Gemeinderat,
16. Sitzung vom 15.12.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 52 von 129
lassen können? Wie fahrlässig wird hier - um noch einen harmlosen Ausdruck zu gebrauchen - mit Akten umgegangen? Und letztlich ist keine widmungsgemäße Verwendung der Gelder in weiten Bereichen nachweisbar. Ja, wohin sind diese Gelder geflossen?
Es bleibt, meine Damen und Herren, ein mehr als
schaler Nachgeschmack. Es bleiben sehr viele Fragen offen, vor allem auch die
Frage, warum man nicht versucht hat, ernsthaft und auch mit Hilfe von außerhalb
die Daten zu rekonstruieren. Es gibt dazu genügend Möglichkeiten, auch drei-
und viermal gelöschte Daten wieder sichtbar zu machen, das wäre durchaus
möglich gewesen. Wer hat, Frau Stadtrat, Interesse gehabt, dass diese Daten
nicht mehr sichtbar gemacht werden? Wieso, Frau Stadtrat, gab es keine
Regressforderungen an die Beamten, zumindest für die entstandenen Mehrkosten,
und wo, Frau Stadtrat, bleibt das Disziplinarverfahren? Oder hat man auch da
Angst, dass, wenn man die Herren befragt, mehr herauskommt als bisher bekannt
ist?
Wo, Frau Stadtrat, bleibt die politische
Verantwortung und wo bleibt die Dienstaufsicht? Wie kann eine derartige
Misswirtschaft über Jahre hinweg, ja über Jahre hinweg, und nicht als
einmaliger Fehler, unbemerkt bleiben?
Zu den Kosten: 47 Millionen zusätzliche Kosten
für die Steuergelder der Wienerinnen und Wiener, damit Ihr Binnenvisum zum Tragen
kommt, meine Damen und Herren von den Grünen.
Und was tut die SPÖ? Sie versucht abzulenken von dem Schlamassel. Sie klagt
über zu wenige Lehrer, wohl wissend, dass das Finanzausgleichsverfahren mit
Zustimmung des Bgm Häupl erfolgt ist. Der Tausch Lehrer gegen
Wohnbauförderung war ja eine einstimmige Sache auf dieser Ebene.
Folgerungen: Frau Stadtrat, was werden Sie tun? In
funktionierenden Demokratien sind Politiker schon wegen geringerer
Fehlleistungen zurückgetreten, sogar in Wien. Der damalige Stadtrat hatte für
den Reichsbrückeneinsturz in Wirklichkeit weniger Verantwortung als Sie hier
für offenkundige und über Jahre hinweg betriebene Misswirtschaft.
Zum Abschluss noch einen kleinen Auszug aus der
Schuldenliste, die ja weit über diesen Bereich des Rechnungshofsberichts
hinausgeht, Frau Stadtrat:
Einstürzende Schulaltbauten durch Aushungern der
Bezirke im Schulsektor.
Lehrermangel durch miserable Personalplanung.
Untragbare sanitäre Zustände an vielen Schulen, weil
Geld für Repräsentationszwecke da ist und für Förderungen in manchen Bereichen,
wo man sich wirklich fragt, was sie noch mit Wien zu tun haben, aber nicht für
unsere Schulen.
Unsere Kinder trauen sich - das haben wir das letzte
Mal ja hier gehört - nicht einmal mehr die sanitären Örtlichkeiten in den
Schulen aufzusuchen, weil diese sich in einem derartig untragbaren Zustand
befinden. Dafür sind keine Gelder da.
Und letztlich, miserable Ergebnisse im Lernbereich an
den Pflichtschulen der Bundesländer. 400 Millionen EUR, deren Kontrolle
nur eingeschränkt möglich oder überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Das ist
schon in etwa ein Fünftel des Verlustes der BAWAG.
Und da kritisieren Sie, meine Damen und Herren von
der SPÖ, dann, allerdings mit Recht, die mangelhafte Transparenz in der
Eurofighter-Beschaffung. Aber wie schaut es denn hier in Ihrem eigenen Bereich
aus mit der Transparenz?
Zusammenfassung: Hinsichtlich der Führungsqualitäten
im Stadtschulrat: Null Transparenz, null Kontrolle, null Lenkungsmaßnahmen,
null wirkliche Konsequenzen. Wenn Sie das addieren, dann fragt man sich
wirklich, wie ist jemand zu qualifizieren, der das zu verantworten hat, Frau
Stadtrat! (Beifall bei der FPÖ.)
Vorsitzender GR Günther Reiter: Bevor ich Frau Mag Antonov das Wort erteile, nur für
das Protokoll, Herr Mag Jung: Die Frau Vizebürgermeisterin hat sicher Ihren
Ausführungen, ich will nicht sagen, gelauscht, aber sie hat sie sicher gehört,
weil sie ist ja mit dem Herrn Präsidenten des Rechnungshofs gemeinsam
hereingekommen. Also, Sie können sicher sein, sie hat Ihre Ausführungen gehört.
Am Wort ist jetzt Frau Mag Antonov.
GRin Mag Waltraut Antonov (Grüner
Klub im Rathaus): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr
Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!
Zu den vorliegenden Rechnungshofberichten im Detail
werden noch meine Kollegin Jerusalem und Kollege Maresch eingehen. Ich möchte
die Gelegenheit nutzen und einige Überlegungen über das Wesen der öffentlichen
Kontrolle im Allgemeinen und in Wien im Besonderen anstellen.
Die Rechnungshofberichte, wie sie uns hier vorgelegt
werden, sind zu dem Zeitpunkt, wo wir sie im Gemeinderat behandeln, schon lange
auf der Homepage des Rechnungshofes veröffentlicht worden. Die
Kontrollamtsberichte, die uns im Gemeinderat vorgelegt werden, werden uns zu
einem Zeitpunkt vorgelegt, wo sie eigentlich nicht mehr aktuell sind. Wie
schaut das bei den Kontrollamtsberichten aus?
Meistens ist das mediale Interesse zu den
Kontrollamtsberichten lange vor der tatsächlichen Veröffentlichung gegeben. (GR Godwin Schuster: Sie wissen aber, dass
wir eine Verfassungsänderung machen!) Das schaut dann so aus: In den
Zeitungen tauchen einzelne Berichte auf, die KollegInnen von der SPÖ ziehen
kurz die Köpfe ein, gehen in Deckung, manchmal fallt die rote Jalousie herunter
und es wird gesagt: „Was wollt ihr, wir sind eh so super.“ Und was nicht
passiert, ist eine fundierte öffentliche Diskussion zu den Berichten, die ja
nicht möglich ist, weil die Berichte noch nicht öffentlich sind.
Das ist eigentlich nicht das, was ich mir unter
öffentlicher Finanzkontrolle vorstelle, das ist eher ein Kaspertheater, und ich
habe jedenfalls keine Lust, da die Rolle eines Stoffpuppenkrokodils zu spielen,
das auftaucht, und das dann vom Kasperl wieder hinter den Vorhang geschickt wird.
Und wer die Rolle des Kasperls spielt, das überlasse ich Ihrer Phantasie.
Beim Bericht des
Rechnungshofes, der vorgelegt wird, geht es eigentlich um die Kenntnisnahme
dieses
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