Gemeinderat,
14. Sitzung vom 20.11.2006, Wörtliches Protokoll - Seite 103 von 108
verwenden. Also entweder das eine oder das andere oder sowohl als auch, wenn die Stadt Wien ihm das halt zahlt.
Wie schon gesagt, die offenen Baustellen ließen sich beliebig
fortsetzen. Ich fasse zusammen: Der Herr Stadtrat sollte sich mehr um ein
durchgängiges Konzept der Wiener Kulturpolitik kümmern, anstelle nur Löcher zu
stopfen und die Gelder nach jedem Flop immer wieder nachzuschießen. Das Geld
kommt bekanntlich vom Steuerzahler und dem sind wir verpflichtet. Aus den
vorher angeführten Gründen und vielen offenen Baustellen sehen wir uns nicht in
der Lage, dem Budget zuzustimmen. (Beifall
bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Dr Wolfgang Ulm: Frau
GRin Zankl, bitte schön.
GRin Inge Zankl
(Sozialdemokratische Fraktion des Wiener
Landtages und Gemeinderates): Herr Vorsitzender! Herr Stadtrat! Liebe
Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe jetzt eine Erkenntnis gewonnen: Die meisten
Mitglieder im Kulturausschuss sind Künstler. Ich habe nämlich ein Zitat von Jan
Sibelius gefunden, der sagt: „Über Musik kann man am besten mit Bankdirektoren
reden, Künstler reden ja nur über Geld." Also viele Künstler. Ist ja ganz
gut im Ausschuss.
Aber eigentlich wollte ich etwas ganz anderes sagen,
denn Marie von Ebner-Eschenbach hat gesagt: „Wer nichts weiß, muss alles
glauben." Die Aufgabe von Kultur und Wissenschaft ist es, zum Abbau von
Vorurteilen beizutragen. Daher ist es ganz wichtig, dass die Stadt mit dem Wien
Museum, mit dem Stadt- und Landesarchiv und mit der Wissensabteilung zu unser
aller Mehrwissen beiträgt.
Das Wien Museum ist schon angesprochen worden. Das
ist unser urbanes Universalmuseum mit einem breiten Spektrum von Sammlungen und
Ausstellungen von der Stadtgeschichte, von Kunst über Mode und Alltagskultur,
von den ersten Anfängen bis zur Gegenwart. Es hat so seine einzigartige
Position unter den Museen erreicht. Auch das Kontrollamt hat die ausgezeichnete
wirtschaftliche Führung festgestellt. Immer wird nur gesagt, was das Kontrollamt
schlecht findet, in dem Fall hat das Kontrollamt die Gebarung im Museum für gut
befunden.
Die Zielsetzung des Wien Museums spiegelt sich auch
in den Ausstellungen 2007 wider. Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen den
Mund ein bisschen wässrig machen, was wir alles geboten bekommen: „Das
Wirtshaus, eine Geschichte der Wiener Geselligkeit", „Ganz unten, Bilder
des Elends in London, Wien und Paris", „Am Gänsehäufel, ein Strandbad wird
100", „Am Puls der Stadt, 2 000 Jahre Karlsplatz". - Diese
Ausstellung wird die Geschichte des Karlsplatzes seit der Römerzeit über das
Mittelalter, die barocke Karlskirche, unrealisierte Projekte von Otto Wagner
bis zum U-Bahn-Bau und auch zur heutigen Drogenproblematik zeigen. „Die Straßen
Wiens sind mit Kultur gepflastert, die Straßen anderer Städte mit
Asphalt.", schrieb Karl Kraus. Gerade beim Karlsplatz muss ich ihm Recht
geben.
Ich habe aber auch etwas für die Fußballfans
herausgefunden. Die Fußballfans werden 2008 nicht nur die Fußballplätze,
sondern auch das Wien Museum mit Begeisterung besuchen. Anlässlich der
Fußball-Europameisterschaft ist eine Ausstellung „Rapid gegen Austria, Fußball
in Wien" geplant, die erstmals die Geschichte des Wiener Fußballs von 1895
bis heute, aber über den sportlichen Aspekt hinaus auch Politik, Zuwanderung,
Massenbewegung und Stadtidentität, zum Inhalt hat. Rapid und Austria gelten ja
als Inbegriff des Wiener Fußballs. Auch der Gegensatz zwischen Arbeiterfußball
und bürgerlichem Fußball, Kraft und elegantes Scheiberlspiel, wird
thematisiert. Kraft ist der Arbeiterfußball, Scheiberlspiel ist die Austria,
nur zum Verständnis für die Kollegen.
Bei all den genannten Ausstellungen ist aber am
Beispiel eines Themas auch die umfassende Stadtgeschichte gezeigt.
Daher möchte ich Ihnen noch sagen, für 2008 ist auch
noch eine große Ausstellung „Kampf um die Stadt um 1930", einer zentralen
und schwierigen Epoche des 20. Jahrhunderts, geplant.
Auch das Stadt- und Landesarchiv hat zusätzlich zu
seinen Aufgaben im Mozartjahr eine viel beachtete Ausstellung gestaltet, und
zwar „Mozarts Spuren in Wien". Diese Ausstellung wurde in Kooperation mit
dem Intendanten des Mozartjahrs und mit dem Außenministerium in fünf
verschiedenen Sprachen an 30 Ausstellungsorten in Europa, Asien und
Amerika gezeigt. Das Archiv hat damit auch einen bedeutenden Beitrag zum Ruf
unserer Stadt als Musikstadt geleistet.
Das Archiv arbeitet sehr gut, aber leider von der
Öffentlichkeit oft wenig beachtet. Das wird sich aber jetzt ändern, weil es
konnte nach mehrjährigen Vorarbeiten die erste Ausbaustufe des Wiener
Archivinformationssystems - WAIS in Betrieb nehmen. Damit ist es als erstes
österreichisches Archiv in der Lage, elektronische Unterlagen der Stadt in
authentischer Form für die Zukunft aufzubewahren. Das WAIS wird 2007 über das
Internet zugänglich gemacht werden, sodass weltweit in den Beständen des Hauses
recherchiert werden kann. Als erstes österreichisches Archiv und auch als eines
der ersten in Europa wird das Wiener Stadt- und Landesarchiv über eine weltweite
Bestellfunktion verfügen, die Forscherinnen und Forschern, aber auch Ämtern und
Behörden online zur Verfügung stehen wird. Nach dem zukunftsweisenden Neubau im
Gasometer wird damit ein weiterer Schritt gesetzt, dass Wien ein an der Spitze
der fachlichen Entwicklung stehendes Gedächtnis unserer Stadt hat.
Wissen, Wissenschaft und Forschung nehmen in Wien
immer eine zentrale Stellung ein. Wien ist Dank der vielfältigen Aktivitäten,
unter anderem in der Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft, eine Wissenschaftsstadt
geworden. Wissenschaftliche Erklärungen dämpfen die Emotionen und sorgen für
Diskussionskultur, die Voraussetzung für ein gutes politisches Klima ist.
Seit 20 Jahren sind die Wiener Vorlesungen ein Jour fixe der
Vernunft. Ich habe die letzten zwei Einladungen mitgebracht, aber ich denke, in
diesem Haus muss ich das nicht dokumentieren. Ich möchte es in Erinnerung
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