«  1  »

 

Gemeinderat, 14. Sitzung vom 20.11.2006, Wörtliches Protokoll  -  Seite 15 von 108

 

Landeshauptmann und einen roten Finanzstadtrat, die diesen Weg durch ihre Unterschrift auf jeden Fall mitgetragen haben und mitgegangen sind -, stellt sich nach wie vor die Frage: Was haben wir sieben Jahre lang in Wien getan, um diese Misere zu beseitigen, außer festzuhalten, dass es sie gibt, und darüber zu reden und vielleicht auch noch an den Bund zu appellieren, sieben Jahre lang wissend, dass diese Bundesregierung überhaupt nicht gedenkt, irgendetwas daran zu ändern?

 

Jetzt haben wir das Schlamassel! Das haben wir in Wiens Schulen, denn wir haben eine Situation, die inzwischen uns allen bekannt ist. Die PISA-Ergebnisse sind hier in dieser Runde – ich gehe davon aus - auch hinlänglich bekannt: 20 Prozent der Jugendlichen verlassen die Schule und können nicht sinnerfassend lesen, können bei basalen Rechenaufgaben nicht mithalten und haben überhaupt keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt! Herr Stadtrat, wenn Sie von hier aus den Bereich Jugendarbeitslosigkeit ansprechen, was glauben Sie denn, wer darunter zu finden ist? Wer sind die arbeitslosen Jugendlichen von morgen? Wer sind auch die arbeitslosen Erwachsenen von morgen? Wer sind die Hilfsarbeiter von morgen? Wer sind diejenigen, die in ihrem Leben überhaupt keine Chancen auf soziale Mobilität, wie es so schön heißt, haben werden? - Ja, genau diese Gruppe ist es! Und Sie wissen und ich weiß genau und wir alle in diesem Raum wissen, dass es darunter sehr viele Kinder aus Migrationsfamilien gibt, und diese Kinder werden auch im Stich gelassen.

 

Wenn wir von einem sozialen Schulsystem, wenn Sie so wollen, in dieser Stadt sprechen, dann frage ich mich, was sozial daran ist, dass wir inzwischen wissen, dass Kinder aus einkommensschwachen Familien keine Chance haben. Denn gerade so, wie die Schulen derzeit personell ausgestattet sind, bei einem eklatanten Mangel an Fördermaßnahmen gerade für die Kinder, die Lernschwächen haben, wissen wir, wie gesagt, dass nur diejenigen vorankommen, die sich private Nachhilfestunden leisten können. Wer kann sich diese Nachhilfestunden nicht leisten? – Klarerweise sozial schwache Familien, wo auch die Eltern sehr oft nicht imstande sind, hier unterstützend einzugreifen und die Kinder zu fördern, so wie sie es brauchen würden.

 

Somit haben wir es: Wer in einer sozial schwachen Familie geboren wird, hat in diesem wunderbaren, angeblich so sozialen und so sexy Wien kaum die Chance weiterzukommen. Es ist genau derjenige, der in der Schule nicht gefördert wird, es ist genau derjenige, der unter diesen 20 Prozent der schwachen Schülerinnen und Schüler zu finden ist, und es ist meistens auch genau der- oder diejenige, der/die aus einer Familie mit Migrationshintergrund stammt.

 

Damit sehen wir, dass Wien neben der Baustelle Schule auch noch eine zweite Herausforderung für die Zukunft de facto nicht angeht und auch nicht imstande oder nicht willens ist zu lösen. Wenn wir von Integrationspolitik in dieser Stadt sprechen, so gehe ich davon aus, dass zumindest in einem Punkt alle Fraktionen in diesem Haus einer Meinung wären, nämlich dass sie sagen: Ja, Integrationspolitik ist eine der größten Zukunftsfragen, die es in dieser Stadt zu lösen gilt! - Es kann sein, dass wir über die Wege, die man einschlagen möchte, anderer Meinung sind, aber niemand wird hier behaupten, dass es klug ist, nicht in die Schulen zu investieren. Niemand wird hier behaupten, dass es klug ist, die Kinder der zweiten Generation im Stich zu lassen. Niemand wird hier behaupten, dass es klug ist, Kinder, die in dieser Stadt geboren werden und aufwachsen, die auch großteils die österreichische Staatsbürgerschaft haben und von denen wir wissen, dass sie teilweise mit Sprachschwierigkeiten, teilweise auch mit diversen Lernschwierigkeiten konfrontiert sind und genau aus diesen Haushalten stammen, wo es nicht die Möglichkeit gibt, sich Nachhilfestunden zu leisten oder die Kinder zu unterstützen, ausgerechnet diese Kinder im Stich zu lassen. Ob also das ein erfolgreicher Integrationsweg ist, sei dahin gestellt.

 

Somit, Herr Stadtrat, ist im Schulbereich Ihr Budget leider unzureichend. Es ist mutlos, es leugnet Probleme und Tatsachen, und es unternimmt überhaupt nichts, um eine Besserung zu erreichen. Somit ist es alles andere als sexy.

 

Ich möchte den Bereich Schule so liegen lassen und nun zu einem zweiten Bereich kommen, der mir persönlich - und nicht nur mir, sondern vielen Menschen in dieser Stadt - ein sehr großes Ärgernis ist. Ich halte es nämlich für geradezu zynisch, wenn Sie plakatieren: „Kommt Zeit, kommt Rat". Und das Ganze ist eine Kampagne der Stadt Wien, um die sozialen Leistungen der Stadt anzupreisen. „Kommt Zeit, kommt Rat" - bei Wartezeiten von sechs bis acht Wochen, bis man überhaupt einen Termin beim Sozialamt bekommt?! Bis man dann die Sozialhilfe bekommt, die einem vielleicht zusteht, dauert es noch länger. - Für mich ist das wirklich wie eine Verhöhnung derjenigen, die tatsächlich auf dringende Unterstützung angewiesen sind.

 

Ja, und das ist der zweite Bereich, den dieses Budget nicht angeht und nicht löst: Das Kapitel Armut - auch ein wachsendes Problem in Wien und auch eine der größten Herausforderungen für die Zukunft der Stadt und auch für die Zukunft Österreichs. Na, und wo ist das Kapitel „Soziale Innovation" in diesem Budget? - Ich wartete jetzt auf den Zwischenruf: Der Bund ist schuld! - Der ist nicht gekommen. An dieser Stelle sagt nämlich die SPÖ immer genau dasselbe noch einmal: Der Bund ist schuld! Der Bund ist schuld! - Mal schauen, wie lange Sie noch Zeit haben – ein paar Wochen noch -, um sagen zu können, der Bund ist schuld.

 

Ich sage: Nein! Unabhängig davon, welchen Teil der Schuld der Bund trägt oder nicht, hätte ich von einer Stadt wie Wien erwartet, dass wir in den letzten Jahren durchaus in der Lage gewesen wären, irgendwelche Schritte auf dem Gebiet „Soziale Innovation" zu setzen. Einmal mehr erinnere ich an dieser Stelle daran, dass es für die Stadt Wien durchaus möglich gewesen wäre, selbst Schritte in Richtung Schaffung einer Grundsicherung zu setzen. Und weil die Grundsicherung dieser Tage in aller Munde ist und weil es rund um diesen

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular