Gemeinderat,
15. Sitzung vom 22.11.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 68
In Beantwortung Ihrer Anfrage darf ich Ihnen sagen, dass sowohl im Bundes-Jugendwohlfahrtsgesetz aus dem Jahr 1989 als auch im Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz 1990 vorgesehen ist, dass bei der Vermittlung für die Pflege und Erziehung eines bestimmten Kindes geeignete Pflegeeltern, Pflegepersonen auszuwählen sind. Während das ABGB bestimmt, dass bei der Adoption durch mehr als eine Person die Annehmenden miteinander verheiratet sein müssen, ist dies bei Pflegepersonen keine Vorraussetzung. Daher wird seit dem In-Kraft-Treten des Wiener Jugendwohlfahrtsgesetzes 1990 als rechtlich zulässig erachtet, dass sowohl eine Einzelperson als auch ein gleichgeschlechtliches Paar die Pflegeelternschaft übernehmen kann. Hier wird nicht nach den Rahmenbedingungen, ob verheiratet oder nicht verheiratet, auch nicht, ob gleichgeschlechtlich oder nicht, ausgewählt, sondern nach der Eignung als Pflegeeltern, und daher steht, so wie bei allen Maßnahmen der Jugendwohlfahrt, das Kindeswohl im Vordergrund.
In Wien werden zur Zeit drei Kinder in einer
gleichgeschlechtlichen Pflegefamilie versorgt. Ein Wiener Kind wird in Oberösterreich
in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft betreut, und das erste Kind
wurde vor zirka zehn Jahren in eine solche gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaft, nämlich von zwei Frauen, in Pflege übergeben und hat sich
dort hervorragend entwickelt. Wichtig ist, dabei auch anzumerken, dass die
leiblichen Eltern der Kinder natürlich diesen Prozess mitzutragen haben, denn
der vornehmliche Unterschied zwischen Adoption und Pflegeelternschaft ist ja,
dass die Zielsetzung bei der zeitlichen Unterbringung bei Pflegeeltern die
Parallelbegleitung der Ursprungsfamilie ist. Sie wissen, wir nehmen uns ja
dieser Aufgabe vor allem dann an, wenn es notwendig ist, die Ursprungsfamilie
eine Zeit lang zu entlasten, zu begleiten, aber dann sollen die Kinder unter pädagogischer
Begleitung wieder dorthin zurückgeführt werden. Das heißt, es gibt hier einen
Einklang, keine Berührungsängste. Und daher – das sage ich ganz offen -
verstehe ich die Hektik der derzeitigen Diskussion nicht ganz.
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke. - Eine Zusatzfrage, Herr GR Schreuder?
GR Marco Schreuder
(Grüner Klub im Rathaus): Vielen herzlichen Dank! Ich teile Ihre
Auffassung und verstehe diese Hektik auch nicht ganz. Ich bedanke mich auch
wirklich bei der Stadt Wien für die Kampagne. Ich fand das sehr richtig und
wichtig, weil das letztlich auch unsere Erfahrungen waren, dass viele
gleichgeschlechtliche Paare mit einem Kinderwunsch gar nicht wussten, dass es
möglich ist, und es freut mich, dass das nun bekannt ist.
Nun stellt die Aufnahme von Pflegeeltern ja
prinzipiell in Wahrheit höhere Anforderungen als beispielsweise die Adoption.
Jetzt ist mir klar, die Adoption ist eine Bundesangelegenheit, das ist mir
völlig bewusst, aber trotzdem, meine Frage ist: Werden Sie sich als Stadträtin
der Stadt Wien beziehungsweise wird sich die Stadt Wien dafür einsetzen, dass
auch nicht verheiratete gleich- und verschiedengeschlechtliche Paare die
Möglichkeit zur Adoption erhalten?
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Bitte, Frau
Vizebürgermeisterin.
VBgmin Grete Laska: Das, was ich meine
und was sicherlich zu Diskussionen in der nächsten Zeit führen wird, ist
grundsätzlich die Frage, ob die festgeschriebene Familienform aus der
gesetzlichen Regelung, die ja schon längere Zeit zurückliegt, was die Adoption
betrifft, eine ist, die noch zeitgemäß ist oder ob hier an Veränderungen zu
denken ist. Und das wird sicherlich im Zusammenhang stehen mit der
Grundsatzdiskussion, welche Regelungen zu treffen sind, die jetzt nicht nur Pflegeelternschaft,
Adoption oder Ähnliches betreffen, sondern viele andere Bereiche des Lebens
auch, wie man Zusammenleben definiert und welche rechtlichen Schlüsse man aus
solchen Definitionen zieht. Das ist, glaube ich, ein umfassendes Thema, das zu
diskutieren sein wird und dann auch dementsprechend zu lösen sein wird.
Ich bin überzeugt davon, dass die Diskussion darüber
eine ist, die, so wie wir sie in vielen anderen Bereichen auch hier in Wien und
in Fällen, die in Wien zu regeln waren, in den letzten Jahren geführt haben und
neue Lösungen gefunden haben, auf Bundesebene zu führen sein wird.
Dementsprechend werden die Lösungen dort und dann nachfolgend auch in den
Ländern ausschauen.
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke. –
2. Zusatzfrage: Frau GRin Mag Anger-Koch.
GRin Mag Ines Anger-Koch (ÖVP-Klub
der Bundeshauptstadt Wien): Meine Frage: Sehen Sie persönlich diese Art der
Pflegeelternschaft als Vorstufe der Freigabe für die Adoption von
gleichgeschlechtlichen Paaren?
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Bitte, Frau
Vizebürgermeisterin.
VBgmin Grete Laska: Ich persönlich
habe, wie ich meine, schon klargestellt: Für mich persönlich steht immer das
Kindeswohl im Vordergrund. Regelungen haben Gesetzen zu folgen, und Gesetze
entstehen auf Grund von politischen Diskussionen und werden mit politischen
Mehrheiten beschlossen. Daher wird auch die Frage der Anerkennung und der
gesetzlichen Festschreibung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften eine
sein, die uns noch beschäftigen wird. Wenn es hier zu gesetzlichen Lösungen
kommt, dann wird selbstverständlich auch das Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz auf
bundesgesetzliche Regelungen reagieren.
Vorsitzende GRin Inge Zankl: Danke. –
3. Zusatzfrage: Herr GR Mag Gudenus.
GR Mag Johann Gudenus, MAIS (Klub
der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrte Frau Vizebürgermeister!
Im § 21 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz steht,
dass zwischen den Pflegepersonen und den Kindern ein ähnliches Verhältnis
hergestellt werden soll wie zwischen den echten Eltern und den Kindern. Finden
Sie, dass das ein echtes Verhältnis oder ein ähnlich echtes Verhältnis ist,
wenn zwei Männer ein Kind in Pflege nehmen anstatt Mann und Frau?
Vorsitzende GRin Inge Zankl:
Bitte, Frau
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