche Begabungen und Leistungen einzugehen. Wenn aber die Klassen vollgestopft sind mit Schülerinnen und Schülern, die zu wenig Platz und zu wenig LehrerInnen haben, und die LehrerInnen eingespart und vorenthalten werden, dann wird das nicht gelingen. Wir brauchen daher ein modernes Personalmanagement für Lehrerinnen und Lehrer und keinen Freibrief zur Abschaffung der AHS, der Hauptschulen und Kooperativen Mittelschulen.

 

Es wird von der ÖVP, solange wir uns nicht über Ziele, Inhalte und Standards einig sind, keinen Freibrief zu wie immer gearteten organisatorischen Veränderungen geben. Wir sind für einen neuen Dialog, wir anerkennen, dass es im Ballungszentrum unterschiedliche Haltungen gibt, unterschiedliche Anforderungen gibt, dass es quer durch Österreich unterschiedliche Anforderungen gibt, aber es ist uns wichtig, nicht die Stärken des österreichischen Schulsystems und des Wiener Schulsystems zu zerschlagen, sondern Stärken zu stärken und Schwächen abzubauen.

 

Gerade bei den 14- bis 19-Jährigen ist unser international anerkanntes, differenziertes Schulangebot

 

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